des nördlichen Deutschlands erhalten haben, zunächst um bei einer gewissen Privatunternehmung des kunst- liebenden Regenten verwendet zu werden, doch sollte die Anstellung auf Zeitlebens seyn. Die Sache ging durch den Maler Tillsen und den alten Hof- rath, deren Empfehlung man, wie es schien, das Ganze eigentlich zu danken hatte. Etwas Geheim- nißvolles war immer dabei, und Nolten hatte Ur- sache zu glauben, daß noch ganz andere Hebel gewirkt haben müßten. Jenes Schreiben selbst war von dem Hofrath. Er gibt sich alle Mühe, dem Freunde dieß Offert so einleuchtend als möglich zu schildern, er hatte zum Ueberfluß Raymundens mündliche Beredt- samkeit noch in Reserve gestellt, wenn Nolten je Bedenken tragen sollte, die Stelle anzunehmen, ein Zweifel, dessen nur der Hofrath fähig seyn konnte, weil er immer von seiner eignen Seltsamkeit ausging. Was übrigens die Sendung Raymunds anbelangt, so verhielt sich's wirklich so, wie er vorhin erklärte; er selber hatte beim Antritt seiner Reise noch keine Ahnung von den Dingen, die im Werke waren.
Die beiden Künstler schlossen jezt in der Aussicht auf ihr gemeinschaftliches Ziel sogleich Brüderschaft, und wer hätte nicht Theil an ihrem Glücke nehmen sollen? Alle sprachen durcheinander auf's Lebhafteste von der Sache hin und her.
"Ja," fragte die Pfarrerin, "und der Zug geht wohl bald vor sich?"
des nördlichen Deutſchlands erhalten haben, zunächſt um bei einer gewiſſen Privatunternehmung des kunſt- liebenden Regenten verwendet zu werden, doch ſollte die Anſtellung auf Zeitlebens ſeyn. Die Sache ging durch den Maler Tillſen und den alten Hof- rath, deren Empfehlung man, wie es ſchien, das Ganze eigentlich zu danken hatte. Etwas Geheim- nißvolles war immer dabei, und Nolten hatte Ur- ſache zu glauben, daß noch ganz andere Hebel gewirkt haben müßten. Jenes Schreiben ſelbſt war von dem Hofrath. Er gibt ſich alle Mühe, dem Freunde dieß Offert ſo einleuchtend als möglich zu ſchildern, er hatte zum Ueberfluß Raymundens mündliche Beredt- ſamkeit noch in Reſerve geſtellt, wenn Nolten je Bedenken tragen ſollte, die Stelle anzunehmen, ein Zweifel, deſſen nur der Hofrath fähig ſeyn konnte, weil er immer von ſeiner eignen Seltſamkeit ausging. Was übrigens die Sendung Raymunds anbelangt, ſo verhielt ſich’s wirklich ſo, wie er vorhin erklärte; er ſelber hatte beim Antritt ſeiner Reiſe noch keine Ahnung von den Dingen, die im Werke waren.
Die beiden Künſtler ſchloſſen jezt in der Ausſicht auf ihr gemeinſchaftliches Ziel ſogleich Brüderſchaft, und wer hätte nicht Theil an ihrem Glücke nehmen ſollen? Alle ſprachen durcheinander auf’s Lebhafteſte von der Sache hin und her.
„Ja,“ fragte die Pfarrerin, „und der Zug geht wohl bald vor ſich?“
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des nördlichen Deutſchlands erhalten haben, zunächſt
um bei einer gewiſſen Privatunternehmung des kunſt-
liebenden Regenten verwendet zu werden, doch ſollte
die Anſtellung auf Zeitlebens ſeyn. Die Sache ging
durch den Maler Tillſen und den alten Hof-
rath, deren Empfehlung man, wie es ſchien, das
Ganze eigentlich zu danken hatte. Etwas Geheim-
nißvolles war immer dabei, und Nolten hatte Ur-
ſache zu glauben, daß noch ganz andere Hebel gewirkt
haben müßten. Jenes Schreiben ſelbſt war von dem
Hofrath. Er gibt ſich alle Mühe, dem Freunde dieß
Offert ſo einleuchtend als möglich zu ſchildern, er hatte
zum Ueberfluß Raymundens mündliche Beredt-
ſamkeit noch in Reſerve geſtellt, wenn Nolten je
Bedenken tragen ſollte, die Stelle anzunehmen, ein
Zweifel, deſſen nur der Hofrath fähig ſeyn konnte,
weil er immer von ſeiner eignen Seltſamkeit ausging.
Was übrigens die Sendung Raymunds anbelangt,
ſo verhielt ſich’s wirklich ſo, wie er vorhin erklärte;
er ſelber hatte beim Antritt ſeiner Reiſe noch keine
Ahnung von den Dingen, die im Werke waren.
Die beiden Künſtler ſchloſſen jezt in der Ausſicht
auf ihr gemeinſchaftliches Ziel ſogleich Brüderſchaft,
und wer hätte nicht Theil an ihrem Glücke nehmen
ſollen? Alle ſprachen durcheinander auf’s Lebhafteſte
von der Sache hin und her.
„Ja,“ fragte die Pfarrerin, „und der Zug geht
wohl bald vor ſich?“
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/144>, abgerufen am 21.11.2024.
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