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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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an ihre Freundin auf dem Lande.
einen Garten recht schön machen wollen: so suchen sie die be-
sten Früchte darinn zu ziehen. Wollen sie sich gut kleiden:
so nehmen sie vom besten Zeuge. Und zur Speise? Nun
das versteht sich. Friesisches Rindfleisch, holländisches Kalb-
fleisch, Karpen von dreyßig Pfunden und welsche Hahnen so
groß, wie sie für eine Bürgerhochzeit gemästet werden kön-
nen, oder der Lord Anson sie auf der Insel Tinian fand. Je
nun von solcher Atzung kann auch wohl eben kein feiner Geist
in die Dickköpfe kommen. Und es ist kein Wunder, wenn
sie sich immer wie die Kugeln zum Ziel werfen lassen.

Wie allerliebst sieht es dagegen nicht bey uns aus. Gär-
ten haben wir da, ich will nur allein derer von Porcellain
gedenken, worinn alle Bäume und Blumen von einer schöpfe-
rischen Hand auf das ähnlichste nachgeahmet, und alle Jahrs-
zeiten zu unserm Befehle sind. Fordert man Frühling: so
ist alles in der Blüte, und diese Blüte hat so gar den ihr eig-
nen Geruch. Will man Sommer; so schafft der Gärtner,
daß alle Bäume mit den schönsten Früchten prangen; die nun
freylich nicht zu essen, aber eben deswegen um so viel schöner
sind, weil sie der gemeine Mann nicht so gleich herunter
schlucken kann.

Unsre Tafeln geben den schönsten Gärten in der Pracht
des Anblicks gewiß nichts nach, und auf den Anblick kommt
doch alles an, weil man bey einer hohen Tafel mehr für ein
göttliches Auge als für einen gemeinen niederträchtigen Ma-
gen sorget. Jeder Tag, ja selbst jeder Gang hat seine eigne
Farbe. Zur maygrünen Suppe sind die Nebengerichte ganz
anders als zum himmelblauen Hecht schattirt; und ich wolte
keinem Koche rathen eine Brühe couleur de procureur ge-
neral
zu einer grünen mit Silber incrustirten Pastete zu ge-
ben, oder mosaique auf dem Schinken aus andern Farben

zu-

an ihre Freundin auf dem Lande.
einen Garten recht ſchoͤn machen wollen: ſo ſuchen ſie die be-
ſten Fruͤchte darinn zu ziehen. Wollen ſie ſich gut kleiden:
ſo nehmen ſie vom beſten Zeuge. Und zur Speiſe? Nun
das verſteht ſich. Frieſiſches Rindfleiſch, hollaͤndiſches Kalb-
fleiſch, Karpen von dreyßig Pfunden und welſche Hahnen ſo
groß, wie ſie fuͤr eine Buͤrgerhochzeit gemaͤſtet werden koͤn-
nen, oder der Lord Anſon ſie auf der Inſel Tinian fand. Je
nun von ſolcher Atzung kann auch wohl eben kein feiner Geiſt
in die Dickkoͤpfe kommen. Und es iſt kein Wunder, wenn
ſie ſich immer wie die Kugeln zum Ziel werfen laſſen.

Wie allerliebſt ſieht es dagegen nicht bey uns aus. Gaͤr-
ten haben wir da, ich will nur allein derer von Porcellain
gedenken, worinn alle Baͤume und Blumen von einer ſchoͤpfe-
riſchen Hand auf das aͤhnlichſte nachgeahmet, und alle Jahrs-
zeiten zu unſerm Befehle ſind. Fordert man Fruͤhling: ſo
iſt alles in der Bluͤte, und dieſe Bluͤte hat ſo gar den ihr eig-
nen Geruch. Will man Sommer; ſo ſchafft der Gaͤrtner,
daß alle Baͤume mit den ſchoͤnſten Fruͤchten prangen; die nun
freylich nicht zu eſſen, aber eben deswegen um ſo viel ſchoͤner
ſind, weil ſie der gemeine Mann nicht ſo gleich herunter
ſchlucken kann.

Unſre Tafeln geben den ſchoͤnſten Gaͤrten in der Pracht
des Anblicks gewiß nichts nach, und auf den Anblick kommt
doch alles an, weil man bey einer hohen Tafel mehr fuͤr ein
goͤttliches Auge als fuͤr einen gemeinen niedertraͤchtigen Ma-
gen ſorget. Jeder Tag, ja ſelbſt jeder Gang hat ſeine eigne
Farbe. Zur maygruͤnen Suppe ſind die Nebengerichte ganz
anders als zum himmelblauen Hecht ſchattirt; und ich wolte
keinem Koche rathen eine Bruͤhe couleur de procureur ge-
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zu einer gruͤnen mit Silber incruſtirten Paſtete zu ge-
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[159/0177] an ihre Freundin auf dem Lande. einen Garten recht ſchoͤn machen wollen: ſo ſuchen ſie die be- ſten Fruͤchte darinn zu ziehen. Wollen ſie ſich gut kleiden: ſo nehmen ſie vom beſten Zeuge. Und zur Speiſe? Nun das verſteht ſich. Frieſiſches Rindfleiſch, hollaͤndiſches Kalb- fleiſch, Karpen von dreyßig Pfunden und welſche Hahnen ſo groß, wie ſie fuͤr eine Buͤrgerhochzeit gemaͤſtet werden koͤn- nen, oder der Lord Anſon ſie auf der Inſel Tinian fand. Je nun von ſolcher Atzung kann auch wohl eben kein feiner Geiſt in die Dickkoͤpfe kommen. Und es iſt kein Wunder, wenn ſie ſich immer wie die Kugeln zum Ziel werfen laſſen. Wie allerliebſt ſieht es dagegen nicht bey uns aus. Gaͤr- ten haben wir da, ich will nur allein derer von Porcellain gedenken, worinn alle Baͤume und Blumen von einer ſchoͤpfe- riſchen Hand auf das aͤhnlichſte nachgeahmet, und alle Jahrs- zeiten zu unſerm Befehle ſind. Fordert man Fruͤhling: ſo iſt alles in der Bluͤte, und dieſe Bluͤte hat ſo gar den ihr eig- nen Geruch. Will man Sommer; ſo ſchafft der Gaͤrtner, daß alle Baͤume mit den ſchoͤnſten Fruͤchten prangen; die nun freylich nicht zu eſſen, aber eben deswegen um ſo viel ſchoͤner ſind, weil ſie der gemeine Mann nicht ſo gleich herunter ſchlucken kann. Unſre Tafeln geben den ſchoͤnſten Gaͤrten in der Pracht des Anblicks gewiß nichts nach, und auf den Anblick kommt doch alles an, weil man bey einer hohen Tafel mehr fuͤr ein goͤttliches Auge als fuͤr einen gemeinen niedertraͤchtigen Ma- gen ſorget. Jeder Tag, ja ſelbſt jeder Gang hat ſeine eigne Farbe. Zur maygruͤnen Suppe ſind die Nebengerichte ganz anders als zum himmelblauen Hecht ſchattirt; und ich wolte keinem Koche rathen eine Bruͤhe couleur de procureur ge- neral zu einer gruͤnen mit Silber incruſtirten Paſtete zu ge- ben, oder moſaique auf dem Schinken aus andern Farben zu-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/177>, abgerufen am 24.11.2024.