"Nun," fuhr er fort, "das Sprichwort sagt: hat einer den Nutzen, dem Spott mag er trutzen. Ich hab' meinen kleinen Profit von der Sache, Sie werden schon sehen. Vor allem aber hören Sie, wie's eigentlich geschah, daß sich ein alter Kindskopf so vergessen konnte. Eine Jugenderinnerung war mit im Spiele."
"Im Frühling 1770 reiste ich als dreizehnjäh¬ riges Bürschchen mit meinem Vater nach Italien. Wir gingen von Rom nach Neapel. Ich hatte zwei¬ mal im Conservatorium und sonst zu verschiedenen malen gespielt. Adel und Geistlichkeit erzeigten uns manches Angenehme, vornemlich attachirte sich ein Abbate an uns, der sich als Kenner schmeichelte und übrigens am Hofe etwas galt. Den Tag vor un¬ serer Abreise führte er uns in Begleitung einiger anderen Herrn in einen königlichen Garten, die Villa reale, bei der prachtvollen Straße geradhin am Meere gelegen, wo eine Bande sicilianischer comme¬ dianti sich producirte -- figlj di Nettuno, wie sie sich neben andern schönen Titeln auch nannten. Mit vielen vornehmen Zuschauern, worunter selbst die junge liebenswürdige Königin Carolina sammt zwei Prin¬ zessen, saßen wir auf einer langen Reihe von Bänken
„Nun,“ fuhr er fort, „das Sprichwort ſagt: hat einer den Nutzen, dem Spott mag er trutzen. Ich hab' meinen kleinen Profit von der Sache, Sie werden ſchon ſehen. Vor allem aber hören Sie, wie's eigentlich geſchah, daß ſich ein alter Kindskopf ſo vergeſſen konnte. Eine Jugenderinnerung war mit im Spiele.“
„Im Frühling 1770 reiſte ich als dreizehnjäh¬ riges Bürſchchen mit meinem Vater nach Italien. Wir gingen von Rom nach Neapel. Ich hatte zwei¬ mal im Conſervatorium und ſonſt zu verſchiedenen malen geſpielt. Adel und Geiſtlichkeit erzeigten uns manches Angenehme, vornemlich attachirte ſich ein Abbate an uns, der ſich als Kenner ſchmeichelte und übrigens am Hofe etwas galt. Den Tag vor un¬ ſerer Abreiſe führte er uns in Begleitung einiger anderen Herrn in einen königlichen Garten, die Villa reale, bei der prachtvollen Straße geradhin am Meere gelegen, wo eine Bande ſicilianiſcher comme¬ dianti ſich producirte — figlj di Nettuno, wie ſie ſich neben andern ſchönen Titeln auch nannten. Mit vielen vornehmen Zuſchauern, worunter ſelbſt die junge liebenswürdige Königin Carolina ſammt zwei Prin¬ zeſſen, ſaßen wir auf einer langen Reihe von Bänken
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„Nun,“ fuhr er fort, „das Sprichwort ſagt:
hat einer den Nutzen, dem Spott mag er trutzen.
Ich hab' meinen kleinen Profit von der Sache, Sie
werden ſchon ſehen. Vor allem aber hören Sie,
wie's eigentlich geſchah, daß ſich ein alter Kindskopf
ſo vergeſſen konnte. Eine Jugenderinnerung war mit
im Spiele.“
„Im Frühling 1770 reiſte ich als dreizehnjäh¬
riges Bürſchchen mit meinem Vater nach Italien.
Wir gingen von Rom nach Neapel. Ich hatte zwei¬
mal im Conſervatorium und ſonſt zu verſchiedenen
malen geſpielt. Adel und Geiſtlichkeit erzeigten uns
manches Angenehme, vornemlich attachirte ſich ein
Abbate an uns, der ſich als Kenner ſchmeichelte und
übrigens am Hofe etwas galt. Den Tag vor un¬
ſerer Abreiſe führte er uns in Begleitung einiger
anderen Herrn in einen königlichen Garten, die Villa
reale, bei der prachtvollen Straße geradhin am
Meere gelegen, wo eine Bande ſicilianiſcher comme¬
dianti ſich producirte — figlj di Nettuno, wie ſie
ſich neben andern ſchönen Titeln auch nannten. Mit
vielen vornehmen Zuſchauern, worunter ſelbſt die junge
liebenswürdige Königin Carolina ſammt zwei Prin¬
zeſſen, ſaßen wir auf einer langen Reihe von Bänken
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Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/58>, abgerufen am 28.07.2024.
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