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Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

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Vorrede.
ich diese meine Einleitung (welche eigentlich zu einer
historischen Logic dienen, und daher vielleicht nicht
Erzählungsweise geschrieben seyn sollte,) nicht erst ganz
entworfen, sondern solche immer so, wie ein Bogen
fertig wurde, in die Presse geschickt habe. Da ich
unter sehr vielen Zerstreuungen schrieb, und niemals
glaubte, daß ich so viel als ein Alphabet auf einmal
zu Stande bringen würde: so suchte ich mir gewisser
maßen meine eigne Arbeit zu stehlen; und wenigstens
alle Monat einen Bogen in die Druckerey zu liefern.
Je weiter ich kam je mehr lernte ich. Allein da die
Bogen immer abgedruckt waren: so konnte ich nicht
wieder einlenken; und muß mich jetzt begnügen, wenn
die Geschichte meiner Fehler andre fürsichtiger macht.
Fast hatte ich mich entschlossen den Abdruck ganz wie-
der zu unterdrücken; oder ihn doch erst blos als ein
Manuscript guten Freunden zur Verbesserung auszu-
theilen; es sind auch würklich bereits über zwey Jahr,
daß solcher geruhet hat. Endlich aber wage ich es
doch ihn mit dieser Vorrede noch zu begleiten und ihn
als einen blossen Versuch dem gütigen Leser zu em-
pfehlen.

Was ich am mehrsten fühlte, war dieses, daß un-
fre Sprache eine Verrätherin der edlen Freyheit ge-
worden war, und den Ausdruck verlohren hatte,
welcher sich zu meinen Begriffen paßte. Die ältesten
Geschichtsschreiber von Deutschland haben nicht in
unser Sprache geschrieben, und dem starken deutschen
Körper ein ganz fremdes Colorit gegeben. Wie man
aber anfieng unsre Muttersprache zu gebrauchen: so
hatte die Lehnsverfassung die gemeine Freyheit schon

gefes-
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Vorrede.
ich dieſe meine Einleitung (welche eigentlich zu einer
hiſtoriſchen Logic dienen, und daher vielleicht nicht
Erzaͤhlungsweiſe geſchrieben ſeyn ſollte,) nicht erſt ganz
entworfen, ſondern ſolche immer ſo, wie ein Bogen
fertig wurde, in die Preſſe geſchickt habe. Da ich
unter ſehr vielen Zerſtreuungen ſchrieb, und niemals
glaubte, daß ich ſo viel als ein Alphabet auf einmal
zu Stande bringen wuͤrde: ſo ſuchte ich mir gewiſſer
maßen meine eigne Arbeit zu ſtehlen; und wenigſtens
alle Monat einen Bogen in die Druckerey zu liefern.
Je weiter ich kam je mehr lernte ich. Allein da die
Bogen immer abgedruckt waren: ſo konnte ich nicht
wieder einlenken; und muß mich jetzt begnuͤgen, wenn
die Geſchichte meiner Fehler andre fuͤrſichtiger macht.
Faſt hatte ich mich entſchloſſen den Abdruck ganz wie-
der zu unterdruͤcken; oder ihn doch erſt blos als ein
Manuſcript guten Freunden zur Verbeſſerung auszu-
theilen; es ſind auch wuͤrklich bereits uͤber zwey Jahr,
daß ſolcher geruhet hat. Endlich aber wage ich es
doch ihn mit dieſer Vorrede noch zu begleiten und ihn
als einen bloſſen Verſuch dem guͤtigen Leſer zu em-
pfehlen.

Was ich am mehrſten fuͤhlte, war dieſes, daß un-
fre Sprache eine Verraͤtherin der edlen Freyheit ge-
worden war, und den Ausdruck verlohren hatte,
welcher ſich zu meinen Begriffen paßte. Die aͤlteſten
Geſchichtsſchreiber von Deutſchland haben nicht in
unſer Sprache geſchrieben, und dem ſtarken deutſchen
Koͤrper ein ganz fremdes Colorit gegeben. Wie man
aber anfieng unſre Mutterſprache zu gebrauchen: ſo
hatte die Lehnsverfaſſung die gemeine Freyheit ſchon

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[0013] Vorrede. ich dieſe meine Einleitung (welche eigentlich zu einer hiſtoriſchen Logic dienen, und daher vielleicht nicht Erzaͤhlungsweiſe geſchrieben ſeyn ſollte,) nicht erſt ganz entworfen, ſondern ſolche immer ſo, wie ein Bogen fertig wurde, in die Preſſe geſchickt habe. Da ich unter ſehr vielen Zerſtreuungen ſchrieb, und niemals glaubte, daß ich ſo viel als ein Alphabet auf einmal zu Stande bringen wuͤrde: ſo ſuchte ich mir gewiſſer maßen meine eigne Arbeit zu ſtehlen; und wenigſtens alle Monat einen Bogen in die Druckerey zu liefern. Je weiter ich kam je mehr lernte ich. Allein da die Bogen immer abgedruckt waren: ſo konnte ich nicht wieder einlenken; und muß mich jetzt begnuͤgen, wenn die Geſchichte meiner Fehler andre fuͤrſichtiger macht. Faſt hatte ich mich entſchloſſen den Abdruck ganz wie- der zu unterdruͤcken; oder ihn doch erſt blos als ein Manuſcript guten Freunden zur Verbeſſerung auszu- theilen; es ſind auch wuͤrklich bereits uͤber zwey Jahr, daß ſolcher geruhet hat. Endlich aber wage ich es doch ihn mit dieſer Vorrede noch zu begleiten und ihn als einen bloſſen Verſuch dem guͤtigen Leſer zu em- pfehlen. Was ich am mehrſten fuͤhlte, war dieſes, daß un- fre Sprache eine Verraͤtherin der edlen Freyheit ge- worden war, und den Ausdruck verlohren hatte, welcher ſich zu meinen Begriffen paßte. Die aͤlteſten Geſchichtsſchreiber von Deutſchland haben nicht in unſer Sprache geſchrieben, und dem ſtarken deutſchen Koͤrper ein ganz fremdes Colorit gegeben. Wie man aber anfieng unſre Mutterſprache zu gebrauchen: ſo hatte die Lehnsverfaſſung die gemeine Freyheit ſchon gefeſ- * 4

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/13>, abgerufen am 29.04.2024.