XV. Also sollte man die Einimpfung der Blattern ganz verbieten.
Schreiben einer jungen Matrone.
Nun, mein liebes Kind! ich will nichts mehr dagegen sagen, laß deinem Dutzend Kindergen je eher je lieber die Blattern geben, alle meine Wünsche stehen dir dabey zu Dienste, und zwar von ganzem Herzen. Aber siehe auch hernach zu, wie du deine acht Mädgen an den Mann bringest. Denn das will ich dir wohl im voraus sagen, daß kein einziges davon sterben werde: unsre Aerzte verstehen das Ding zu gut, und sind viel zu glücklich um dir auch nur eine einzige Aussteuer zu ersparen.
Wo will es aber endlich hinaus wenn das so fort geht; wenn die Brut, die jetzt erhalten ist, sich mit glei- chem Eifer vermehrt, und nichts davon abgeschlachtet wird? Vordem dankte eine gute Mutter dem lieben Gott, wenn er redlich mit ihr theilte, und auch noch wohl ein Schäfgen mehr nahm; man erkannte es als ein sicheres Naturgesetz, daß die Hälfte der Kinder unter dem zehn- ten Jahre dahin sterben müßte, und richtete sich darnach mit den Wochenbetten. Aber künftig wird man seine Kinder selbst säugen, und also alle zwey Jahr nur ein Wochenbette halten dürfen, oder mit dem zwanzigsten Jahre aufhören müssen Kinder zu holen, wo die Welt den Menschenkindern nicht zu enge werden soll. Und doch hat die weise Vorsehung die Blattern gewiß nicht umsonst
in
Alſo ſollte man die Einimpfung
XV. Alſo ſollte man die Einimpfung der Blattern ganz verbieten.
Schreiben einer jungen Matrone.
Nun, mein liebes Kind! ich will nichts mehr dagegen ſagen, laß deinem Dutzend Kindergen je eher je lieber die Blattern geben, alle meine Wuͤnſche ſtehen dir dabey zu Dienſte, und zwar von ganzem Herzen. Aber ſiehe auch hernach zu, wie du deine acht Maͤdgen an den Mann bringeſt. Denn das will ich dir wohl im voraus ſagen, daß kein einziges davon ſterben werde: unſre Aerzte verſtehen das Ding zu gut, und ſind viel zu gluͤcklich um dir auch nur eine einzige Ausſteuer zu erſparen.
Wo will es aber endlich hinaus wenn das ſo fort geht; wenn die Brut, die jetzt erhalten iſt, ſich mit glei- chem Eifer vermehrt, und nichts davon abgeſchlachtet wird? Vordem dankte eine gute Mutter dem lieben Gott, wenn er redlich mit ihr theilte, und auch noch wohl ein Schaͤfgen mehr nahm; man erkannte es als ein ſicheres Naturgeſetz, daß die Haͤlfte der Kinder unter dem zehn- ten Jahre dahin ſterben muͤßte, und richtete ſich darnach mit den Wochenbetten. Aber kuͤnftig wird man ſeine Kinder ſelbſt ſaͤugen, und alſo alle zwey Jahr nur ein Wochenbette halten duͤrfen, oder mit dem zwanzigſten Jahre aufhoͤren muͤſſen Kinder zu holen, wo die Welt den Menſchenkindern nicht zu enge werden ſoll. Und doch hat die weiſe Vorſehung die Blattern gewiß nicht umſonſt
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Alſo ſollte man die Einimpfung
XV.
Alſo ſollte man die Einimpfung der
Blattern ganz verbieten.
Schreiben einer jungen Matrone.
Nun, mein liebes Kind! ich will nichts mehr dagegen
ſagen, laß deinem Dutzend Kindergen je eher je
lieber die Blattern geben, alle meine Wuͤnſche ſtehen dir
dabey zu Dienſte, und zwar von ganzem Herzen. Aber
ſiehe auch hernach zu, wie du deine acht Maͤdgen an den
Mann bringeſt. Denn das will ich dir wohl im voraus
ſagen, daß kein einziges davon ſterben werde: unſre Aerzte
verſtehen das Ding zu gut, und ſind viel zu gluͤcklich um
dir auch nur eine einzige Ausſteuer zu erſparen.
Wo will es aber endlich hinaus wenn das ſo fort
geht; wenn die Brut, die jetzt erhalten iſt, ſich mit glei-
chem Eifer vermehrt, und nichts davon abgeſchlachtet
wird? Vordem dankte eine gute Mutter dem lieben Gott,
wenn er redlich mit ihr theilte, und auch noch wohl ein
Schaͤfgen mehr nahm; man erkannte es als ein ſicheres
Naturgeſetz, daß die Haͤlfte der Kinder unter dem zehn-
ten Jahre dahin ſterben muͤßte, und richtete ſich darnach
mit den Wochenbetten. Aber kuͤnftig wird man ſeine
Kinder ſelbſt ſaͤugen, und alſo alle zwey Jahr nur ein
Wochenbette halten duͤrfen, oder mit dem zwanzigſten
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den Menſchenkindern nicht zu enge werden ſoll. Und doch
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/76>, abgerufen am 21.11.2024.
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