Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
Geschichte der letzten Jahrhunderte wovon ich in der
Folge bessere Nachrichten erhielt, als ihm das Glück
gegönnet hatte, selbst auszuarbeiten. Und in dieser
Absicht wandte ich zuerst, nachdem ich bereits zwan-
zig Jahre mit Arbeiten von ganz andrer Art beladen
gewesen, einige ersparete Stunden darauf, um die
nöthigen Auszüge zu machen. Bey der Arbeit aber
fühlte ich bald, daß die neuern Zeiten durchaus das
Licht der alten nöthig hätten. Jch ward daher zuerst
genöthiget bis zu der Epoche des mit Herzog Hein-
rich dem Löwen gesprengten Großherzogthums Sach-
sen zurück zu gehen. Wie ich hier war, muste ich die
Verfassung unter Carln dem Grossen haben, und
endlich um solche recht anzulegen in die ältesten Zeiten
hinauf gehen.

Hier wäre mir die Arbeit meines Freundes beson-
ders nöthig gewesen; und ich wünsche noch immer,
daß solche von seinem geschickten Vettern, der sich be-
reits durch glückliche Proben zeigt, der Welt bekannt
werden möge. Denn ich habe vieles übergangen,
was nicht zu meiner Absicht gehörte; und unser beyder
Gesichtspunkt ist sehr von einander unterschieden ge-
wesen; indem ich vorzüglich die Geschichte unsrer Rech-
te, Sitten und Gewohnheiten zu entwickeln mich be-
mühet, und die Begebenheiten ziemlich nach dieser
Absicht geordnet habe; er aber mit aller ihm eignen
Genauigkeit die Vorfälle, ohne solchen eine gewisse
Richtung zu diesem oder jenem Ziele zu geben erzählet
und beschrieben hat. Mein Freund würde Fehler ver-

mie-

Vorrede.
Geſchichte der letzten Jahrhunderte wovon ich in der
Folge beſſere Nachrichten erhielt, als ihm das Gluͤck
gegoͤnnet hatte, ſelbſt auszuarbeiten. Und in dieſer
Abſicht wandte ich zuerſt, nachdem ich bereits zwan-
zig Jahre mit Arbeiten von ganz andrer Art beladen
geweſen, einige erſparete Stunden darauf, um die
noͤthigen Auszuͤge zu machen. Bey der Arbeit aber
fuͤhlte ich bald, daß die neuern Zeiten durchaus das
Licht der alten noͤthig haͤtten. Jch ward daher zuerſt
genoͤthiget bis zu der Epoche des mit Herzog Hein-
rich dem Loͤwen geſprengten Großherzogthums Sach-
ſen zuruͤck zu gehen. Wie ich hier war, muſte ich die
Verfaſſung unter Carln dem Groſſen haben, und
endlich um ſolche recht anzulegen in die aͤlteſten Zeiten
hinauf gehen.

Hier waͤre mir die Arbeit meines Freundes beſon-
ders noͤthig geweſen; und ich wuͤnſche noch immer,
daß ſolche von ſeinem geſchickten Vettern, der ſich be-
reits durch gluͤckliche Proben zeigt, der Welt bekannt
werden moͤge. Denn ich habe vieles uͤbergangen,
was nicht zu meiner Abſicht gehoͤrte; und unſer beyder
Geſichtspunkt iſt ſehr von einander unterſchieden ge-
weſen; indem ich vorzuͤglich die Geſchichte unſrer Rech-
te, Sitten und Gewohnheiten zu entwickeln mich be-
muͤhet, und die Begebenheiten ziemlich nach dieſer
Abſicht geordnet habe; er aber mit aller ihm eignen
Genauigkeit die Vorfaͤlle, ohne ſolchen eine gewiſſe
Richtung zu dieſem oder jenem Ziele zu geben erzaͤhlet
und beſchrieben hat. Mein Freund wuͤrde Fehler ver-

mie-
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0010"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
Ge&#x017F;chichte der letzten Jahrhunderte wovon ich in der<lb/>
Folge be&#x017F;&#x017F;ere Nachrichten erhielt, als ihm das Glu&#x0364;ck<lb/>
gego&#x0364;nnet hatte, &#x017F;elb&#x017F;t auszuarbeiten. Und in die&#x017F;er<lb/>
Ab&#x017F;icht wandte ich zuer&#x017F;t, nachdem ich bereits zwan-<lb/>
zig Jahre mit Arbeiten von ganz andrer Art beladen<lb/>
gewe&#x017F;en, einige er&#x017F;parete Stunden darauf, um die<lb/>
no&#x0364;thigen Auszu&#x0364;ge zu machen. Bey der Arbeit aber<lb/>
fu&#x0364;hlte ich bald, daß die neuern Zeiten durchaus das<lb/>
Licht der alten no&#x0364;thig ha&#x0364;tten. Jch ward daher zuer&#x017F;t<lb/>
geno&#x0364;thiget bis zu der Epoche des mit Herzog Hein-<lb/>
rich dem Lo&#x0364;wen ge&#x017F;prengten Großherzogthums Sach-<lb/>
&#x017F;en zuru&#x0364;ck zu gehen. Wie ich hier war, mu&#x017F;te ich die<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;ung unter Carln dem Gro&#x017F;&#x017F;en haben, und<lb/>
endlich um &#x017F;olche recht anzulegen in die a&#x0364;lte&#x017F;ten Zeiten<lb/>
hinauf gehen.</p><lb/>
        <p>Hier wa&#x0364;re mir die Arbeit meines Freundes be&#x017F;on-<lb/>
ders no&#x0364;thig gewe&#x017F;en; und ich wu&#x0364;n&#x017F;che noch immer,<lb/>
daß &#x017F;olche von &#x017F;einem ge&#x017F;chickten Vettern, der &#x017F;ich be-<lb/>
reits durch glu&#x0364;ckliche Proben zeigt, der Welt bekannt<lb/>
werden mo&#x0364;ge. Denn ich habe vieles u&#x0364;bergangen,<lb/>
was nicht zu meiner Ab&#x017F;icht geho&#x0364;rte; und un&#x017F;er beyder<lb/>
Ge&#x017F;ichtspunkt i&#x017F;t &#x017F;ehr von einander unter&#x017F;chieden ge-<lb/>
we&#x017F;en; indem ich vorzu&#x0364;glich die Ge&#x017F;chichte un&#x017F;rer Rech-<lb/>
te, Sitten und Gewohnheiten zu entwickeln mich be-<lb/>
mu&#x0364;het, und die Begebenheiten ziemlich nach die&#x017F;er<lb/>
Ab&#x017F;icht geordnet habe; er aber mit aller ihm eignen<lb/>
Genauigkeit die Vorfa&#x0364;lle, ohne &#x017F;olchen eine gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Richtung zu die&#x017F;em oder jenem Ziele zu geben erza&#x0364;hlet<lb/>
und be&#x017F;chrieben hat. Mein Freund wu&#x0364;rde Fehler ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mie-</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0010] Vorrede. Geſchichte der letzten Jahrhunderte wovon ich in der Folge beſſere Nachrichten erhielt, als ihm das Gluͤck gegoͤnnet hatte, ſelbſt auszuarbeiten. Und in dieſer Abſicht wandte ich zuerſt, nachdem ich bereits zwan- zig Jahre mit Arbeiten von ganz andrer Art beladen geweſen, einige erſparete Stunden darauf, um die noͤthigen Auszuͤge zu machen. Bey der Arbeit aber fuͤhlte ich bald, daß die neuern Zeiten durchaus das Licht der alten noͤthig haͤtten. Jch ward daher zuerſt genoͤthiget bis zu der Epoche des mit Herzog Hein- rich dem Loͤwen geſprengten Großherzogthums Sach- ſen zuruͤck zu gehen. Wie ich hier war, muſte ich die Verfaſſung unter Carln dem Groſſen haben, und endlich um ſolche recht anzulegen in die aͤlteſten Zeiten hinauf gehen. Hier waͤre mir die Arbeit meines Freundes beſon- ders noͤthig geweſen; und ich wuͤnſche noch immer, daß ſolche von ſeinem geſchickten Vettern, der ſich be- reits durch gluͤckliche Proben zeigt, der Welt bekannt werden moͤge. Denn ich habe vieles uͤbergangen, was nicht zu meiner Abſicht gehoͤrte; und unſer beyder Geſichtspunkt iſt ſehr von einander unterſchieden ge- weſen; indem ich vorzuͤglich die Geſchichte unſrer Rech- te, Sitten und Gewohnheiten zu entwickeln mich be- muͤhet, und die Begebenheiten ziemlich nach dieſer Abſicht geordnet habe; er aber mit aller ihm eignen Genauigkeit die Vorfaͤlle, ohne ſolchen eine gewiſſe Richtung zu dieſem oder jenem Ziele zu geben erzaͤhlet und beſchrieben hat. Mein Freund wuͤrde Fehler ver- mie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/10
Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/10>, abgerufen am 21.11.2024.