chen nach einigem Widerspruch doch endlich gelten las- sen mußte. Bräute, deren Väter vom Forstwesen sind, haben vor Andern in der Einbildung des Lieben- den immer einen Reiz voraus, entweder durch den Gegensatz von zarter Weiblichkeit mit einem muthigen, nicht selten Gefahr bringenden Leben, oder weil selbst an den Töchtern noch der frische freie Hauch des Walds zu haften scheint; es sucht überdieß die ge- meinschaftliche Farbe Grün solche Ideen gar gefällig zu vermitteln. Nur das Leztere litt eine Ausnahme bei Agnesen, welche die Eigenheit hatte, daß sie diese muntre Farbe in der Regel nicht, und nur sehr sparsam an sich leiden mochte.
Sie ging, das Frühstück zu besorgen, und Nol- ten unterhielt sich mit dem Förster. Das Gespräch kam auf Agneseus Krankheit und weil kein Theil da- bei verweilen mochte, sehr bald auf einen Gegenstand, wovon der Alte mit Begeisterung, der Sohn mit ei- nem stillen, fast scheuen Vergnügen sprach -- seine Hochzeit. Man dürfe nun damit nicht lange mehr zögern, meinte der Vater, meinte auch Nolten, selbst Agnes hatte sich mit dem ernsten Gedanken mehr ver- traut gemacht. Eine Hauptfrage war noch unent- schieden: wo der Herr Sohn sich niederlassen werde? Nun eben sprachen die Männer darüber. Auf ein- mal fragt Nolten, den Kopf aufrichtend und hor- chend: "Wer ist so musikalisch in der Küche? wer pfeift denn?" "Sie thut's, die Agnes;" antwortet
chen nach einigem Widerſpruch doch endlich gelten laſ- ſen mußte. Bräute, deren Väter vom Forſtweſen ſind, haben vor Andern in der Einbildung des Lieben- den immer einen Reiz voraus, entweder durch den Gegenſatz von zarter Weiblichkeit mit einem muthigen, nicht ſelten Gefahr bringenden Leben, oder weil ſelbſt an den Töchtern noch der friſche freie Hauch des Walds zu haften ſcheint; es ſucht überdieß die ge- meinſchaftliche Farbe Grün ſolche Ideen gar gefällig zu vermitteln. Nur das Leztere litt eine Ausnahme bei Agneſen, welche die Eigenheit hatte, daß ſie dieſe muntre Farbe in der Regel nicht, und nur ſehr ſparſam an ſich leiden mochte.
Sie ging, das Frühſtück zu beſorgen, und Nol- ten unterhielt ſich mit dem Förſter. Das Geſpräch kam auf Agneſeus Krankheit und weil kein Theil da- bei verweilen mochte, ſehr bald auf einen Gegenſtand, wovon der Alte mit Begeiſterung, der Sohn mit ei- nem ſtillen, faſt ſcheuen Vergnügen ſprach — ſeine Hochzeit. Man dürfe nun damit nicht lange mehr zögern, meinte der Vater, meinte auch Nolten, ſelbſt Agnes hatte ſich mit dem ernſten Gedanken mehr ver- traut gemacht. Eine Hauptfrage war noch unent- ſchieden: wo der Herr Sohn ſich niederlaſſen werde? Nun eben ſprachen die Männer darüber. Auf ein- mal fragt Nolten, den Kopf aufrichtend und hor- chend: „Wer iſt ſo muſikaliſch in der Küche? wer pfeift denn?“ „Sie thut’s, die Agnes;“ antwortet
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0093"n="407"/>
chen nach einigem Widerſpruch doch endlich gelten laſ-<lb/>ſen mußte. Bräute, deren Väter vom Forſtweſen<lb/>ſind, haben vor Andern in der Einbildung des Lieben-<lb/>
den immer einen Reiz voraus, entweder durch den<lb/>
Gegenſatz von zarter Weiblichkeit mit einem muthigen,<lb/>
nicht ſelten Gefahr bringenden Leben, oder weil ſelbſt<lb/>
an den Töchtern noch der friſche freie Hauch des<lb/>
Walds zu haften ſcheint; es ſucht überdieß die ge-<lb/>
meinſchaftliche Farbe Grün ſolche Ideen gar gefällig<lb/>
zu vermitteln. Nur das Leztere litt eine Ausnahme<lb/>
bei <hirendition="#g">Agneſen</hi>, welche die Eigenheit hatte, daß ſie<lb/>
dieſe muntre Farbe in der Regel nicht, und nur ſehr<lb/>ſparſam an ſich leiden mochte.</p><lb/><p>Sie ging, das Frühſtück zu beſorgen, und <hirendition="#g">Nol-<lb/>
ten</hi> unterhielt ſich mit dem Förſter. Das Geſpräch<lb/>
kam auf <hirendition="#g">Agneſeus</hi> Krankheit und weil kein Theil da-<lb/>
bei verweilen mochte, ſehr bald auf einen Gegenſtand,<lb/>
wovon der Alte mit Begeiſterung, der Sohn mit ei-<lb/>
nem ſtillen, faſt ſcheuen Vergnügen ſprach —ſeine<lb/>
Hochzeit. Man dürfe nun damit nicht lange mehr<lb/>
zögern, meinte der Vater, meinte auch <hirendition="#g">Nolten</hi>, ſelbſt<lb/><hirendition="#g">Agnes</hi> hatte ſich mit dem ernſten Gedanken mehr ver-<lb/>
traut gemacht. Eine Hauptfrage war noch unent-<lb/>ſchieden: wo der Herr Sohn ſich niederlaſſen werde?<lb/>
Nun eben ſprachen die Männer darüber. Auf ein-<lb/>
mal fragt <hirendition="#g">Nolten</hi>, den Kopf aufrichtend und hor-<lb/>
chend: „Wer iſt ſo muſikaliſch in der Küche? wer<lb/>
pfeift denn?“„<hirendition="#g">Sie</hi> thut’s, die <hirendition="#g">Agnes</hi>;“ antwortet<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[407/0093]
chen nach einigem Widerſpruch doch endlich gelten laſ-
ſen mußte. Bräute, deren Väter vom Forſtweſen
ſind, haben vor Andern in der Einbildung des Lieben-
den immer einen Reiz voraus, entweder durch den
Gegenſatz von zarter Weiblichkeit mit einem muthigen,
nicht ſelten Gefahr bringenden Leben, oder weil ſelbſt
an den Töchtern noch der friſche freie Hauch des
Walds zu haften ſcheint; es ſucht überdieß die ge-
meinſchaftliche Farbe Grün ſolche Ideen gar gefällig
zu vermitteln. Nur das Leztere litt eine Ausnahme
bei Agneſen, welche die Eigenheit hatte, daß ſie
dieſe muntre Farbe in der Regel nicht, und nur ſehr
ſparſam an ſich leiden mochte.
Sie ging, das Frühſtück zu beſorgen, und Nol-
ten unterhielt ſich mit dem Förſter. Das Geſpräch
kam auf Agneſeus Krankheit und weil kein Theil da-
bei verweilen mochte, ſehr bald auf einen Gegenſtand,
wovon der Alte mit Begeiſterung, der Sohn mit ei-
nem ſtillen, faſt ſcheuen Vergnügen ſprach — ſeine
Hochzeit. Man dürfe nun damit nicht lange mehr
zögern, meinte der Vater, meinte auch Nolten, ſelbſt
Agnes hatte ſich mit dem ernſten Gedanken mehr ver-
traut gemacht. Eine Hauptfrage war noch unent-
ſchieden: wo der Herr Sohn ſich niederlaſſen werde?
Nun eben ſprachen die Männer darüber. Auf ein-
mal fragt Nolten, den Kopf aufrichtend und hor-
chend: „Wer iſt ſo muſikaliſch in der Küche? wer
pfeift denn?“ „Sie thut’s, die Agnes;“ antwortet
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/93>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.