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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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Wie ein Vater seinen Sohn
redete, zankten sich treflich und sprachen, eine Katze, welche
sich täglich ihre Maus hole, sey besser als zehen andre, die
solches nicht thäten; diese wären blosse Heuchlerinnen und
Schmeichlerinnen, und bisweilen noch dazu sehr falsch.
Aber der König befahl seiner Katze täglich eine gebratene
Taube zu geben. Des war sie sehr froh, und lachte über
die Katzen und über die Weisen, welche ihr für die gebrate-
nen Tauben rauhe Mäuse geben wollten.

Und die Dirnen, welche auf die neue Art erzogen waren,
kamen auch an Hof, und hatten breite Füsse, und hohe
Leiber. Und die Weisen bewiesen es dem Könige klar, daß
man den Kindern, ehe und bevor sie völlig ausgewachsen
wären, keine Schuh anziehen dürfe, so daß es auch keiner
wagte ein Wort dagegen zu sagen. Tausend und aber tau-
send wären gefallen, und hätten sich den Hals zerbrochen,
blos weil sie nicht recht fest gestanden hätten. Und die Wei-
sen zeigten eben so klar, daß nichts gefährlicher sey, als den
Leib einzuschnüren, und das mit so vielen Gründen, daß es
langweilig werden würde, sie alle zu erzählen. Und den
Dirnen platzten die Schuhe, welche ihnen der Hofschuster
gemacht hatte, von den Füssen, und ihre dicken Leiber gefie-
len dem Könige nicht. Da das die Dirnen merkten, woll-
ten sie ihm baß gefallen, und herzten ihn recht kräftig. Aber
dem Herrn König war das nicht immer gelegen, er wollte
viel jagen und wenig schiessen. Und darauf waren die Dir-
nen nicht abgerichtet; sie hiessen das eitel Verstellung und
liebten die Wahrheit.

Und es begab sich daß der König einsmahls jagte in
der grossen Senne, und die Jäger sahen ein Thier laufen,
das glich einem Affen und schien doch kein Affe zu seyn,
und das lief nicht allein auf der Erden, sondern auch auf
die Bäume, und setzte durch die Ströme, so daß es weder
der König, noch die Jäger, noch die Hunde einholen konnten.

End-

Wie ein Vater ſeinen Sohn
redete, zankten ſich treflich und ſprachen, eine Katze, welche
ſich taͤglich ihre Maus hole, ſey beſſer als zehen andre, die
ſolches nicht thaͤten; dieſe waͤren bloſſe Heuchlerinnen und
Schmeichlerinnen, und bisweilen noch dazu ſehr falſch.
Aber der Koͤnig befahl ſeiner Katze taͤglich eine gebratene
Taube zu geben. Des war ſie ſehr froh, und lachte uͤber
die Katzen und uͤber die Weiſen, welche ihr fuͤr die gebrate-
nen Tauben rauhe Maͤuſe geben wollten.

Und die Dirnen, welche auf die neue Art erzogen waren,
kamen auch an Hof, und hatten breite Fuͤſſe, und hohe
Leiber. Und die Weiſen bewieſen es dem Koͤnige klar, daß
man den Kindern, ehe und bevor ſie voͤllig ausgewachſen
waͤren, keine Schuh anziehen duͤrfe, ſo daß es auch keiner
wagte ein Wort dagegen zu ſagen. Tauſend und aber tau-
ſend waͤren gefallen, und haͤtten ſich den Hals zerbrochen,
blos weil ſie nicht recht feſt geſtanden haͤtten. Und die Wei-
ſen zeigten eben ſo klar, daß nichts gefaͤhrlicher ſey, als den
Leib einzuſchnuͤren, und das mit ſo vielen Gruͤnden, daß es
langweilig werden wuͤrde, ſie alle zu erzaͤhlen. Und den
Dirnen platzten die Schuhe, welche ihnen der Hofſchuſter
gemacht hatte, von den Fuͤſſen, und ihre dicken Leiber gefie-
len dem Koͤnige nicht. Da das die Dirnen merkten, woll-
ten ſie ihm baß gefallen, und herzten ihn recht kraͤftig. Aber
dem Herrn Koͤnig war das nicht immer gelegen, er wollte
viel jagen und wenig ſchieſſen. Und darauf waren die Dir-
nen nicht abgerichtet; ſie hieſſen das eitel Verſtellung und
liebten die Wahrheit.

Und es begab ſich daß der Koͤnig einsmahls jagte in
der groſſen Senne, und die Jaͤger ſahen ein Thier laufen,
das glich einem Affen und ſchien doch kein Affe zu ſeyn,
und das lief nicht allein auf der Erden, ſondern auch auf
die Baͤume, und ſetzte durch die Stroͤme, ſo daß es weder
der Koͤnig, noch die Jaͤger, noch die Hunde einholen konnten.

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[248/0262] Wie ein Vater ſeinen Sohn redete, zankten ſich treflich und ſprachen, eine Katze, welche ſich taͤglich ihre Maus hole, ſey beſſer als zehen andre, die ſolches nicht thaͤten; dieſe waͤren bloſſe Heuchlerinnen und Schmeichlerinnen, und bisweilen noch dazu ſehr falſch. Aber der Koͤnig befahl ſeiner Katze taͤglich eine gebratene Taube zu geben. Des war ſie ſehr froh, und lachte uͤber die Katzen und uͤber die Weiſen, welche ihr fuͤr die gebrate- nen Tauben rauhe Maͤuſe geben wollten. Und die Dirnen, welche auf die neue Art erzogen waren, kamen auch an Hof, und hatten breite Fuͤſſe, und hohe Leiber. Und die Weiſen bewieſen es dem Koͤnige klar, daß man den Kindern, ehe und bevor ſie voͤllig ausgewachſen waͤren, keine Schuh anziehen duͤrfe, ſo daß es auch keiner wagte ein Wort dagegen zu ſagen. Tauſend und aber tau- ſend waͤren gefallen, und haͤtten ſich den Hals zerbrochen, blos weil ſie nicht recht feſt geſtanden haͤtten. Und die Wei- ſen zeigten eben ſo klar, daß nichts gefaͤhrlicher ſey, als den Leib einzuſchnuͤren, und das mit ſo vielen Gruͤnden, daß es langweilig werden wuͤrde, ſie alle zu erzaͤhlen. Und den Dirnen platzten die Schuhe, welche ihnen der Hofſchuſter gemacht hatte, von den Fuͤſſen, und ihre dicken Leiber gefie- len dem Koͤnige nicht. Da das die Dirnen merkten, woll- ten ſie ihm baß gefallen, und herzten ihn recht kraͤftig. Aber dem Herrn Koͤnig war das nicht immer gelegen, er wollte viel jagen und wenig ſchieſſen. Und darauf waren die Dir- nen nicht abgerichtet; ſie hieſſen das eitel Verſtellung und liebten die Wahrheit. Und es begab ſich daß der Koͤnig einsmahls jagte in der groſſen Senne, und die Jaͤger ſahen ein Thier laufen, das glich einem Affen und ſchien doch kein Affe zu ſeyn, und das lief nicht allein auf der Erden, ſondern auch auf die Baͤume, und ſetzte durch die Stroͤme, ſo daß es weder der Koͤnig, noch die Jaͤger, noch die Hunde einholen konnten. End-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/262>, abgerufen am 27.11.2024.