ben haben. Da aber eine solche Landtafel, weil sich die Umstände täglich verändern, und die Anzahl der Kinder ein immerwährender Grund der Veränderung bleibt, fast unmöglich ist, und ihnen das Verhältnis, wozu die Römer in einer gleichen Verlegenheit ihre Zuflucht ge- nommen haben, den Stammhäusern gar zu nachtheilig schien: so konnten sie nicht weiter kommen, als daß sie einer jeden Tochter Erbrecht bis zur Behandlung gönne- ten, und die letztere zur Nothwendigkeit machten.
Alle diese vortreflichen mit der wahren deutschen Denkungsart und dem gemeinen Besten sowohl überein- stimmenden Einrichtungen, hat die römische Lehre von der Gleichtheilung unter gleichen Erben, und vom Pflicht- theile zuerst untergraben: ohnerachtet beyde sowohl die Gleichtheilung als der Pflichttheil zwischen bürgerlichen Mauern, wo der Geldreichthum das Landeigenthum über- wogen hatte, gebohren sind, und den ehmaligen Quiri- ten, oder den ursprünglichen, durch den Besitz eines ge- wissen Landeigenthums qualificirten Bürgern völlig un- bekannt waren, auch nie aus der Stadt auf das Land, wo das Grundeigenthum sowohl die Repräsentanten als auch den größten Theil der Repräsentirten ausmacht, hätte erstrecket werden sollen.
Die Familien selbst sind dadurch nicht gebessert. Denn wo die Braut Pflichttheile einbringt, da muß auch der Bräutigam dergleichen seinen Geschwistern ausgeben. Destomehr aber ist dem Staate daran gelegen, daß die Besitzer der Güter, diese mögen nun adlich oder unadlich seyn, nicht erschöpft werden. Der Abel dient zwar jetzt von dem Seinigen nicht mehr wie ehedem zur ritterlichen Landesvertheidigung; er ist aber dagegen mit der ganzen Last der Repräsentation beladen, und erschöpfte Reprä- sentanten können Verräther des Vaterlandes werden;
das
Das Herkommen in Anſehung der Abſteuer
ben haben. Da aber eine ſolche Landtafel, weil ſich die Umſtaͤnde taͤglich veraͤndern, und die Anzahl der Kinder ein immerwaͤhrender Grund der Veraͤnderung bleibt, faſt unmoͤglich iſt, und ihnen das Verhaͤltnis, wozu die Roͤmer in einer gleichen Verlegenheit ihre Zuflucht ge- nommen haben, den Stammhaͤuſern gar zu nachtheilig ſchien: ſo konnten ſie nicht weiter kommen, als daß ſie einer jeden Tochter Erbrecht bis zur Behandlung goͤnne- ten, und die letztere zur Nothwendigkeit machten.
Alle dieſe vortreflichen mit der wahren deutſchen Denkungsart und dem gemeinen Beſten ſowohl uͤberein- ſtimmenden Einrichtungen, hat die roͤmiſche Lehre von der Gleichtheilung unter gleichen Erben, und vom Pflicht- theile zuerſt untergraben: ohnerachtet beyde ſowohl die Gleichtheilung als der Pflichttheil zwiſchen buͤrgerlichen Mauern, wo der Geldreichthum das Landeigenthum uͤber- wogen hatte, gebohren ſind, und den ehmaligen Quiri- ten, oder den urſpruͤnglichen, durch den Beſitz eines ge- wiſſen Landeigenthums qualificirten Buͤrgern voͤllig un- bekannt waren, auch nie aus der Stadt auf das Land, wo das Grundeigenthum ſowohl die Repraͤſentanten als auch den groͤßten Theil der Repraͤſentirten ausmacht, haͤtte erſtrecket werden ſollen.
Die Familien ſelbſt ſind dadurch nicht gebeſſert. Denn wo die Braut Pflichttheile einbringt, da muß auch der Braͤutigam dergleichen ſeinen Geſchwiſtern ausgeben. Deſtomehr aber iſt dem Staate daran gelegen, daß die Beſitzer der Guͤter, dieſe moͤgen nun adlich oder unadlich ſeyn, nicht erſchoͤpft werden. Der Abel dient zwar jetzt von dem Seinigen nicht mehr wie ehedem zur ritterlichen Landesvertheidigung; er iſt aber dagegen mit der ganzen Laſt der Repraͤſentation beladen, und erſchoͤpfte Repraͤ- ſentanten koͤnnen Verraͤther des Vaterlandes werden;
das
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0252"n="240"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Das Herkommen in Anſehung der Abſteuer</hi></fw><lb/>
ben haben. Da aber eine ſolche Landtafel, weil ſich die<lb/>
Umſtaͤnde taͤglich veraͤndern, und die Anzahl der Kinder<lb/>
ein immerwaͤhrender Grund der Veraͤnderung bleibt,<lb/>
faſt unmoͤglich iſt, und ihnen das Verhaͤltnis, wozu die<lb/>
Roͤmer in einer gleichen Verlegenheit ihre Zuflucht ge-<lb/>
nommen haben, den Stammhaͤuſern gar zu nachtheilig<lb/>ſchien: ſo konnten ſie nicht weiter kommen, als daß ſie<lb/>
einer jeden Tochter Erbrecht bis zur Behandlung goͤnne-<lb/>
ten, und die letztere zur Nothwendigkeit machten.</p><lb/><p>Alle dieſe vortreflichen mit der wahren deutſchen<lb/>
Denkungsart und dem gemeinen Beſten ſowohl uͤberein-<lb/>ſtimmenden Einrichtungen, hat die roͤmiſche Lehre von<lb/>
der Gleichtheilung unter gleichen Erben, und vom Pflicht-<lb/>
theile zuerſt untergraben: ohnerachtet beyde ſowohl die<lb/>
Gleichtheilung als der Pflichttheil zwiſchen buͤrgerlichen<lb/>
Mauern, wo der Geldreichthum das Landeigenthum uͤber-<lb/>
wogen hatte, gebohren ſind, und den ehmaligen Quiri-<lb/>
ten, oder den urſpruͤnglichen, durch den Beſitz eines ge-<lb/>
wiſſen Landeigenthums qualificirten Buͤrgern voͤllig un-<lb/>
bekannt waren, auch nie aus der Stadt auf das Land,<lb/>
wo das Grundeigenthum ſowohl die Repraͤſentanten als<lb/>
auch den groͤßten Theil der Repraͤſentirten ausmacht, haͤtte<lb/>
erſtrecket werden ſollen.</p><lb/><p>Die Familien ſelbſt ſind dadurch nicht gebeſſert. Denn<lb/>
wo die Braut Pflichttheile einbringt, da muß auch der<lb/>
Braͤutigam dergleichen ſeinen Geſchwiſtern ausgeben.<lb/>
Deſtomehr aber iſt dem Staate daran gelegen, daß die<lb/>
Beſitzer der Guͤter, dieſe moͤgen nun adlich oder unadlich<lb/>ſeyn, nicht erſchoͤpft werden. Der Abel dient zwar jetzt<lb/>
von dem Seinigen nicht mehr wie ehedem zur ritterlichen<lb/>
Landesvertheidigung; er iſt aber dagegen mit der ganzen<lb/>
Laſt der Repraͤſentation beladen, und erſchoͤpfte Repraͤ-<lb/>ſentanten koͤnnen Verraͤther des Vaterlandes werden;<lb/><fwplace="bottom"type="catch">das</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[240/0252]
Das Herkommen in Anſehung der Abſteuer
ben haben. Da aber eine ſolche Landtafel, weil ſich die
Umſtaͤnde taͤglich veraͤndern, und die Anzahl der Kinder
ein immerwaͤhrender Grund der Veraͤnderung bleibt,
faſt unmoͤglich iſt, und ihnen das Verhaͤltnis, wozu die
Roͤmer in einer gleichen Verlegenheit ihre Zuflucht ge-
nommen haben, den Stammhaͤuſern gar zu nachtheilig
ſchien: ſo konnten ſie nicht weiter kommen, als daß ſie
einer jeden Tochter Erbrecht bis zur Behandlung goͤnne-
ten, und die letztere zur Nothwendigkeit machten.
Alle dieſe vortreflichen mit der wahren deutſchen
Denkungsart und dem gemeinen Beſten ſowohl uͤberein-
ſtimmenden Einrichtungen, hat die roͤmiſche Lehre von
der Gleichtheilung unter gleichen Erben, und vom Pflicht-
theile zuerſt untergraben: ohnerachtet beyde ſowohl die
Gleichtheilung als der Pflichttheil zwiſchen buͤrgerlichen
Mauern, wo der Geldreichthum das Landeigenthum uͤber-
wogen hatte, gebohren ſind, und den ehmaligen Quiri-
ten, oder den urſpruͤnglichen, durch den Beſitz eines ge-
wiſſen Landeigenthums qualificirten Buͤrgern voͤllig un-
bekannt waren, auch nie aus der Stadt auf das Land,
wo das Grundeigenthum ſowohl die Repraͤſentanten als
auch den groͤßten Theil der Repraͤſentirten ausmacht, haͤtte
erſtrecket werden ſollen.
Die Familien ſelbſt ſind dadurch nicht gebeſſert. Denn
wo die Braut Pflichttheile einbringt, da muß auch der
Braͤutigam dergleichen ſeinen Geſchwiſtern ausgeben.
Deſtomehr aber iſt dem Staate daran gelegen, daß die
Beſitzer der Guͤter, dieſe moͤgen nun adlich oder unadlich
ſeyn, nicht erſchoͤpft werden. Der Abel dient zwar jetzt
von dem Seinigen nicht mehr wie ehedem zur ritterlichen
Landesvertheidigung; er iſt aber dagegen mit der ganzen
Laſt der Repraͤſentation beladen, und erſchoͤpfte Repraͤ-
ſentanten koͤnnen Verraͤther des Vaterlandes werden;
das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/252>, abgerufen am 18.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.