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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Von dem Ursprunge der Landstände
willigung für alle, welche auf dem Landesboden sitzen,
gelten läßt.

Um dieses mit einem Beyspiel zu erläutern: so darf
man sich nur erinnern, daß in den alten Zeiten, Capi-
tel, Stiftsmannschaft und Stadt, so lange sie nur blos
für sich ihre eigenen und Schutzverwandten Freyen bewil-
ligen konnten, nicht im Stande waren, einen einzigen
Ravenspergschen, Tecklenburgschen und Lingischen, auf
hiesigem Landesboden gesessenen Freyen, oder auch nur
einen jeden Grafen angehörigen eignen Mann, der hier
im Lande wohnte, zu besteuren. Die Ursache davon ist
klar, weil diese auswärtigen Herrn angehörige Leute hier
nicht repräsentirt waren, und nur erst repräsentirt zu
werden anfiengen, wie man die Verbindlichkeit zum Bey-
trage aus dem Landesboden hervorgehn lies, die Bun-
deskasse in Landkasse umschuf, und die in dem Besitze ei-
ner Repräsentation für die ihrigen befindlichen Verbün-
deten in Landrepräsentanten oder Stände verwandelte.

Der Anfang dieser Verwandlung in Begrif und Aus-
druck läßt sich nicht genau bestimmen, und sie ist vermuth-
lich im allgeniähligen unbemerkten Fortgange zu Stande
gekommen. Dem Kayser allein haftete zuerst der Reichs-
boden, oder das Land, ohne Unterschied der Amtsab-
theilungen; dies geht klar aus Carls des Großen Thei-
lung unter seinen Söhnen hervor. Dem Bischofe hafte-
ten sämmtliche Eingepfarrte zu seinen Bischöflichen Ge-
bühren; den Herzogen und Grafen die Herzogthums-
und Grafschaftseingesessene, zur Folge in der Reichs-
und Landesvertheidigung. Mit dem Lande hatten Bischof
Herzog und Graf nichts zu thun. Sie fiengen aber doch
bald an Leute zu besitzen, das ist, sie nöthigten ihre Ein-
gepfarrten und Amtseingesessene in ihre Privatdienste,
zwangen sie ihnen ihre Gründe unter mancherley Bedin-

gungen

Von dem Urſprunge der Landſtaͤnde
willigung fuͤr alle, welche auf dem Landesboden ſitzen,
gelten laͤßt.

Um dieſes mit einem Beyſpiel zu erlaͤutern: ſo darf
man ſich nur erinnern, daß in den alten Zeiten, Capi-
tel, Stiftsmannſchaft und Stadt, ſo lange ſie nur blos
fuͤr ſich ihre eigenen und Schutzverwandten Freyen bewil-
ligen konnten, nicht im Stande waren, einen einzigen
Ravenſpergſchen, Tecklenburgſchen und Lingiſchen, auf
hieſigem Landesboden geſeſſenen Freyen, oder auch nur
einen jeden Grafen angehoͤrigen eignen Mann, der hier
im Lande wohnte, zu beſteuren. Die Urſache davon iſt
klar, weil dieſe auswaͤrtigen Herrn angehoͤrige Leute hier
nicht repraͤſentirt waren, und nur erſt repraͤſentirt zu
werden anfiengen, wie man die Verbindlichkeit zum Bey-
trage aus dem Landesboden hervorgehn lies, die Bun-
deskaſſe in Landkaſſe umſchuf, und die in dem Beſitze ei-
ner Repraͤſentation fuͤr die ihrigen befindlichen Verbuͤn-
deten in Landrepraͤſentanten oder Staͤnde verwandelte.

Der Anfang dieſer Verwandlung in Begrif und Aus-
druck laͤßt ſich nicht genau beſtimmen, und ſie iſt vermuth-
lich im allgeniaͤhligen unbemerkten Fortgange zu Stande
gekommen. Dem Kayſer allein haftete zuerſt der Reichs-
boden, oder das Land, ohne Unterſchied der Amtsab-
theilungen; dies geht klar aus Carls des Großen Thei-
lung unter ſeinen Soͤhnen hervor. Dem Biſchofe hafte-
ten ſaͤmmtliche Eingepfarrte zu ſeinen Biſchoͤflichen Ge-
buͤhren; den Herzogen und Grafen die Herzogthums-
und Grafſchaftseingeſeſſene, zur Folge in der Reichs-
und Landesvertheidigung. Mit dem Lande hatten Biſchof
Herzog und Graf nichts zu thun. Sie fiengen aber doch
bald an Leute zu beſitzen, das iſt, ſie noͤthigten ihre Ein-
gepfarrten und Amtseingeſeſſene in ihre Privatdienſte,
zwangen ſie ihnen ihre Gruͤnde unter mancherley Bedin-

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[210/0222] Von dem Urſprunge der Landſtaͤnde willigung fuͤr alle, welche auf dem Landesboden ſitzen, gelten laͤßt. Um dieſes mit einem Beyſpiel zu erlaͤutern: ſo darf man ſich nur erinnern, daß in den alten Zeiten, Capi- tel, Stiftsmannſchaft und Stadt, ſo lange ſie nur blos fuͤr ſich ihre eigenen und Schutzverwandten Freyen bewil- ligen konnten, nicht im Stande waren, einen einzigen Ravenſpergſchen, Tecklenburgſchen und Lingiſchen, auf hieſigem Landesboden geſeſſenen Freyen, oder auch nur einen jeden Grafen angehoͤrigen eignen Mann, der hier im Lande wohnte, zu beſteuren. Die Urſache davon iſt klar, weil dieſe auswaͤrtigen Herrn angehoͤrige Leute hier nicht repraͤſentirt waren, und nur erſt repraͤſentirt zu werden anfiengen, wie man die Verbindlichkeit zum Bey- trage aus dem Landesboden hervorgehn lies, die Bun- deskaſſe in Landkaſſe umſchuf, und die in dem Beſitze ei- ner Repraͤſentation fuͤr die ihrigen befindlichen Verbuͤn- deten in Landrepraͤſentanten oder Staͤnde verwandelte. Der Anfang dieſer Verwandlung in Begrif und Aus- druck laͤßt ſich nicht genau beſtimmen, und ſie iſt vermuth- lich im allgeniaͤhligen unbemerkten Fortgange zu Stande gekommen. Dem Kayſer allein haftete zuerſt der Reichs- boden, oder das Land, ohne Unterſchied der Amtsab- theilungen; dies geht klar aus Carls des Großen Thei- lung unter ſeinen Soͤhnen hervor. Dem Biſchofe hafte- ten ſaͤmmtliche Eingepfarrte zu ſeinen Biſchoͤflichen Ge- buͤhren; den Herzogen und Grafen die Herzogthums- und Grafſchaftseingeſeſſene, zur Folge in der Reichs- und Landesvertheidigung. Mit dem Lande hatten Biſchof Herzog und Graf nichts zu thun. Sie fiengen aber doch bald an Leute zu beſitzen, das iſt, ſie noͤthigten ihre Ein- gepfarrten und Amtseingeſeſſene in ihre Privatdienſte, zwangen ſie ihnen ihre Gruͤnde unter mancherley Bedin- gungen

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/222>, abgerufen am 24.11.2024.