Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite
die erste Sorge zur Bereicher. eines Landes seyn?

"Das ist aber doch noch das geringste. Gesetzt, das eigne
Vermögen sämtlicher Einwohner laufe auf eine Million Thaler-
so ist ihr Credit auf zehn Millionen; und weil fünf Thaler
Credit eben so gut sind als fünf Thaler baar Geld, das Ver-
hältniß ihres ersten Zustandes zu dem gegenwärtigen, wie
1 -- 500."

Mein Freund, der in seiner politischen Rechnung ferti-
ger als ich war, und mit Hülfe eines Credits von 10 Millio-
nen, nach der Methode des berühmten Pinto a) seiner guten
Vaterstadt leicht einen neuen Credit von hundert Millionen
verschaffet, folgends ihren Werth ins unendliche erhoben ha-
ben würde, war in Begriff weiter fortzufahren als ich ihm die
Frage vorlegte: Ob der jetzige Credit der Stadt mit oder
ohne der besondern Glaubenslehre seines Vaters bestünde?

Ja, sagte er, sie besteht nicht allein vollkommtn ohne der-
selben, sondern würde auch ohne Zweifel so entstanden seyn,
wenn wir als rechtschaffene Christen uns zu löblichen Endzwe-
cken vereinigten und Geringe und Niedrige in der Gemeine
sich das allgemeine Beste mit Eyfer zu Herzen nähmen. Der
wahre Grund unsrer Aufnahme liegt darin, daß ein Mann,
der noch zur Zeit nichts als seine Redlichkeit und Geschick-
lichkeit besitzt, auf diese beyden Hypotheken so viel Credit
finde als er gebraucht.

Es finden sich unzählige Leute im Staate, die Redlichkeit
und Geschicklichkeit besitzen. Beyde Tugenden liegen aber
wie unsre Heyden brache und ungenutzt, weil ihre Besitzer
[ni]cht das Vermögen haben sie urbar zu machen. Blos die
Religion oder eine moralische Vereinigung der menschlichen

Ge-
a) In seinem Traite de la Circulation et du Credit.
Amst.
1771.
R 3
die erſte Sorge zur Bereicher. eines Landes ſeyn?

„Das iſt aber doch noch das geringſte. Geſetzt, das eigne
Vermoͤgen ſaͤmtlicher Einwohner laufe auf eine Million Thaler-
ſo iſt ihr Credit auf zehn Millionen; und weil fuͤnf Thaler
Credit eben ſo gut ſind als fuͤnf Thaler baar Geld, das Ver-
haͤltniß ihres erſten Zuſtandes zu dem gegenwaͤrtigen, wie
1 — 500.„

Mein Freund, der in ſeiner politiſchen Rechnung ferti-
ger als ich war, und mit Huͤlfe eines Credits von 10 Millio-
nen, nach der Methode des beruͤhmten Pinto a) ſeiner guten
Vaterſtadt leicht einen neuen Credit von hundert Millionen
verſchaffet, folgends ihren Werth ins unendliche erhoben ha-
ben wuͤrde, war in Begriff weiter fortzufahren als ich ihm die
Frage vorlegte: Ob der jetzige Credit der Stadt mit oder
ohne der beſondern Glaubenslehre ſeines Vaters beſtuͤnde?

Ja, ſagte er, ſie beſteht nicht allein vollkommtn ohne der-
ſelben, ſondern wuͤrde auch ohne Zweifel ſo entſtanden ſeyn,
wenn wir als rechtſchaffene Chriſten uns zu loͤblichen Endzwe-
cken vereinigten und Geringe und Niedrige in der Gemeine
ſich das allgemeine Beſte mit Eyfer zu Herzen naͤhmen. Der
wahre Grund unſrer Aufnahme liegt darin, daß ein Mann,
der noch zur Zeit nichts als ſeine Redlichkeit und Geſchick-
lichkeit beſitzt, auf dieſe beyden Hypotheken ſo viel Credit
finde als er gebraucht.

Es finden ſich unzaͤhlige Leute im Staate, die Redlichkeit
und Geſchicklichkeit beſitzen. Beyde Tugenden liegen aber
wie unſre Heyden brache und ungenutzt, weil ihre Beſitzer
[ni]cht das Vermoͤgen haben ſie urbar zu machen. Blos die
Religion oder eine moraliſche Vereinigung der menſchlichen

Ge-
a) In ſeinem Traité de la Circulation et du Credit.
Amſt.
1771.
R 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0279" n="261"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">die er&#x017F;te Sorge zur Bereicher. eines Landes &#x017F;eyn?</hi> </fw><lb/>
        <p>&#x201E;Das i&#x017F;t aber doch noch das gering&#x017F;te. Ge&#x017F;etzt, das eigne<lb/>
Vermo&#x0364;gen &#x017F;a&#x0364;mtlicher Einwohner laufe auf eine Million Thaler-<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t ihr Credit auf zehn Millionen; und weil fu&#x0364;nf Thaler<lb/>
Credit eben &#x017F;o gut &#x017F;ind als fu&#x0364;nf Thaler baar Geld, das Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltniß ihres er&#x017F;ten Zu&#x017F;tandes zu dem gegenwa&#x0364;rtigen, wie<lb/>
1 &#x2014; 500.&#x201E;</p><lb/>
        <p>Mein Freund, der in &#x017F;einer politi&#x017F;chen Rechnung ferti-<lb/>
ger als ich war, und mit Hu&#x0364;lfe eines Credits von 10 Millio-<lb/>
nen, nach der Methode des beru&#x0364;hmten <hi rendition="#fr">Pinto</hi> <note place="foot" n="a)">In &#x017F;einem <hi rendition="#aq">Traité de la Circulation et du Credit.<lb/>
Am&#x017F;t.</hi> 1771.</note> &#x017F;einer guten<lb/>
Vater&#x017F;tadt leicht einen neuen Credit von hundert Millionen<lb/>
ver&#x017F;chaffet, folgends ihren Werth ins unendliche erhoben ha-<lb/>
ben wu&#x0364;rde, war in Begriff weiter fortzufahren als ich ihm die<lb/>
Frage vorlegte: Ob der jetzige Credit der Stadt mit oder<lb/>
ohne der be&#x017F;ondern Glaubenslehre &#x017F;eines Vaters be&#x017F;tu&#x0364;nde?</p><lb/>
        <p>Ja, &#x017F;agte er, &#x017F;ie be&#x017F;teht nicht allein vollkommtn ohne der-<lb/>
&#x017F;elben, &#x017F;ondern wu&#x0364;rde auch ohne Zweifel &#x017F;o ent&#x017F;tanden &#x017F;eyn,<lb/>
wenn wir als recht&#x017F;chaffene Chri&#x017F;ten uns zu lo&#x0364;blichen Endzwe-<lb/>
cken vereinigten und Geringe und Niedrige in der Gemeine<lb/>
&#x017F;ich das allgemeine Be&#x017F;te mit Eyfer zu Herzen na&#x0364;hmen. Der<lb/>
wahre Grund un&#x017F;rer Aufnahme liegt darin, <hi rendition="#fr">daß ein Mann,<lb/>
der noch zur Zeit nichts als &#x017F;eine Redlichkeit und Ge&#x017F;chick-<lb/>
lichkeit be&#x017F;itzt, auf die&#x017F;e beyden Hypotheken &#x017F;o viel Credit<lb/>
finde als er gebraucht.</hi></p><lb/>
        <p>Es finden &#x017F;ich unza&#x0364;hlige Leute im Staate, die Redlichkeit<lb/>
und Ge&#x017F;chicklichkeit be&#x017F;itzen. Beyde Tugenden liegen aber<lb/>
wie un&#x017F;re Heyden brache und ungenutzt, weil ihre Be&#x017F;itzer<lb/><supplied>ni</supplied>cht das Vermo&#x0364;gen haben &#x017F;ie urbar zu machen. Blos die<lb/>
Religion oder eine morali&#x017F;che Vereinigung der men&#x017F;chlichen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Ge-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0279] die erſte Sorge zur Bereicher. eines Landes ſeyn? „Das iſt aber doch noch das geringſte. Geſetzt, das eigne Vermoͤgen ſaͤmtlicher Einwohner laufe auf eine Million Thaler- ſo iſt ihr Credit auf zehn Millionen; und weil fuͤnf Thaler Credit eben ſo gut ſind als fuͤnf Thaler baar Geld, das Ver- haͤltniß ihres erſten Zuſtandes zu dem gegenwaͤrtigen, wie 1 — 500.„ Mein Freund, der in ſeiner politiſchen Rechnung ferti- ger als ich war, und mit Huͤlfe eines Credits von 10 Millio- nen, nach der Methode des beruͤhmten Pinto a) ſeiner guten Vaterſtadt leicht einen neuen Credit von hundert Millionen verſchaffet, folgends ihren Werth ins unendliche erhoben ha- ben wuͤrde, war in Begriff weiter fortzufahren als ich ihm die Frage vorlegte: Ob der jetzige Credit der Stadt mit oder ohne der beſondern Glaubenslehre ſeines Vaters beſtuͤnde? Ja, ſagte er, ſie beſteht nicht allein vollkommtn ohne der- ſelben, ſondern wuͤrde auch ohne Zweifel ſo entſtanden ſeyn, wenn wir als rechtſchaffene Chriſten uns zu loͤblichen Endzwe- cken vereinigten und Geringe und Niedrige in der Gemeine ſich das allgemeine Beſte mit Eyfer zu Herzen naͤhmen. Der wahre Grund unſrer Aufnahme liegt darin, daß ein Mann, der noch zur Zeit nichts als ſeine Redlichkeit und Geſchick- lichkeit beſitzt, auf dieſe beyden Hypotheken ſo viel Credit finde als er gebraucht. Es finden ſich unzaͤhlige Leute im Staate, die Redlichkeit und Geſchicklichkeit beſitzen. Beyde Tugenden liegen aber wie unſre Heyden brache und ungenutzt, weil ihre Beſitzer nicht das Vermoͤgen haben ſie urbar zu machen. Blos die Religion oder eine moraliſche Vereinigung der menſchlichen Ge- a) In ſeinem Traité de la Circulation et du Credit. Amſt. 1771. R 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/279
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/279>, abgerufen am 22.11.2024.