kaum. "Wir reisen ja die nächste Woche schon, mein Kind!" rief Nolten. Das hindere nichts, behauptete Agnes; sie müßten sich ja nicht nothwendig im Lande trauen lassen, was ihr freilich, an sich betrachtet, ungleich lieber wäre, es könne aber auch in W * geschehn (dieß war der Ort, wo sie sich niederlassen sollten), und noch besser in H * (hier lebte ein naher Verwandter des Försters und die Reisenden mußten das Städtchen passiren, das nur wenige Meilen von W * gelegen war); dort würden sie in einer festzusetzenden Woche mit dem Vater zusammentreffen, und so Alle mitein- ander aufziehn. -- Der Alte hielt seinen Verdruß noch an sich, um erst die Gründe der Tochter zu hö- ren, allein da diese rein innerlich, dem guten Mäd- chen selber nicht ganz klar und überhaupt gar nicht geeignet waren, eine gemein verständige Prüfung aus- zuhalten, so gerieth der Vater in Hitze und es kam zu einem Auftritt, den wir dem Leser gern ersparen. Genug, der Förster, nachdem er seine Meinung über solchen Eigensinn mit Bitterkeit von sich geschüttet hatte, verließ ganz außer sich das Zimmer. Die Arme warf sich voller Schmerz auf's Bette, und Theobald, dem sie nur rückwärts ihre Hand hinlieh, saß lange schweigend neben ihr. Sie wurde ruhiger, sie rührte sich nicht mehr, ein leiser Schlaf umdämmerte ihre Sinne.
Unserem Freunde drangen sich in dieser stummen sonderbaren Lage verschiedene Betrachtungen auf, die
kaum. „Wir reiſen ja die nächſte Woche ſchon, mein Kind!“ rief Nolten. Das hindere nichts, behauptete Agnes; ſie müßten ſich ja nicht nothwendig im Lande trauen laſſen, was ihr freilich, an ſich betrachtet, ungleich lieber wäre, es könne aber auch in W * geſchehn (dieß war der Ort, wo ſie ſich niederlaſſen ſollten), und noch beſſer in H * (hier lebte ein naher Verwandter des Förſters und die Reiſenden mußten das Städtchen paſſiren, das nur wenige Meilen von W * gelegen war); dort würden ſie in einer feſtzuſetzenden Woche mit dem Vater zuſammentreffen, und ſo Alle mitein- ander aufziehn. — Der Alte hielt ſeinen Verdruß noch an ſich, um erſt die Gründe der Tochter zu hö- ren, allein da dieſe rein innerlich, dem guten Mäd- chen ſelber nicht ganz klar und überhaupt gar nicht geeignet waren, eine gemein verſtändige Prüfung aus- zuhalten, ſo gerieth der Vater in Hitze und es kam zu einem Auftritt, den wir dem Leſer gern erſparen. Genug, der Förſter, nachdem er ſeine Meinung über ſolchen Eigenſinn mit Bitterkeit von ſich geſchüttet hatte, verließ ganz außer ſich das Zimmer. Die Arme warf ſich voller Schmerz auf’s Bette, und Theobald, dem ſie nur rückwärts ihre Hand hinlieh, ſaß lange ſchweigend neben ihr. Sie wurde ruhiger, ſie rührte ſich nicht mehr, ein leiſer Schlaf umdämmerte ihre Sinne.
Unſerem Freunde drangen ſich in dieſer ſtummen ſonderbaren Lage verſchiedene Betrachtungen auf, die
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kaum. „Wir reiſen ja die nächſte Woche ſchon, mein
Kind!“ rief Nolten. Das hindere nichts, behauptete
Agnes; ſie müßten ſich ja nicht nothwendig im Lande
trauen laſſen, was ihr freilich, an ſich betrachtet, ungleich
lieber wäre, es könne aber auch in W * geſchehn (dieß
war der Ort, wo ſie ſich niederlaſſen ſollten), und
noch beſſer in H * (hier lebte ein naher Verwandter
des Förſters und die Reiſenden mußten das Städtchen
paſſiren, das nur wenige Meilen von W * gelegen
war); dort würden ſie in einer feſtzuſetzenden Woche
mit dem Vater zuſammentreffen, und ſo Alle mitein-
ander aufziehn. — Der Alte hielt ſeinen Verdruß
noch an ſich, um erſt die Gründe der Tochter zu hö-
ren, allein da dieſe rein innerlich, dem guten Mäd-
chen ſelber nicht ganz klar und überhaupt gar nicht
geeignet waren, eine gemein verſtändige Prüfung aus-
zuhalten, ſo gerieth der Vater in Hitze und es kam
zu einem Auftritt, den wir dem Leſer gern erſparen.
Genug, der Förſter, nachdem er ſeine Meinung über
ſolchen Eigenſinn mit Bitterkeit von ſich geſchüttet
hatte, verließ ganz außer ſich das Zimmer. Die Arme
warf ſich voller Schmerz auf’s Bette, und Theobald,
dem ſie nur rückwärts ihre Hand hinlieh, ſaß lange
ſchweigend neben ihr. Sie wurde ruhiger, ſie rührte
ſich nicht mehr, ein leiſer Schlaf umdämmerte ihre
Sinne.
Unſerem Freunde drangen ſich in dieſer ſtummen
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/160>, abgerufen am 26.11.2024.
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