Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.Reicher Leute Kinder nen zu finden, und nichts in der Fremde suchen zu müssen.Die ersten Eindrücke, welche Höchstdieselbe von Ihren zärt- lichen und rechtschaffenen Eltern (der Glanz des Thrones darf niemanden hindern, diese privat Tugenden an des Königs und der Königinn Maj. Maj. zu bewundern) erhalten, sind die ge- heiligten Pflichten, welche ein Landesherr gegen sein Volk zu beobachten hat; und unter diese rechnet man nunmehr auch, daß ein Landesher als Vater seinen Kindern das Brod nicht entziehe und es den Fremden gebe. Seine Königl. Hoheit werden diese geheiligte Wahrheit gewiß früh hören, und gern ausüben. Wie aber, wenn unsre Handwerker alsdann nichts liefern können, was einen Herrn der von seiner ersten Jugend an, alles besser und vollkommener gesehen hat, mit Billigkeit befriedigen kann? Wenn der Schlösser ein Grobschmied; der Bildhauer ein Holzschuhmacher und der Mahler ein Michel angelo della scopa ist? Wenn wir bey den dankbarsten Herzen uns mit unsern dummen Fingern hinter die Ohren kratzen müssen? oder da stehen wie der Junge des Hogarths*) welchem die Pastete in den Fäusten bricht, und die Brühe durch die Hosen fließt? Werden wir denn nicht mit Wahr- scheinlichkeit sehen, und mit Recht erleiden müssen, daß der Herr dasjenige, was er gebraucht, daher kommen lasse, wo die El- *) In the Noon. Hogarth war auch ein Handwerker, der auf
Bestellung und zum Verkauf arbeitete. In seiner Stube, worinn er die ihn täglich besuchende Fremde, im Nachtrocke mit der Mütze in der Hand ehrbar empfing, hatte er einen kleinen Schrank, worinn alle seine Werke, die er öffentlich verkaufte, bereit lagen. Hier erklärte er denn wohl selbst sei- nen Käufern den Sinn verschiedener Grouppen, und ver- kaufte davon vor etliche Schillinge. Allein zu welchem Ruhm hat er es nicht gebracht, und würde nicht die große Welt seinen Umgang mit Eyfer gesucht haben, wenn er den besondern Geist in seinem Reden gehabt hätte, welchen er in seinen Karikaturen zeigte? Reicher Leute Kinder nen zu finden, und nichts in der Fremde ſuchen zu muͤſſen.Die erſten Eindruͤcke, welche Hoͤchſtdieſelbe von Ihren zaͤrt- lichen und rechtſchaffenen Eltern (der Glanz des Thrones darf niemanden hindern, dieſe privat Tugenden an des Koͤnigs und der Koͤniginn Maj. Maj. zu bewundern) erhalten, ſind die ge- heiligten Pflichten, welche ein Landesherr gegen ſein Volk zu beobachten hat; und unter dieſe rechnet man nunmehr auch, daß ein Landesher als Vater ſeinen Kindern das Brod nicht entziehe und es den Fremden gebe. Seine Koͤnigl. Hoheit werden dieſe geheiligte Wahrheit gewiß fruͤh hoͤren, und gern ausuͤben. Wie aber, wenn unſre Handwerker alsdann nichts liefern koͤnnen, was einen Herrn der von ſeiner erſten Jugend an, alles beſſer und vollkommener geſehen hat, mit Billigkeit befriedigen kann? Wenn der Schloͤſſer ein Grobſchmied; der Bildhauer ein Holzſchuhmacher und der Mahler ein Michel angelo della ſcopa iſt? Wenn wir bey den dankbarſten Herzen uns mit unſern dummen Fingern hinter die Ohren kratzen muͤſſen? oder da ſtehen wie der Junge des Hogarths*) welchem die Paſtete in den Faͤuſten bricht, und die Bruͤhe durch die Hoſen fließt? Werden wir denn nicht mit Wahr- ſcheinlichkeit ſehen, und mit Recht erleiden muͤſſen, daß der Herr dasjenige, was er gebraucht, daher kommen laſſe, wo die El- *) In the Noon. Hogarth war auch ein Handwerker, der auf
Beſtellung und zum Verkauf arbeitete. In ſeiner Stube, worinn er die ihn taͤglich beſuchende Fremde, im Nachtrocke mit der Muͤtze in der Hand ehrbar empfing, hatte er einen kleinen Schrank, worinn alle ſeine Werke, die er oͤffentlich verkaufte, bereit lagen. Hier erklaͤrte er denn wohl ſelbſt ſei- nen Kaͤufern den Sinn verſchiedener Grouppen, und ver- kaufte davon vor etliche Schillinge. Allein zu welchem Ruhm hat er es nicht gebracht, und wuͤrde nicht die große Welt ſeinen Umgang mit Eyfer geſucht haben, wenn er den beſondern Geiſt in ſeinem Reden gehabt haͤtte, welchen er in ſeinen Karikaturen zeigte? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0056" n="38"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Reicher Leute Kinder</hi></fw><lb/> nen zu finden, und nichts in der Fremde ſuchen zu muͤſſen.<lb/> Die erſten Eindruͤcke, welche Hoͤchſtdieſelbe von Ihren zaͤrt-<lb/> lichen und rechtſchaffenen Eltern (der Glanz des Thrones darf<lb/> niemanden hindern, dieſe privat Tugenden an des Koͤnigs und der<lb/> Koͤniginn Maj. Maj. zu bewundern) erhalten, ſind die ge-<lb/> heiligten Pflichten, welche ein Landesherr gegen ſein Volk zu<lb/> beobachten hat; und unter dieſe rechnet man nunmehr auch,<lb/> daß ein Landesher als Vater ſeinen Kindern das Brod nicht<lb/> entziehe und es den Fremden gebe. Seine Koͤnigl. Hoheit<lb/> werden dieſe geheiligte Wahrheit gewiß fruͤh hoͤren, und gern<lb/> ausuͤben. Wie aber, wenn unſre Handwerker alsdann nichts<lb/> liefern koͤnnen, was einen Herrn der von ſeiner erſten Jugend<lb/> an, alles beſſer und vollkommener geſehen hat, mit Billigkeit<lb/> befriedigen kann? Wenn der Schloͤſſer ein Grobſchmied;<lb/> der Bildhauer ein Holzſchuhmacher und der Mahler ein<lb/> Michel angelo della ſcopa iſt? Wenn wir bey den dankbarſten<lb/> Herzen uns mit unſern dummen Fingern hinter die Ohren<lb/> kratzen muͤſſen? oder da ſtehen wie der Junge des Hogarths<note place="foot" n="*)">In the Noon. Hogarth war auch ein Handwerker, der auf<lb/> Beſtellung und zum Verkauf arbeitete. In ſeiner Stube,<lb/> worinn er die ihn taͤglich beſuchende Fremde, im Nachtrocke<lb/> mit der Muͤtze in der Hand ehrbar empfing, hatte er einen<lb/> kleinen Schrank, worinn alle ſeine Werke, die er oͤffentlich<lb/> verkaufte, bereit lagen. Hier erklaͤrte er denn wohl ſelbſt ſei-<lb/> nen Kaͤufern den Sinn verſchiedener Grouppen, und ver-<lb/> kaufte davon vor etliche Schillinge. Allein zu welchem<lb/> Ruhm hat er es nicht gebracht, und wuͤrde nicht die große<lb/> Welt ſeinen Umgang mit Eyfer geſucht haben, wenn er<lb/> den beſondern Geiſt in ſeinem Reden gehabt haͤtte, welchen<lb/> er in ſeinen Karikaturen zeigte?</note><lb/> welchem die Paſtete in den Faͤuſten bricht, und die Bruͤhe<lb/> durch die Hoſen fließt? Werden wir denn nicht mit Wahr-<lb/> ſcheinlichkeit ſehen, und mit Recht erleiden muͤſſen, daß der<lb/> Herr dasjenige, was er gebraucht, daher kommen laſſe, wo die<lb/> <fw place="bottom" type="catch">El-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [38/0056]
Reicher Leute Kinder
nen zu finden, und nichts in der Fremde ſuchen zu muͤſſen.
Die erſten Eindruͤcke, welche Hoͤchſtdieſelbe von Ihren zaͤrt-
lichen und rechtſchaffenen Eltern (der Glanz des Thrones darf
niemanden hindern, dieſe privat Tugenden an des Koͤnigs und der
Koͤniginn Maj. Maj. zu bewundern) erhalten, ſind die ge-
heiligten Pflichten, welche ein Landesherr gegen ſein Volk zu
beobachten hat; und unter dieſe rechnet man nunmehr auch,
daß ein Landesher als Vater ſeinen Kindern das Brod nicht
entziehe und es den Fremden gebe. Seine Koͤnigl. Hoheit
werden dieſe geheiligte Wahrheit gewiß fruͤh hoͤren, und gern
ausuͤben. Wie aber, wenn unſre Handwerker alsdann nichts
liefern koͤnnen, was einen Herrn der von ſeiner erſten Jugend
an, alles beſſer und vollkommener geſehen hat, mit Billigkeit
befriedigen kann? Wenn der Schloͤſſer ein Grobſchmied;
der Bildhauer ein Holzſchuhmacher und der Mahler ein
Michel angelo della ſcopa iſt? Wenn wir bey den dankbarſten
Herzen uns mit unſern dummen Fingern hinter die Ohren
kratzen muͤſſen? oder da ſtehen wie der Junge des Hogarths *)
welchem die Paſtete in den Faͤuſten bricht, und die Bruͤhe
durch die Hoſen fließt? Werden wir denn nicht mit Wahr-
ſcheinlichkeit ſehen, und mit Recht erleiden muͤſſen, daß der
Herr dasjenige, was er gebraucht, daher kommen laſſe, wo die
El-
*) In the Noon. Hogarth war auch ein Handwerker, der auf
Beſtellung und zum Verkauf arbeitete. In ſeiner Stube,
worinn er die ihn taͤglich beſuchende Fremde, im Nachtrocke
mit der Muͤtze in der Hand ehrbar empfing, hatte er einen
kleinen Schrank, worinn alle ſeine Werke, die er oͤffentlich
verkaufte, bereit lagen. Hier erklaͤrte er denn wohl ſelbſt ſei-
nen Kaͤufern den Sinn verſchiedener Grouppen, und ver-
kaufte davon vor etliche Schillinge. Allein zu welchem
Ruhm hat er es nicht gebracht, und wuͤrde nicht die große
Welt ſeinen Umgang mit Eyfer geſucht haben, wenn er
den beſondern Geiſt in ſeinem Reden gehabt haͤtte, welchen
er in ſeinen Karikaturen zeigte?
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |