Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

Bild:
<< vorherige Seite

Osnabrücksche Geschichte
Dörfer; Zehnten vor Dörfern; Jagden und Ge-
richtsbarkeiten gehen dort zu Lehen, und der Edelhof
liegt vielfältig im Dorfe, oder nahe daran. Statt
der Leibeignen zeigen sich Erb-Zins-Leute; (b) und
man findet Mühlen-Brau- und Back-Zwang. Die
Bauerhöfe werden nach ihren Besitzern genannt; und
ihre Pflichten sind einförmiger und von andrer Art.
Man spricht von Ober- und Untergerichten; ge-
schlossenen und ungeschlossenen Gerichten, Dinastien
welche gemeinen Edelhöfen entgegen gesetzt werden;
vom Jagd-Regal und sehr vielen andren Rechten und
Gewohnheiten wovon man in Westphalen und in
unserm Stifte keine Spur findet.

(a) Jch setze die Weser als eine grosse Haupt-Linie, wünsch-
te aber doch, daß jemand die wahre Gränze wo der
Leibeigenthum verschwindet, und die Anspänner in Dör-
fern zu wohnen anfangen u. f. w. genauer bestimmen
mögte. Die Gränz-Zeichen habe ich angegeben. Die
Ursachen welche THOMAS. in d. de hom. prop. &c. §. 8.
NOLTEN in d. de Sing. praed. rust. Br. p. 48. GOEBEL
de jure & jud. rust. l.
22. von dem jenseits der Weser er-
loschenen Leib-eigenthum angeben, reichen nicht zu.
(b) Der Erb-Zins-Meyer wird gleich dem Leib-eignen pro
conductore perpetuo
gehalten. Jch bin auch völlig ver-
sichert, daß die jetzigen dergleichen sind, nachdem die
ersten Besitzer längst abgestorben sind. Es ist doch aber
immer eine gewaltige Hypothese, daß einige wenige
Personen, Grund-Herrn so vieler Bauerhöfe gewesen,
und solche gegen Erb-Zins verliehen haben. Jch würde
die Zins-Früchte, die Dienste und andre Leistungen der
Erb-Zins-Meyer, allemal eher als eine gemeine alte
Auflage ansehen, welche der gemeine Heerbann, zur
Zeit wie man ihn nicht mehr gebrauchen konnte, dem-
oder den jenigen entrichtet, welche für ihm zu Felde zie-
hen musten. Der Heerbann ist dem Lehn-Dienst; und
der Lehn-Dienst den Soldaten gewichen.
§. 9.

Oſnabruͤckſche Geſchichte
Doͤrfer; Zehnten vor Doͤrfern; Jagden und Ge-
richtsbarkeiten gehen dort zu Lehen, und der Edelhof
liegt vielfaͤltig im Dorfe, oder nahe daran. Statt
der Leibeignen zeigen ſich Erb-Zins-Leute; (b) und
man findet Muͤhlen-Brau- und Back-Zwang. Die
Bauerhoͤfe werden nach ihren Beſitzern genannt; und
ihre Pflichten ſind einfoͤrmiger und von andrer Art.
Man ſpricht von Ober- und Untergerichten; ge-
ſchloſſenen und ungeſchloſſenen Gerichten, Dinaſtien
welche gemeinen Edelhoͤfen entgegen geſetzt werden;
vom Jagd-Regal und ſehr vielen andren Rechten und
Gewohnheiten wovon man in Weſtphalen und in
unſerm Stifte keine Spur findet.

(a) Jch ſetze die Weſer als eine groſſe Haupt-Linie, wuͤnſch-
te aber doch, daß jemand die wahre Graͤnze wo der
Leibeigenthum verſchwindet, und die Anſpaͤnner in Doͤr-
fern zu wohnen anfangen u. f. w. genauer beſtimmen
moͤgte. Die Graͤnz-Zeichen habe ich angegeben. Die
Urſachen welche THOMAS. in d. de hom. prop. &c. §. 8.
NOLTEN in d. de Sing. præd. ruſt. Br. p. 48. GOEBEL
de jure & jud. ruſt. l.
22. von dem jenſeits der Weſer er-
loſchenen Leib-eigenthum angeben, reichen nicht zu.
(b) Der Erb-Zins-Meyer wird gleich dem Leib-eignen pro
conductore perpetuo
gehalten. Jch bin auch voͤllig ver-
ſichert, daß die jetzigen dergleichen ſind, nachdem die
erſten Beſitzer laͤngſt abgeſtorben ſind. Es iſt doch aber
immer eine gewaltige Hypotheſe, daß einige wenige
Perſonen, Grund-Herrn ſo vieler Bauerhoͤfe geweſen,
und ſolche gegen Erb-Zins verliehen haben. Jch wuͤrde
die Zins-Fruͤchte, die Dienſte und andre Leiſtungen der
Erb-Zins-Meyer, allemal eher als eine gemeine alte
Auflage anſehen, welche der gemeine Heerbann, zur
Zeit wie man ihn nicht mehr gebrauchen konnte, dem-
oder den jenigen entrichtet, welche fuͤr ihm zu Felde zie-
hen muſten. Der Heerbann iſt dem Lehn-Dienſt; und
der Lehn-Dienſt den Soldaten gewichen.
§. 9.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0042" n="12"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">O&#x017F;nabru&#x0364;ck&#x017F;che Ge&#x017F;chichte</hi></fw><lb/>
Do&#x0364;rfer; Zehnten vor Do&#x0364;rfern; Jagden und Ge-<lb/>
richtsbarkeiten gehen dort zu Lehen, und der Edelhof<lb/>
liegt vielfa&#x0364;ltig im Dorfe, oder nahe daran. Statt<lb/>
der Leibeignen zeigen &#x017F;ich Erb-Zins-Leute; <note place="end" n="(b)"/> und<lb/>
man findet Mu&#x0364;hlen-Brau- und Back-Zwang. Die<lb/>
Bauerho&#x0364;fe werden nach ihren Be&#x017F;itzern genannt; und<lb/>
ihre Pflichten &#x017F;ind einfo&#x0364;rmiger und von andrer Art.<lb/>
Man &#x017F;pricht von Ober- und Untergerichten; ge-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen und unge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Gerichten, Dina&#x017F;tien<lb/>
welche gemeinen Edelho&#x0364;fen entgegen ge&#x017F;etzt werden;<lb/>
vom Jagd-Regal und &#x017F;ehr vielen andren Rechten und<lb/>
Gewohnheiten wovon man in We&#x017F;tphalen und in<lb/>
un&#x017F;erm Stifte keine Spur findet.</p><lb/>
          <note place="end" n="(a)">Jch &#x017F;etze die We&#x017F;er als eine gro&#x017F;&#x017F;e Haupt-Linie, wu&#x0364;n&#x017F;ch-<lb/>
te aber doch, daß jemand die wahre Gra&#x0364;nze wo der<lb/>
Leibeigenthum ver&#x017F;chwindet, und die An&#x017F;pa&#x0364;nner in Do&#x0364;r-<lb/>
fern zu wohnen anfangen u. f. w. genauer be&#x017F;timmen<lb/>
mo&#x0364;gte. Die Gra&#x0364;nz-Zeichen habe ich angegeben. Die<lb/>
Ur&#x017F;achen welche <hi rendition="#aq">THOMAS. in d. de hom. prop. &amp;c. §. 8.<lb/>
NOLTEN in d. de Sing. præd. ru&#x017F;t. Br. p. 48. GOEBEL<lb/>
de jure &amp; jud. ru&#x017F;t. l.</hi> 22. von dem jen&#x017F;eits der We&#x017F;er er-<lb/>
lo&#x017F;chenen Leib-eigenthum angeben, reichen nicht zu.</note><lb/>
          <note place="end" n="(b)">Der Erb-Zins-Meyer wird gleich dem Leib-eignen <hi rendition="#aq">pro<lb/>
conductore perpetuo</hi> gehalten. Jch bin auch vo&#x0364;llig ver-<lb/>
&#x017F;ichert, daß die jetzigen dergleichen &#x017F;ind, nachdem die<lb/>
er&#x017F;ten Be&#x017F;itzer la&#x0364;ng&#x017F;t abge&#x017F;torben &#x017F;ind. Es i&#x017F;t doch aber<lb/>
immer eine gewaltige Hypothe&#x017F;e, daß einige wenige<lb/>
Per&#x017F;onen, Grund-Herrn &#x017F;o vieler Bauerho&#x0364;fe gewe&#x017F;en,<lb/>
und &#x017F;olche gegen Erb-Zins verliehen haben. Jch wu&#x0364;rde<lb/>
die Zins-Fru&#x0364;chte, die Dien&#x017F;te und andre Lei&#x017F;tungen der<lb/>
Erb-Zins-Meyer, allemal eher als eine gemeine alte<lb/>
Auflage an&#x017F;ehen, welche der gemeine Heerbann, zur<lb/>
Zeit wie man ihn nicht mehr gebrauchen konnte, dem-<lb/>
oder den jenigen entrichtet, welche fu&#x0364;r ihm zu Felde zie-<lb/>
hen mu&#x017F;ten. Der Heerbann i&#x017F;t dem Lehn-Dien&#x017F;t; und<lb/>
der Lehn-Dien&#x017F;t den Soldaten gewichen.</note>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">§. 9.</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0042] Oſnabruͤckſche Geſchichte Doͤrfer; Zehnten vor Doͤrfern; Jagden und Ge- richtsbarkeiten gehen dort zu Lehen, und der Edelhof liegt vielfaͤltig im Dorfe, oder nahe daran. Statt der Leibeignen zeigen ſich Erb-Zins-Leute; ⁽b⁾ und man findet Muͤhlen-Brau- und Back-Zwang. Die Bauerhoͤfe werden nach ihren Beſitzern genannt; und ihre Pflichten ſind einfoͤrmiger und von andrer Art. Man ſpricht von Ober- und Untergerichten; ge- ſchloſſenen und ungeſchloſſenen Gerichten, Dinaſtien welche gemeinen Edelhoͤfen entgegen geſetzt werden; vom Jagd-Regal und ſehr vielen andren Rechten und Gewohnheiten wovon man in Weſtphalen und in unſerm Stifte keine Spur findet. ⁽a⁾ Jch ſetze die Weſer als eine groſſe Haupt-Linie, wuͤnſch- te aber doch, daß jemand die wahre Graͤnze wo der Leibeigenthum verſchwindet, und die Anſpaͤnner in Doͤr- fern zu wohnen anfangen u. f. w. genauer beſtimmen moͤgte. Die Graͤnz-Zeichen habe ich angegeben. Die Urſachen welche THOMAS. in d. de hom. prop. &c. §. 8. NOLTEN in d. de Sing. præd. ruſt. Br. p. 48. GOEBEL de jure & jud. ruſt. l. 22. von dem jenſeits der Weſer er- loſchenen Leib-eigenthum angeben, reichen nicht zu. ⁽b⁾ Der Erb-Zins-Meyer wird gleich dem Leib-eignen pro conductore perpetuo gehalten. Jch bin auch voͤllig ver- ſichert, daß die jetzigen dergleichen ſind, nachdem die erſten Beſitzer laͤngſt abgeſtorben ſind. Es iſt doch aber immer eine gewaltige Hypotheſe, daß einige wenige Perſonen, Grund-Herrn ſo vieler Bauerhoͤfe geweſen, und ſolche gegen Erb-Zins verliehen haben. Jch wuͤrde die Zins-Fruͤchte, die Dienſte und andre Leiſtungen der Erb-Zins-Meyer, allemal eher als eine gemeine alte Auflage anſehen, welche der gemeine Heerbann, zur Zeit wie man ihn nicht mehr gebrauchen konnte, dem- oder den jenigen entrichtet, welche fuͤr ihm zu Felde zie- hen muſten. Der Heerbann iſt dem Lehn-Dienſt; und der Lehn-Dienſt den Soldaten gewichen. §. 9.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/42
Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/42>, abgerufen am 29.04.2024.