Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.lange ein Athem in mir seyn wird. Aber du mußt "Muß ich fort," antwortete ich, durch das Groß- Sie sah mich staunend an, dann schüttelte sie ge- "Loskine!" rief ich, "wolle nur, und was dir un- Sie schwieg. Ich that dieselbe Frage wieder, lange ein Athem in mir ſeyn wird. Aber du mußt „Muß ich fort,“ antwortete ich, durch das Groß- Sie ſah mich ſtaunend an, dann ſchüttelte ſie ge- „Loskine!“ rief ich, „wolle nur, und was dir un- Sie ſchwieg. Ich that dieſelbe Frage wieder, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0320" n="312"/> lange ein Athem in mir ſeyn wird. Aber du mußt<lb/> fort von uns, auch das hab’ ich ihm zugeſagt. Mach’<lb/> es kurz, ich darf nicht lange ausbleiben. Küſſe mich!“</p><lb/> <p>„Muß ich fort,“ antwortete ich, durch das Groß-<lb/> artige dieſes Augenblicks faſt über allen Affekt hin-<lb/> ausgehoben, „muß ich fort, und iſt es wahr daß du<lb/> mich mehr liebeſt als Alles, ſo laß uns zuſammen<lb/> gehen.“</p><lb/> <p>Sie ſah mich ſtaunend an, dann ſchüttelte ſie ge-<lb/> dankenvoll das ſchöne Haupt.</p><lb/> <p>„<hi rendition="#g">Loskine</hi>!“ rief ich, „wolle nur, und was dir un-<lb/> möglich ſcheint, ſoll gewiß möglich gemacht werden.<lb/> Aber noch Eins zuvor beantworte mir: Kannſt du<lb/><hi rendition="#g">Marwins</hi> Verlangen nicht gutwillig erfüllen? Kannſt<lb/> du nicht die Seinige werden?“</p><lb/> <p>Sie ſchwieg. Ich that dieſelbe Frage wieder,<lb/> worauf ſie ein beſtimmtes: Nein! ausſtieß. Mir fiel<lb/> ein Berg vom Herzen und zugleich war mein Ent-<lb/> ſchluß gefaßt. Mit Blitzesſchnelle ordnete ſich ein<lb/> Plan in meinem Kopfe, deſſen Unſicherheit ich freilich<lb/> ſogleich fühlte. Er lief darauf hinaus, daß ich nach<lb/> meiner unverzüglichen Trennung von ihren Leuten<lb/> allein bis G * * * vorausreiſen wolle, dem Städtchen,<lb/> wo ſie, wie ich ja wußte, nächſtens auch eintreffen<lb/> würden. Dort ſolle ſie ſich alsdann von den Ihrigen<lb/> verlieren, ſich unter der Hand und mit kluger Art<lb/> nach dem angeſehenſten Gaſthaus erkundigen, wo ich<lb/> mich unfehlbar bereits befinden und alle Anſtalten zur<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [312/0320]
lange ein Athem in mir ſeyn wird. Aber du mußt
fort von uns, auch das hab’ ich ihm zugeſagt. Mach’
es kurz, ich darf nicht lange ausbleiben. Küſſe mich!“
„Muß ich fort,“ antwortete ich, durch das Groß-
artige dieſes Augenblicks faſt über allen Affekt hin-
ausgehoben, „muß ich fort, und iſt es wahr daß du
mich mehr liebeſt als Alles, ſo laß uns zuſammen
gehen.“
Sie ſah mich ſtaunend an, dann ſchüttelte ſie ge-
dankenvoll das ſchöne Haupt.
„Loskine!“ rief ich, „wolle nur, und was dir un-
möglich ſcheint, ſoll gewiß möglich gemacht werden.
Aber noch Eins zuvor beantworte mir: Kannſt du
Marwins Verlangen nicht gutwillig erfüllen? Kannſt
du nicht die Seinige werden?“
Sie ſchwieg. Ich that dieſelbe Frage wieder,
worauf ſie ein beſtimmtes: Nein! ausſtieß. Mir fiel
ein Berg vom Herzen und zugleich war mein Ent-
ſchluß gefaßt. Mit Blitzesſchnelle ordnete ſich ein
Plan in meinem Kopfe, deſſen Unſicherheit ich freilich
ſogleich fühlte. Er lief darauf hinaus, daß ich nach
meiner unverzüglichen Trennung von ihren Leuten
allein bis G * * * vorausreiſen wolle, dem Städtchen,
wo ſie, wie ich ja wußte, nächſtens auch eintreffen
würden. Dort ſolle ſie ſich alsdann von den Ihrigen
verlieren, ſich unter der Hand und mit kluger Art
nach dem angeſehenſten Gaſthaus erkundigen, wo ich
mich unfehlbar bereits befinden und alle Anſtalten zur
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