Gotteswillen, Papa, nur diesen Morgen nicht!" "War- um denn?" versezte der Alte, in der Meinung, Theo- bald wolle nur das Mädchen geschont wissen, "wir müssen den Augenblick ergreifen, sonst machen wir sie stutzig; sie ist ganz guten Muths: ich rieth ihr, zu- gleich in dem neuen Anzug zu erscheinen und Sie zu überraschen, das schien ihr die Aufgabe zu erleichtern, denn sie kann sich einbilden, das wäre nun die Haupt- sache. Lassen Sie's zu dießmal! Sie wird gleich fertig seyn und Sie kommen dann hinüber." So mußte Nolten nachgeben, der Alte ging und rief ihn in Kurzem.
Da stand sie nun wirklich! glänzend, schön, einer jungen Fürstin zu vergleichen. Innig verwundert und erfreut ward Theobald durch den Anblick. Es war ihm so fremd, sie so geschmückt zu sehen, und doch schien ein solcher Anzug ihrer einzig würdig zu seyn. Ein weißes Kleid stand gar gut zu dem prächtigen Spenzer und einige Blumen zierten das Haar. Wie lebhaft empfängt er die Verschämte in seinen Arm! wie selig blickt sie ihm in die Augen!
"Nun aber lache mich nicht aus!" sprach sie, während sie sich nach der Mandoline umsah und man sich sezte. "Ich will dir erzählen, wie es eigentlich zuging, daß ich's lernte. Ich habe dich einmal, weißt du noch? an dem Abend, wo wir die Johan- niskäfer in das gläserne Körbchen sammelten, da hab' ich dich von ungefähr gefragt, ob es dir nicht leid
Gotteswillen, Papa, nur dieſen Morgen nicht!“ „War- um denn?“ verſezte der Alte, in der Meinung, Theo- bald wolle nur das Mädchen geſchont wiſſen, „wir müſſen den Augenblick ergreifen, ſonſt machen wir ſie ſtutzig; ſie iſt ganz guten Muths: ich rieth ihr, zu- gleich in dem neuen Anzug zu erſcheinen und Sie zu überraſchen, das ſchien ihr die Aufgabe zu erleichtern, denn ſie kann ſich einbilden, das wäre nun die Haupt- ſache. Laſſen Sie’s zu dießmal! Sie wird gleich fertig ſeyn und Sie kommen dann hinüber.“ So mußte Nolten nachgeben, der Alte ging und rief ihn in Kurzem.
Da ſtand ſie nun wirklich! glänzend, ſchön, einer jungen Fürſtin zu vergleichen. Innig verwundert und erfreut ward Theobald durch den Anblick. Es war ihm ſo fremd, ſie ſo geſchmückt zu ſehen, und doch ſchien ein ſolcher Anzug ihrer einzig würdig zu ſeyn. Ein weißes Kleid ſtand gar gut zu dem prächtigen Spenzer und einige Blumen zierten das Haar. Wie lebhaft empfängt er die Verſchämte in ſeinen Arm! wie ſelig blickt ſie ihm in die Augen!
„Nun aber lache mich nicht aus!“ ſprach ſie, während ſie ſich nach der Mandoline umſah und man ſich ſezte. „Ich will dir erzählen, wie es eigentlich zuging, daß ich’s lernte. Ich habe dich einmal, weißt du noch? an dem Abend, wo wir die Johan- niskäfer in das gläſerne Körbchen ſammelten, da hab’ ich dich von ungefähr gefragt, ob es dir nicht leid
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Gotteswillen, Papa, nur dieſen Morgen nicht!“ „War-
um denn?“ verſezte der Alte, in der Meinung, Theo-
bald wolle nur das Mädchen geſchont wiſſen, „wir
müſſen den Augenblick ergreifen, ſonſt machen wir ſie
ſtutzig; ſie iſt ganz guten Muths: ich rieth ihr, zu-
gleich in dem neuen Anzug zu erſcheinen und Sie zu
überraſchen, das ſchien ihr die Aufgabe zu erleichtern,
denn ſie kann ſich einbilden, das wäre nun die Haupt-
ſache. Laſſen Sie’s zu dießmal! Sie wird gleich
fertig ſeyn und Sie kommen dann hinüber.“ So
mußte Nolten nachgeben, der Alte ging und rief ihn
in Kurzem.
Da ſtand ſie nun wirklich! glänzend, ſchön, einer
jungen Fürſtin zu vergleichen. Innig verwundert und
erfreut ward Theobald durch den Anblick. Es war
ihm ſo fremd, ſie ſo geſchmückt zu ſehen, und doch
ſchien ein ſolcher Anzug ihrer einzig würdig zu ſeyn.
Ein weißes Kleid ſtand gar gut zu dem prächtigen
Spenzer und einige Blumen zierten das Haar. Wie
lebhaft empfängt er die Verſchämte in ſeinen Arm!
wie ſelig blickt ſie ihm in die Augen!
„Nun aber lache mich nicht aus!“ ſprach ſie,
während ſie ſich nach der Mandoline umſah und man
ſich ſezte. „Ich will dir erzählen, wie es eigentlich
zuging, daß ich’s lernte. Ich habe dich einmal,
weißt du noch? an dem Abend, wo wir die Johan-
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ich dich von ungefähr gefragt, ob es dir nicht leid
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/115>, abgerufen am 21.11.2024.
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