Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

Bild:
<< vorherige Seite
erster Abschnitt.
welche den Leib-Eigenthum von den Krieges Gefangenen
herleiten. Allein das ist sehr unwahrscheinlich; und es
ist nicht leicht einem flüchtigen Kriegesgefangenen so gut
gegangen, daß man ihm einen Hof anvertrauet hat.
Mehrere und wichtigere Gegen-Gründe hat de SEL-
CHOW. in Comm. de Stat. ing. I.
10. Andre glauben
die Leute hätten sich zu Leib-eignen gespielt, weil
TACIT. G. 24. sagt: Aleam sobrii inter seria exercent,
tanta lucrandi perdendive temeritate, ut cum omnia defe-
cerunt, extremo ac novissimo jactu de libertate & corpore
contendant.
Sie müssen aber die Sache gar nicht über-
dacht haben. Das Spiel ist kein Laster einzelner Woh-
ner; aber wol der müssigen Cadets im Gefolge. S. §.
33. Und wenn diese ihre Person verspielten: so muste
sie der Herr nach unser Art zu reden von seiner Tafel
hinterm Stuhl weisen. Dieserwegen fügt Tacitus hin-
zu: Servos conditionis hujus per commercia tradunt, ut se
pudore victoriae exsolvant.
Hätte ein einzelner Wehr
sich mit seinem Wehrgute aus der gemeinen Reihe, in
den Leib-eigenthum spielen können: so würde ihn der
Gewinner sicher nicht verkauft haben: ut pudore se vi-
ctoriae exsolveret.
(b) Bey dem Mangel der Buchstaben, war zum sichern Be-
weise, nichts als das Gedächtniß der Versamlung übrig.
So bald nun ein Stück Allode einem Wehren zur Heuer
oder zum Bau wäre untergeben worden: so hätte er
nothwendig auf der Allode zu Hofe gehn; und dort der
jährlichen Urkunde und Versamlung beywohnen; oder
aber das Zeugniß Hof höriger Leute gegen sich gelten
lassen müssen. Beydes litte der damalige Gebrauch
nicht.
(c) Die Liebe zum Vaterlande ist in einem Zeitpunkt be-
rühmt geworden, wo man in der Fremde ohne Geleit
nichts als Wildfang oder Knecht seyn konnte.
§. 46.
F 4
erſter Abſchnitt.
welche den Leib-Eigenthum von den Krieges Gefangenen
herleiten. Allein das iſt ſehr unwahrſcheinlich; und es
iſt nicht leicht einem fluͤchtigen Kriegesgefangenen ſo gut
gegangen, daß man ihm einen Hof anvertrauet hat.
Mehrere und wichtigere Gegen-Gruͤnde hat de SEL-
CHOW. in Comm. de Stat. ing. I.
10. Andre glauben
die Leute haͤtten ſich zu Leib-eignen geſpielt, weil
TACIT. G. 24. ſagt: Aleam ſobrii inter ſeria exercent,
tanta lucrandi perdendive temeritate, ut cum omnia defe-
cerunt, extremo ac noviſſimo jactu de libertate & corpore
contendant.
Sie muͤſſen aber die Sache gar nicht uͤber-
dacht haben. Das Spiel iſt kein Laſter einzelner Woh-
ner; aber wol der muͤſſigen Cadets im Gefolge. S. §.
33. Und wenn dieſe ihre Perſon verſpielten: ſo muſte
ſie der Herr nach unſer Art zu reden von ſeiner Tafel
hinterm Stuhl weiſen. Dieſerwegen fuͤgt Tacitus hin-
zu: Servos conditionis hujus per commercia tradunt, ut ſe
pudore victoriæ exſolvant.
Haͤtte ein einzelner Wehr
ſich mit ſeinem Wehrgute aus der gemeinen Reihe, in
den Leib-eigenthum ſpielen koͤnnen: ſo wuͤrde ihn der
Gewinner ſicher nicht verkauft haben: ut pudore ſe vi-
ctoriæ exſolveret.
(b) Bey dem Mangel der Buchſtaben, war zum ſichern Be-
weiſe, nichts als das Gedaͤchtniß der Verſamlung uͤbrig.
So bald nun ein Stuͤck Allode einem Wehren zur Heuer
oder zum Bau waͤre untergeben worden: ſo haͤtte er
nothwendig auf der Allode zu Hofe gehn; und dort der
jaͤhrlichen Urkunde und Verſamlung beywohnen; oder
aber das Zeugniß Hof hoͤriger Leute gegen ſich gelten
laſſen muͤſſen. Beydes litte der damalige Gebrauch
nicht.
(c) Die Liebe zum Vaterlande iſt in einem Zeitpunkt be-
ruͤhmt geworden, wo man in der Fremde ohne Geleit
nichts als Wildfang oder Knecht ſeyn konnte.
§. 46.
F 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <note place="end" n="(a)"><pb facs="#f0117" n="87"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">er&#x017F;ter Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
welche den Leib-Eigenthum von den Krieges Gefangenen<lb/>
herleiten. Allein das i&#x017F;t &#x017F;ehr unwahr&#x017F;cheinlich; und es<lb/>
i&#x017F;t nicht leicht einem flu&#x0364;chtigen Kriegesgefangenen &#x017F;o gut<lb/>
gegangen, daß man ihm einen Hof anvertrauet hat.<lb/>
Mehrere und wichtigere Gegen-Gru&#x0364;nde hat <hi rendition="#aq">de SEL-<lb/>
CHOW. in Comm. de Stat. ing. I.</hi> 10. Andre glauben<lb/>
die Leute ha&#x0364;tten &#x017F;ich zu Leib-eignen <hi rendition="#fr">ge&#x017F;pielt,</hi> weil<lb/><hi rendition="#aq">TACIT. G.</hi> 24. &#x017F;agt: <hi rendition="#aq">Aleam &#x017F;obrii inter &#x017F;eria exercent,<lb/>
tanta lucrandi perdendive temeritate, ut cum omnia defe-<lb/>
cerunt, extremo ac novi&#x017F;&#x017F;imo jactu de libertate &amp; corpore<lb/>
contendant.</hi> Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en aber die Sache gar nicht u&#x0364;ber-<lb/>
dacht haben. Das Spiel i&#x017F;t kein La&#x017F;ter einzelner Woh-<lb/>
ner; aber wol der mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen Cadets im Gefolge. S. §.<lb/>
33. Und wenn die&#x017F;e ihre Per&#x017F;on ver&#x017F;pielten: &#x017F;o mu&#x017F;te<lb/>
&#x017F;ie der Herr nach un&#x017F;er Art zu reden von &#x017F;einer Tafel<lb/>
hinterm Stuhl wei&#x017F;en. Die&#x017F;erwegen fu&#x0364;gt Tacitus hin-<lb/>
zu: <hi rendition="#aq">Servos <hi rendition="#i">conditionis hujus</hi> per commercia tradunt, <hi rendition="#i">ut &#x017F;e<lb/>
pudore victoriæ ex&#x017F;olvant.</hi></hi> Ha&#x0364;tte ein einzelner Wehr<lb/>
&#x017F;ich mit &#x017F;einem Wehrgute aus der gemeinen Reihe, in<lb/>
den Leib-eigenthum &#x017F;pielen ko&#x0364;nnen: &#x017F;o wu&#x0364;rde ihn der<lb/>
Gewinner &#x017F;icher nicht verkauft haben: <hi rendition="#aq">ut pudore &#x017F;e vi-<lb/>
ctoriæ ex&#x017F;olveret.</hi></note><lb/>
          <note place="end" n="(b)">Bey dem Mangel der Buch&#x017F;taben, war zum &#x017F;ichern Be-<lb/>
wei&#x017F;e, nichts als das Geda&#x0364;chtniß der Ver&#x017F;amlung u&#x0364;brig.<lb/>
So bald nun ein Stu&#x0364;ck Allode einem Wehren zur Heuer<lb/>
oder zum Bau wa&#x0364;re untergeben worden: &#x017F;o ha&#x0364;tte er<lb/>
nothwendig auf der Allode zu Hofe gehn; und dort der<lb/>
ja&#x0364;hrlichen Urkunde und Ver&#x017F;amlung beywohnen; oder<lb/>
aber das Zeugniß Hof ho&#x0364;riger Leute gegen &#x017F;ich gelten<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Beydes litte der damalige Gebrauch<lb/>
nicht.</note><lb/>
          <note place="end" n="(c)">Die Liebe zum Vaterlande i&#x017F;t in einem Zeitpunkt be-<lb/>
ru&#x0364;hmt geworden, wo man in der Fremde ohne Geleit<lb/>
nichts als Wildfang oder Knecht &#x017F;eyn konnte.</note>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">F 4</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">§. 46.</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0117] erſter Abſchnitt. ⁽a⁾ welche den Leib-Eigenthum von den Krieges Gefangenen herleiten. Allein das iſt ſehr unwahrſcheinlich; und es iſt nicht leicht einem fluͤchtigen Kriegesgefangenen ſo gut gegangen, daß man ihm einen Hof anvertrauet hat. Mehrere und wichtigere Gegen-Gruͤnde hat de SEL- CHOW. in Comm. de Stat. ing. I. 10. Andre glauben die Leute haͤtten ſich zu Leib-eignen geſpielt, weil TACIT. G. 24. ſagt: Aleam ſobrii inter ſeria exercent, tanta lucrandi perdendive temeritate, ut cum omnia defe- cerunt, extremo ac noviſſimo jactu de libertate & corpore contendant. Sie muͤſſen aber die Sache gar nicht uͤber- dacht haben. Das Spiel iſt kein Laſter einzelner Woh- ner; aber wol der muͤſſigen Cadets im Gefolge. S. §. 33. Und wenn dieſe ihre Perſon verſpielten: ſo muſte ſie der Herr nach unſer Art zu reden von ſeiner Tafel hinterm Stuhl weiſen. Dieſerwegen fuͤgt Tacitus hin- zu: Servos conditionis hujus per commercia tradunt, ut ſe pudore victoriæ exſolvant. Haͤtte ein einzelner Wehr ſich mit ſeinem Wehrgute aus der gemeinen Reihe, in den Leib-eigenthum ſpielen koͤnnen: ſo wuͤrde ihn der Gewinner ſicher nicht verkauft haben: ut pudore ſe vi- ctoriæ exſolveret. ⁽b⁾ Bey dem Mangel der Buchſtaben, war zum ſichern Be- weiſe, nichts als das Gedaͤchtniß der Verſamlung uͤbrig. So bald nun ein Stuͤck Allode einem Wehren zur Heuer oder zum Bau waͤre untergeben worden: ſo haͤtte er nothwendig auf der Allode zu Hofe gehn; und dort der jaͤhrlichen Urkunde und Verſamlung beywohnen; oder aber das Zeugniß Hof hoͤriger Leute gegen ſich gelten laſſen muͤſſen. Beydes litte der damalige Gebrauch nicht. ⁽c⁾ Die Liebe zum Vaterlande iſt in einem Zeitpunkt be- ruͤhmt geworden, wo man in der Fremde ohne Geleit nichts als Wildfang oder Knecht ſeyn konnte. §. 46. F 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/117
Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/117>, abgerufen am 23.11.2024.