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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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auf eine neue Weise erzog.
Endlich aber wurden die listigen Leute des wunderbar schnel-
len Thiers Meister, und brachten es gen Hof. Und siehe
es war ein wildes Mädgen, das lief auf allen Vieren,
schneller wie ein Reh, und konnte allerley Thiere fongen im
Wasser und auf Erden. Und das Mädgen brauchte keine
fünf andere, um sich zu putzen, und die Weisen bewiesen
dem Herrn Könige, daß die Menschen gebohren wären auf
Händen und Füssen zu laufen, und daß es der gröste Grad
der Freyheit wäre, wenn man so wenig von einem Schnei-
der als einem Schuster abhienge, sondern sich in allem selbst
fertig machen könnte. Und das Mädgen konnte die Weisen
nicht leiden, und biß ihnen in die Waden; und der König
sprach: währt dem Mädgen nicht, denn es ist Freyheit.

Darnach begab es sich abermals daß der König kam in
den Wald, und der Forstmeister hatte denselben sehr aus-
gelichtet, so daß man nichts sahe als grosse starke und schöne
Eichen. Und der König sprach: Lieber, warum hast du
das gethan; brauchet mein Gärtner doch auch Zaunholz
und mein Müller Krümmlinge? laß künftig auch etwas
Dickigt stehen, damit das Wild sich darinn verberge; und
er befahl seinem Forstmeister, die jungen Bäume aufzuschnei-
teln, wo ihrer viele bey einander stehen müsten, oder sie
doch an einigen Orten so zu ziehen, daß mehrere bey einan-
der Raum hätten. Und der Forstmeister gehorchte, und
zog dem Könige auch Stangen, die ihm in seinem Wein-
berge bessere Dienste thäten, als die Eichen. Und nun
grünen in dem Walde, Eichen, Büchen und Erlen; und
allerley Vögel nisteten auf denselben, daß der König eine
große Freude darüber hatte.

Darnach zu Hand beriethen sich die Weisen unter ein-
ander, und dachten den König zu fangen, und sprachen zu
ihm: ob ein Adler in der Luft nicht besser wäre als hundert
Canarienvögel in der Hecke? Und der König antwortete

ihnen
Q 5

auf eine neue Weiſe erzog.
Endlich aber wurden die liſtigen Leute des wunderbar ſchnel-
len Thiers Meiſter, und brachten es gen Hof. Und ſiehe
es war ein wildes Maͤdgen, das lief auf allen Vieren,
ſchneller wie ein Reh, und konnte allerley Thiere fongen im
Waſſer und auf Erden. Und das Maͤdgen brauchte keine
fuͤnf andere, um ſich zu putzen, und die Weiſen bewieſen
dem Herrn Koͤnige, daß die Menſchen gebohren waͤren auf
Haͤnden und Fuͤſſen zu laufen, und daß es der groͤſte Grad
der Freyheit waͤre, wenn man ſo wenig von einem Schnei-
der als einem Schuſter abhienge, ſondern ſich in allem ſelbſt
fertig machen koͤnnte. Und das Maͤdgen konnte die Weiſen
nicht leiden, und biß ihnen in die Waden; und der Koͤnig
ſprach: waͤhrt dem Maͤdgen nicht, denn es iſt Freyheit.

Darnach begab es ſich abermals daß der Koͤnig kam in
den Wald, und der Forſtmeiſter hatte denſelben ſehr aus-
gelichtet, ſo daß man nichts ſahe als groſſe ſtarke und ſchoͤne
Eichen. Und der Koͤnig ſprach: Lieber, warum haſt du
das gethan; brauchet mein Gaͤrtner doch auch Zaunholz
und mein Muͤller Kruͤmmlinge? laß kuͤnftig auch etwas
Dickigt ſtehen, damit das Wild ſich darinn verberge; und
er befahl ſeinem Forſtmeiſter, die jungen Baͤume aufzuſchnei-
teln, wo ihrer viele bey einander ſtehen muͤſten, oder ſie
doch an einigen Orten ſo zu ziehen, daß mehrere bey einan-
der Raum haͤtten. Und der Forſtmeiſter gehorchte, und
zog dem Koͤnige auch Stangen, die ihm in ſeinem Wein-
berge beſſere Dienſte thaͤten, als die Eichen. Und nun
gruͤnen in dem Walde, Eichen, Buͤchen und Erlen; und
allerley Voͤgel niſteten auf denſelben, daß der Koͤnig eine
große Freude daruͤber hatte.

Darnach zu Hand beriethen ſich die Weiſen unter ein-
ander, und dachten den Koͤnig zu fangen, und ſprachen zu
ihm: ob ein Adler in der Luft nicht beſſer waͤre als hundert
Canarienvoͤgel in der Hecke? Und der Koͤnig antwortete

ihnen
Q 5
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[249/0263] auf eine neue Weiſe erzog. Endlich aber wurden die liſtigen Leute des wunderbar ſchnel- len Thiers Meiſter, und brachten es gen Hof. Und ſiehe es war ein wildes Maͤdgen, das lief auf allen Vieren, ſchneller wie ein Reh, und konnte allerley Thiere fongen im Waſſer und auf Erden. Und das Maͤdgen brauchte keine fuͤnf andere, um ſich zu putzen, und die Weiſen bewieſen dem Herrn Koͤnige, daß die Menſchen gebohren waͤren auf Haͤnden und Fuͤſſen zu laufen, und daß es der groͤſte Grad der Freyheit waͤre, wenn man ſo wenig von einem Schnei- der als einem Schuſter abhienge, ſondern ſich in allem ſelbſt fertig machen koͤnnte. Und das Maͤdgen konnte die Weiſen nicht leiden, und biß ihnen in die Waden; und der Koͤnig ſprach: waͤhrt dem Maͤdgen nicht, denn es iſt Freyheit. Darnach begab es ſich abermals daß der Koͤnig kam in den Wald, und der Forſtmeiſter hatte denſelben ſehr aus- gelichtet, ſo daß man nichts ſahe als groſſe ſtarke und ſchoͤne Eichen. Und der Koͤnig ſprach: Lieber, warum haſt du das gethan; brauchet mein Gaͤrtner doch auch Zaunholz und mein Muͤller Kruͤmmlinge? laß kuͤnftig auch etwas Dickigt ſtehen, damit das Wild ſich darinn verberge; und er befahl ſeinem Forſtmeiſter, die jungen Baͤume aufzuſchnei- teln, wo ihrer viele bey einander ſtehen muͤſten, oder ſie doch an einigen Orten ſo zu ziehen, daß mehrere bey einan- der Raum haͤtten. Und der Forſtmeiſter gehorchte, und zog dem Koͤnige auch Stangen, die ihm in ſeinem Wein- berge beſſere Dienſte thaͤten, als die Eichen. Und nun gruͤnen in dem Walde, Eichen, Buͤchen und Erlen; und allerley Voͤgel niſteten auf denſelben, daß der Koͤnig eine große Freude daruͤber hatte. Darnach zu Hand beriethen ſich die Weiſen unter ein- ander, und dachten den Koͤnig zu fangen, und ſprachen zu ihm: ob ein Adler in der Luft nicht beſſer waͤre als hundert Canarienvoͤgel in der Hecke? Und der Koͤnig antwortete ihnen Q 5

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/263>, abgerufen am 27.11.2024.