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Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

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erster Abschnitt.
Bürgschaft gegen Benachbarte oblag. Vermuthlich
liegt hierinn der Grund des Mit-Eigenthums, welches
eine Familie zusammen an allen Gütern hatte; und
warum ein Herr ohne ihre Bewilligung solche nicht
veräussern, vermachen und beschweren konnte. Denn
ihre Bürgschaft würde sehr gefährlich gewesen seyn,
wenn sie nicht gleichsam ein gesetzmäßiges Unterpfand,
oder jenes Mit-Eigenthum daran gehabt; oder wenn
auch nur die Vormundschaften eine ander Linie als
die Erbfolgen gehalten hätten. Die Entlassung aus
der Väterlichen oder Herrlichen Gewalt, war gewisser
massen die Aufkündigung der bisherigen Bürgschaft.
Sie muste daher öffentlich geschehen; und eine Ver-
änderung (d) in der eingeführten Erb-Folge sehr
schwer, und ohne eine allgemeine Einwilligung nicht
vorzunehmen seyn weil die Ordnung der Bürgschaft
dadurch verrücket wurde. Wie die Leibes-Strafen
aufkamen, und Hof-Recht Völker-Recht wurde,
mogte diese Noth-Haft der Verwandten mit Recht
das grausame (e) Gesetz der Sachsen heissen.

(a) Was der Priester bekam, konnte die Versöhnung
oder Sühnde; das was der König oder der Staat
bekam, ein Brüchte; und was die Verwandte be-
kamen Wehrgeld heissen. Allein die Schriftsteller
nennen eins durchs ander Werigeldum, und man sieht
leicht, wie sich diese verschiedene Begriffe verwechseln
können; da im Grunde alles von der Wehrung kam.
(b) Suscipere tam inimicitias seu patris seu propinqui quam a-
micitias necesse
est. Nec implacabiles durant. Luitur enim
etiam homicidium certo armentorum vel pecorum numero.
Recipitque satisfactionem (i. e. Werigeldum) universa do-
mus.
TAC. G.
21.
(c)
C 4

erſter Abſchnitt.
Buͤrgſchaft gegen Benachbarte oblag. Vermuthlich
liegt hierinn der Grund des Mit-Eigenthums, welches
eine Familie zuſammen an allen Guͤtern hatte; und
warum ein Herr ohne ihre Bewilligung ſolche nicht
veraͤuſſern, vermachen und beſchweren konnte. Denn
ihre Buͤrgſchaft wuͤrde ſehr gefaͤhrlich geweſen ſeyn,
wenn ſie nicht gleichſam ein geſetzmaͤßiges Unterpfand,
oder jenes Mit-Eigenthum daran gehabt; oder wenn
auch nur die Vormundſchaften eine ander Linie als
die Erbfolgen gehalten haͤtten. Die Entlaſſung aus
der Vaͤterlichen oder Herrlichen Gewalt, war gewiſſer
maſſen die Aufkuͤndigung der bisherigen Buͤrgſchaft.
Sie muſte daher oͤffentlich geſchehen; und eine Ver-
aͤnderung (d) in der eingefuͤhrten Erb-Folge ſehr
ſchwer, und ohne eine allgemeine Einwilligung nicht
vorzunehmen ſeyn weil die Ordnung der Buͤrgſchaft
dadurch verruͤcket wurde. Wie die Leibes-Strafen
aufkamen, und Hof-Recht Voͤlker-Recht wurde,
mogte dieſe Noth-Haft der Verwandten mit Recht
das grauſame (e) Geſetz der Sachſen heiſſen.

(a) Was der Prieſter bekam, konnte die Verſoͤhnung
oder Suͤhnde; das was der Koͤnig oder der Staat
bekam, ein Bruͤchte; und was die Verwandte be-
kamen Wehrgeld heiſſen. Allein die Schriftſteller
nennen eins durchs ander Werigeldum, und man ſieht
leicht, wie ſich dieſe verſchiedene Begriffe verwechſeln
koͤnnen; da im Grunde alles von der Wehrung kam.
(b) Suſcipere tam inimicitias ſeu patris ſeu propinqui quam a-
micitias neceſſe
eſt. Nec implacabiles durant. Luitur enim
etiam homicidium certo armentorum vel pecorum numero.
Recipitque ſatisfactionem (i. e. Werigeldum) univerſa do-
mus.
TAC. G.
21.
(c)
C 4
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[39/0069] erſter Abſchnitt. Buͤrgſchaft gegen Benachbarte oblag. Vermuthlich liegt hierinn der Grund des Mit-Eigenthums, welches eine Familie zuſammen an allen Guͤtern hatte; und warum ein Herr ohne ihre Bewilligung ſolche nicht veraͤuſſern, vermachen und beſchweren konnte. Denn ihre Buͤrgſchaft wuͤrde ſehr gefaͤhrlich geweſen ſeyn, wenn ſie nicht gleichſam ein geſetzmaͤßiges Unterpfand, oder jenes Mit-Eigenthum daran gehabt; oder wenn auch nur die Vormundſchaften eine ander Linie als die Erbfolgen gehalten haͤtten. Die Entlaſſung aus der Vaͤterlichen oder Herrlichen Gewalt, war gewiſſer maſſen die Aufkuͤndigung der bisherigen Buͤrgſchaft. Sie muſte daher oͤffentlich geſchehen; und eine Ver- aͤnderung ⁽d⁾ in der eingefuͤhrten Erb-Folge ſehr ſchwer, und ohne eine allgemeine Einwilligung nicht vorzunehmen ſeyn weil die Ordnung der Buͤrgſchaft dadurch verruͤcket wurde. Wie die Leibes-Strafen aufkamen, und Hof-Recht Voͤlker-Recht wurde, mogte dieſe Noth-Haft der Verwandten mit Recht das grauſame ⁽e⁾ Geſetz der Sachſen heiſſen. ⁽a⁾ Was der Prieſter bekam, konnte die Verſoͤhnung oder Suͤhnde; das was der Koͤnig oder der Staat bekam, ein Bruͤchte; und was die Verwandte be- kamen Wehrgeld heiſſen. Allein die Schriftſteller nennen eins durchs ander Werigeldum, und man ſieht leicht, wie ſich dieſe verſchiedene Begriffe verwechſeln koͤnnen; da im Grunde alles von der Wehrung kam. ⁽b⁾ Suſcipere tam inimicitias ſeu patris ſeu propinqui quam a- micitias neceſſe eſt. Nec implacabiles durant. Luitur enim etiam homicidium certo armentorum vel pecorum numero. Recipitque ſatisfactionem (i. e. Werigeldum) univerſa do- mus. TAC. G. 21. (c) C 4

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/69>, abgerufen am 24.11.2024.