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Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

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sonderlicher Qualität zu verehren. Dasselbe ist so
wenig Gegenstand des Luxus und der Mode, daß es
lediglich nur durch seine Geschichte einigermaßen in¬
teressiren kann."

"Was mag das seyn, Eugenie?" sagte Fran¬
ziska, "zum wenigsten das Tintenfaß eines berühm¬
ten Mannes."

"Nicht allzuweit gefehlt! Sie sollen es noch
diese Stunde sehen; im Reisekoffer liegt der Schatz.
Ich fange an, und werde mit Ihrer Erlaubniß ein
wenig weiter ausholen."

"Vorletzten Winter wollte mir Mozarts Gesund¬
heitszustand, durch vermehrte Reizbarkeit und häufige
Verstimmung, ein fieberhaftes Wesen, nachgerade bange
machen. In Gesellschaft noch zuweilen lustig, oft
mehr als recht natürlich, war er zu Haus meist trüb
in sich hinein, seufzte und klagte. Der Arzt empfahl
ihm Diät, Pyrmonter und Bewegung außerhalb der
Stadt. Der Patient gab nicht viel auf den guten
Rath; die Cur war unbequem, zeitraubend, seinem
Taglauf schnurstracks entgegen. Nun machte ihm
der Doctor die Hölle etwas heiß, er mußte eine lange
Vorlesung anhören von der Beschaffenheit des mensch¬
lichen Geblüts, von denen Kügelgens darin, vom

ſonderlicher Qualität zu verehren. Daſſelbe iſt ſo
wenig Gegenſtand des Luxus und der Mode, daß es
lediglich nur durch ſeine Geſchichte einigermaßen in¬
tereſſiren kann.“

„Was mag das ſeyn, Eugenie?“ ſagte Fran¬
ziſka, „zum wenigſten das Tintenfaß eines berühm¬
ten Mannes.“

„Nicht allzuweit gefehlt! Sie ſollen es noch
dieſe Stunde ſehen; im Reiſekoffer liegt der Schatz.
Ich fange an, und werde mit Ihrer Erlaubniß ein
wenig weiter ausholen.“

„Vorletzten Winter wollte mir Mozarts Geſund¬
heitszuſtand, durch vermehrte Reizbarkeit und häufige
Verſtimmung, ein fieberhaftes Weſen, nachgerade bange
machen. In Geſellſchaft noch zuweilen luſtig, oft
mehr als recht natürlich, war er zu Haus meiſt trüb
in ſich hinein, ſeufzte und klagte. Der Arzt empfahl
ihm Diät, Pyrmonter und Bewegung außerhalb der
Stadt. Der Patient gab nicht viel auf den guten
Rath; die Cur war unbequem, zeitraubend, ſeinem
Taglauf ſchnurſtracks entgegen. Nun machte ihm
der Doctor die Hölle etwas heiß, er mußte eine lange
Vorleſung anhören von der Beſchaffenheit des menſch¬
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[74/0086] ſonderlicher Qualität zu verehren. Daſſelbe iſt ſo wenig Gegenſtand des Luxus und der Mode, daß es lediglich nur durch ſeine Geſchichte einigermaßen in¬ tereſſiren kann.“ „Was mag das ſeyn, Eugenie?“ ſagte Fran¬ ziſka, „zum wenigſten das Tintenfaß eines berühm¬ ten Mannes.“ „Nicht allzuweit gefehlt! Sie ſollen es noch dieſe Stunde ſehen; im Reiſekoffer liegt der Schatz. Ich fange an, und werde mit Ihrer Erlaubniß ein wenig weiter ausholen.“ „Vorletzten Winter wollte mir Mozarts Geſund¬ heitszuſtand, durch vermehrte Reizbarkeit und häufige Verſtimmung, ein fieberhaftes Weſen, nachgerade bange machen. In Geſellſchaft noch zuweilen luſtig, oft mehr als recht natürlich, war er zu Haus meiſt trüb in ſich hinein, ſeufzte und klagte. Der Arzt empfahl ihm Diät, Pyrmonter und Bewegung außerhalb der Stadt. Der Patient gab nicht viel auf den guten Rath; die Cur war unbequem, zeitraubend, ſeinem Taglauf ſchnurſtracks entgegen. Nun machte ihm der Doctor die Hölle etwas heiß, er mußte eine lange Vorleſung anhören von der Beſchaffenheit des menſch¬ lichen Geblüts, von denen Kügelgens darin, vom

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/86>, abgerufen am 23.11.2024.