Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

der Stock muß mit. Professionisten und Beamte,
Kanzleiherrn, Krämer und Chalanten, wenn sie am
Sonntag mit Familie vor die Stadt spazieren, ein
jeder führt sein wohlgedientes, rechtschaffenes Rohr
mit sich. Vornämlich hab' ich oft bemerkt, wie auf
dem Stephansplatz, ein Viertelstündchen vor der Pre¬
digt und dem Amt, ehrsame Bürger da und dort
truppweis beisammen stehen im Gespräch: hier kann
man so recht sehen, wie eine jede ihrer stillen Tu¬
genden, ihr Fleiß und Ordnungsgeist, gelaßner Muth,
Zufriedenheit, sich auf die wackern Stöcke gleichsam
als eine gute Stütze lehnt und stemmt. Mit Einem
Wort, es muß ein Segen und besonderer Trost in
der altväterischen und immerhin etwas geschmacklosen
Gewohnheit liegen. Du magst es glauben oder nicht,
ich kann es kaum erwarten, bis ich mit diesem guten
Freund das erstemal im Gesundheitspaß über die
Brücke nach dem Rennweg promenire! Wir kennen
uns bereits ein wenig und ich hoffe, daß unsere
Verbindung für alle Zeit geschlossen ist."

"Die Verbindung war von kurzer Dauer: das
dritte mal, daß beide mit einander aus waren, kam
der Begleiter nicht mehr mit zurück. Ein anderer
wurde angeschafft, der etwas länger Treue hielt,

der Stock muß mit. Profeſſioniſten und Beamte,
Kanzleiherrn, Krämer und Chalanten, wenn ſie am
Sonntag mit Familie vor die Stadt ſpazieren, ein
jeder führt ſein wohlgedientes, rechtſchaffenes Rohr
mit ſich. Vornämlich hab' ich oft bemerkt, wie auf
dem Stephansplatz, ein Viertelſtündchen vor der Pre¬
digt und dem Amt, ehrſame Bürger da und dort
truppweis beiſammen ſtehen im Geſpräch: hier kann
man ſo recht ſehen, wie eine jede ihrer ſtillen Tu¬
genden, ihr Fleiß und Ordnungsgeiſt, gelaßner Muth,
Zufriedenheit, ſich auf die wackern Stöcke gleichſam
als eine gute Stütze lehnt und ſtemmt. Mit Einem
Wort, es muß ein Segen und beſonderer Troſt in
der altväteriſchen und immerhin etwas geſchmackloſen
Gewohnheit liegen. Du magſt es glauben oder nicht,
ich kann es kaum erwarten, bis ich mit dieſem guten
Freund das erſtemal im Geſundheitspaß über die
Brücke nach dem Rennweg promenire! Wir kennen
uns bereits ein wenig und ich hoffe, daß unſere
Verbindung für alle Zeit geſchloſſen iſt.“

„Die Verbindung war von kurzer Dauer: das
dritte mal, daß beide mit einander aus waren, kam
der Begleiter nicht mehr mit zurück. Ein anderer
wurde angeſchafft, der etwas länger Treue hielt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0088" n="76"/>
der Stock muß mit. Profe&#x017F;&#x017F;ioni&#x017F;ten und Beamte,<lb/>
Kanzleiherrn, Krämer und Chalanten, wenn &#x017F;ie am<lb/>
Sonntag mit Familie vor die Stadt &#x017F;pazieren, ein<lb/>
jeder führt &#x017F;ein wohlgedientes, recht&#x017F;chaffenes Rohr<lb/>
mit &#x017F;ich. Vornämlich hab' ich oft bemerkt, wie auf<lb/>
dem Stephansplatz, ein Viertel&#x017F;tündchen vor der Pre¬<lb/>
digt und dem Amt, ehr&#x017F;ame Bürger da und dort<lb/>
truppweis bei&#x017F;ammen &#x017F;tehen im Ge&#x017F;präch: hier kann<lb/>
man &#x017F;o recht &#x017F;ehen, wie eine jede ihrer &#x017F;tillen Tu¬<lb/>
genden, ihr Fleiß und Ordnungsgei&#x017F;t, gelaßner Muth,<lb/>
Zufriedenheit, &#x017F;ich auf die wackern Stöcke gleich&#x017F;am<lb/>
als eine gute Stütze lehnt und &#x017F;temmt. Mit Einem<lb/>
Wort, es muß ein Segen und be&#x017F;onderer Tro&#x017F;t in<lb/>
der altväteri&#x017F;chen und immerhin etwas ge&#x017F;chmacklo&#x017F;en<lb/>
Gewohnheit liegen. Du mag&#x017F;t es glauben oder nicht,<lb/>
ich kann es kaum erwarten, bis ich mit die&#x017F;em guten<lb/>
Freund das er&#x017F;temal im Ge&#x017F;undheitspaß über die<lb/>
Brücke nach dem Rennweg promenire! Wir kennen<lb/>
uns bereits ein wenig und ich hoffe, daß un&#x017F;ere<lb/>
Verbindung für alle Zeit ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Die Verbindung war von kurzer Dauer: das<lb/>
dritte mal, daß beide mit einander aus waren, kam<lb/>
der Begleiter nicht mehr mit zurück. Ein anderer<lb/>
wurde ange&#x017F;chafft, der etwas länger Treue hielt,<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0088] der Stock muß mit. Profeſſioniſten und Beamte, Kanzleiherrn, Krämer und Chalanten, wenn ſie am Sonntag mit Familie vor die Stadt ſpazieren, ein jeder führt ſein wohlgedientes, rechtſchaffenes Rohr mit ſich. Vornämlich hab' ich oft bemerkt, wie auf dem Stephansplatz, ein Viertelſtündchen vor der Pre¬ digt und dem Amt, ehrſame Bürger da und dort truppweis beiſammen ſtehen im Geſpräch: hier kann man ſo recht ſehen, wie eine jede ihrer ſtillen Tu¬ genden, ihr Fleiß und Ordnungsgeiſt, gelaßner Muth, Zufriedenheit, ſich auf die wackern Stöcke gleichſam als eine gute Stütze lehnt und ſtemmt. Mit Einem Wort, es muß ein Segen und beſonderer Troſt in der altväteriſchen und immerhin etwas geſchmackloſen Gewohnheit liegen. Du magſt es glauben oder nicht, ich kann es kaum erwarten, bis ich mit dieſem guten Freund das erſtemal im Geſundheitspaß über die Brücke nach dem Rennweg promenire! Wir kennen uns bereits ein wenig und ich hoffe, daß unſere Verbindung für alle Zeit geſchloſſen iſt.“ „Die Verbindung war von kurzer Dauer: das dritte mal, daß beide mit einander aus waren, kam der Begleiter nicht mehr mit zurück. Ein anderer wurde angeſchafft, der etwas länger Treue hielt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/88
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/88>, abgerufen am 27.11.2024.