zicht geleistet hatten, ohne Kinder versturben; und von der Kirche, was die Brüder, welche in den geistlichen Stand getreten waren, ihren Geschwistern vermachten. Die Verzichte wurden unverbrüchlich gehalten, wenn sol- che mit Zuziehung der nächsten Verwandten von beyden Theilen geschehen waren, sie mochten von Groß- oder Minderjährigen mit oder ohne Eyd geschehen seyn *), und man lernte erst aus den später eingeführten canoni- schen Rechten, daß der beschworne Verzicht eines Min- derjährigen mehrere Kraft hätte.
Jn dem Falle, wo die verheyratheten Töchter kei- nen Verzicht gethan hatten, blieb ihnen zwar ihr Erb- recht offen; wie solches auch die hiesigen Landstände mit- telst ihres Zeugnisses vom 9. Jul. 1712. bekannt haben, und immer noch werden bekennen müssen, weil der Grund warum die abgehenden Töchter nicht weiter erbten, in der Behandlung beruht. Aber dieses ihr Erbrecht führte so wenig zur Gleichtheilung als zum Pflichttheile, son- dern zu einer Behandlung unter beyderseitigen Freunden und Verwandten; und diese hatten bey der Bestimmung des Brautschatzes nicht so schlechterdings auf die Größe des Vermögens oder der Erbschaft, sondern lediglich auf den landüblichen adlichen Gebrauch zu sehen, mithin denselben blos hiernach und nach Gelegenheit der Güter, nicht aber mit dem römischen Maaßstabe in der Hand zu bestimmen. Unsern Vorfahren fehlte nichts als eine Land- tafel, worin alle adliche Güter wären aufgeführt, und die Brautschätze unter allen zufälligen Umständen bestim- met gewesen. Hätten sie diese gehabt so würden sie auch sofort damit dem Erbrechte der Töchter sichtbare Grän- zen gesetzet und dasselbe auch dem Namen nach aufgeho-
ben
*)Test. ad Art. prob. 7.
und des Verzichts adlicher Toͤchter ꝛc.
zicht geleiſtet hatten, ohne Kinder verſturben; und von der Kirche, was die Bruͤder, welche in den geiſtlichen Stand getreten waren, ihren Geſchwiſtern vermachten. Die Verzichte wurden unverbruͤchlich gehalten, wenn ſol- che mit Zuziehung der naͤchſten Verwandten von beyden Theilen geſchehen waren, ſie mochten von Groß- oder Minderjaͤhrigen mit oder ohne Eyd geſchehen ſeyn *), und man lernte erſt aus den ſpaͤter eingefuͤhrten canoni- ſchen Rechten, daß der beſchworne Verzicht eines Min- derjaͤhrigen mehrere Kraft haͤtte.
Jn dem Falle, wo die verheyratheten Toͤchter kei- nen Verzicht gethan hatten, blieb ihnen zwar ihr Erb- recht offen; wie ſolches auch die hieſigen Landſtaͤnde mit- telſt ihres Zeugniſſes vom 9. Jul. 1712. bekannt haben, und immer noch werden bekennen muͤſſen, weil der Grund warum die abgehenden Toͤchter nicht weiter erbten, in der Behandlung beruht. Aber dieſes ihr Erbrecht fuͤhrte ſo wenig zur Gleichtheilung als zum Pflichttheile, ſon- dern zu einer Behandlung unter beyderſeitigen Freunden und Verwandten; und dieſe hatten bey der Beſtimmung des Brautſchatzes nicht ſo ſchlechterdings auf die Groͤße des Vermoͤgens oder der Erbſchaft, ſondern lediglich auf den landuͤblichen adlichen Gebrauch zu ſehen, mithin denſelben blos hiernach und nach Gelegenheit der Guͤter, nicht aber mit dem roͤmiſchen Maaßſtabe in der Hand zu beſtimmen. Unſern Vorfahren fehlte nichts als eine Land- tafel, worin alle adliche Guͤter waͤren aufgefuͤhrt, und die Brautſchaͤtze unter allen zufaͤlligen Umſtaͤnden beſtim- met geweſen. Haͤtten ſie dieſe gehabt ſo wuͤrden ſie auch ſofort damit dem Erbrechte der Toͤchter ſichtbare Graͤn- zen geſetzet und daſſelbe auch dem Namen nach aufgeho-
ben
*)Teſt. ad Art. prob. 7.
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und des Verzichts adlicher Toͤchter ꝛc.
zicht geleiſtet hatten, ohne Kinder verſturben; und von
der Kirche, was die Bruͤder, welche in den geiſtlichen
Stand getreten waren, ihren Geſchwiſtern vermachten.
Die Verzichte wurden unverbruͤchlich gehalten, wenn ſol-
che mit Zuziehung der naͤchſten Verwandten von beyden
Theilen geſchehen waren, ſie mochten von Groß- oder
Minderjaͤhrigen mit oder ohne Eyd geſchehen ſeyn *),
und man lernte erſt aus den ſpaͤter eingefuͤhrten canoni-
ſchen Rechten, daß der beſchworne Verzicht eines Min-
derjaͤhrigen mehrere Kraft haͤtte.
Jn dem Falle, wo die verheyratheten Toͤchter kei-
nen Verzicht gethan hatten, blieb ihnen zwar ihr Erb-
recht offen; wie ſolches auch die hieſigen Landſtaͤnde mit-
telſt ihres Zeugniſſes vom 9. Jul. 1712. bekannt haben,
und immer noch werden bekennen muͤſſen, weil der Grund
warum die abgehenden Toͤchter nicht weiter erbten, in
der Behandlung beruht. Aber dieſes ihr Erbrecht fuͤhrte
ſo wenig zur Gleichtheilung als zum Pflichttheile, ſon-
dern zu einer Behandlung unter beyderſeitigen Freunden
und Verwandten; und dieſe hatten bey der Beſtimmung
des Brautſchatzes nicht ſo ſchlechterdings auf die Groͤße
des Vermoͤgens oder der Erbſchaft, ſondern lediglich auf
den landuͤblichen adlichen Gebrauch zu ſehen, mithin
denſelben blos hiernach und nach Gelegenheit der Guͤter,
nicht aber mit dem roͤmiſchen Maaßſtabe in der Hand zu
beſtimmen. Unſern Vorfahren fehlte nichts als eine Land-
tafel, worin alle adliche Guͤter waͤren aufgefuͤhrt, und
die Brautſchaͤtze unter allen zufaͤlligen Umſtaͤnden beſtim-
met geweſen. Haͤtten ſie dieſe gehabt ſo wuͤrden ſie auch
ſofort damit dem Erbrechte der Toͤchter ſichtbare Graͤn-
zen geſetzet und daſſelbe auch dem Namen nach aufgeho-
ben
*) Teſt. ad Art. prob. 7.
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/251>, abgerufen am 18.06.2024.
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