mieden haben; ich aber habe nothwendig sehr oft ge- fehlt, indem man sich gegen das funfzigste Jahr seines Alters nicht ungestraft in ein Feld wagt, worin man in seinen Lehrjahren völlig unbekannt gewesen; ich kann selbst einiges davon anführen.
Da meine Zeit zu kurz war: so gieng ich überall unmittelbar zu den Quellen; und meine wenige Be- kanntschaft mit ihnen machte, daß ich alles neu zu ent- decken glaubte. Das Vergnügen, welches ich dabey empfand, verführte mich zu unzähligen Ausschweifun- gen; wovon ich mit ziemlicher Strenge eine unge- heure Menge nachwärts verworfen, doch aber nach dem mir vorgesteckten kleinen Ziel, noch viel zu viel beybehalten habe.
Ein ander Fehler ist, daß ich den Anfang zum schreiben auf Reisen während dem letzten Kriege ge- macht, und mir erst jede Sache nach ihrer Möglich- keit vorgestellet, und solche hernach zu Hause vielleicht nicht mit genugsamer Unpartheylichkeit gegen die Be- weise geprüfet habe. Daher kann einiges einen schein- baren Hang nach der Hypothese behalten haben. Denn diese pflegt ihren ersten Liebhaber doch noch im- mer heimlich und unsichtbar zu verfolgen. Manches aber ist sicher, wie ich jetzt sehe, zu weit ausgeholet; und ich hätte verschiednes weit näher aus der Reichs- Vogteylichen Verfassung haben können, was ich aus den ältern Zeiten zu weit gesucht habe. Jndessen glaube ich doch eben dadurch, daß ich auf eine sonder- bare Art verfahren, und nicht sofort den gewöhnlich-
sten
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Vorrede.
mieden haben; ich aber habe nothwendig ſehr oft ge- fehlt, indem man ſich gegen das funfzigſte Jahr ſeines Alters nicht ungeſtraft in ein Feld wagt, worin man in ſeinen Lehrjahren voͤllig unbekannt geweſen; ich kann ſelbſt einiges davon anfuͤhren.
Da meine Zeit zu kurz war: ſo gieng ich uͤberall unmittelbar zu den Quellen; und meine wenige Be- kanntſchaft mit ihnen machte, daß ich alles neu zu ent- decken glaubte. Das Vergnuͤgen, welches ich dabey empfand, verfuͤhrte mich zu unzaͤhligen Ausſchweifun- gen; wovon ich mit ziemlicher Strenge eine unge- heure Menge nachwaͤrts verworfen, doch aber nach dem mir vorgeſteckten kleinen Ziel, noch viel zu viel beybehalten habe.
Ein ander Fehler iſt, daß ich den Anfang zum ſchreiben auf Reiſen waͤhrend dem letzten Kriege ge- macht, und mir erſt jede Sache nach ihrer Moͤglich- keit vorgeſtellet, und ſolche hernach zu Hauſe vielleicht nicht mit genugſamer Unpartheylichkeit gegen die Be- weiſe gepruͤfet habe. Daher kann einiges einen ſchein- baren Hang nach der Hypotheſe behalten haben. Denn dieſe pflegt ihren erſten Liebhaber doch noch im- mer heimlich und unſichtbar zu verfolgen. Manches aber iſt ſicher, wie ich jetzt ſehe, zu weit ausgeholet; und ich haͤtte verſchiednes weit naͤher aus der Reichs- Vogteylichen Verfaſſung haben koͤnnen, was ich aus den aͤltern Zeiten zu weit geſucht habe. Jndeſſen glaube ich doch eben dadurch, daß ich auf eine ſonder- bare Art verfahren, und nicht ſofort den gewoͤhnlich-
ſten
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[0011]
Vorrede.
mieden haben; ich aber habe nothwendig ſehr oft ge-
fehlt, indem man ſich gegen das funfzigſte Jahr ſeines
Alters nicht ungeſtraft in ein Feld wagt, worin man
in ſeinen Lehrjahren voͤllig unbekannt geweſen; ich kann
ſelbſt einiges davon anfuͤhren.
Da meine Zeit zu kurz war: ſo gieng ich uͤberall
unmittelbar zu den Quellen; und meine wenige Be-
kanntſchaft mit ihnen machte, daß ich alles neu zu ent-
decken glaubte. Das Vergnuͤgen, welches ich dabey
empfand, verfuͤhrte mich zu unzaͤhligen Ausſchweifun-
gen; wovon ich mit ziemlicher Strenge eine unge-
heure Menge nachwaͤrts verworfen, doch aber nach
dem mir vorgeſteckten kleinen Ziel, noch viel zu viel
beybehalten habe.
Ein ander Fehler iſt, daß ich den Anfang zum
ſchreiben auf Reiſen waͤhrend dem letzten Kriege ge-
macht, und mir erſt jede Sache nach ihrer Moͤglich-
keit vorgeſtellet, und ſolche hernach zu Hauſe vielleicht
nicht mit genugſamer Unpartheylichkeit gegen die Be-
weiſe gepruͤfet habe. Daher kann einiges einen ſchein-
baren Hang nach der Hypotheſe behalten haben.
Denn dieſe pflegt ihren erſten Liebhaber doch noch im-
mer heimlich und unſichtbar zu verfolgen. Manches
aber iſt ſicher, wie ich jetzt ſehe, zu weit ausgeholet;
und ich haͤtte verſchiednes weit naͤher aus der Reichs-
Vogteylichen Verfaſſung haben koͤnnen, was ich aus
den aͤltern Zeiten zu weit geſucht habe. Jndeſſen
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Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/11>, abgerufen am 16.07.2024.
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