schenswerthen Ziele vorliegen. -- In gewöhnlichen und gesunden Zeiten bestehen dagegen Parteien in allen Staaten mit freierer Bewegung der Bürger und bei Streben nach irgend einer Ent- wickelung. Nie ist ein zu erreichender neuer Zustand ohne alle Schattenseiten, nie der zu verlassende ohne alle Vortheile; beides wenigstens für Minderheiten. In der Regel können verschiedene Wege zu demselben Ziele eingeschlagen werden. Oft ist neben einer neu auftauchenden Richtung eine frühere noch nicht er- storben, oder machen sich verschiedene mächtige Interessen neben einander in verschiedenen Theilen der Gesellschaft geltend. Am gewissesten sind Parteien da, wo das Volk selbst gesetzlichen Antheil an der Regierung hat, und also eine Entscheidung da- rüber, was mit dem Staate geschehen soll, unmittelbar oder mittelbar den Massen zusteht. So also in beiden Formen der Volksherrschaft und in dem Fürstenstaate mit Volksvertretung.
2. Es liegt keineswegs im Wesen der Partei, daß sie immer der Regierung feindlich gegenüberstehe; vielmehr muß jede Partei verständigerweise dahin streben, die Regierung in ihrem Sinne zu leiten und also dieselbe mit ihren Anhängern zu besetzen. Hat sie dieses erreicht, so ist nicht Bekämpfung, sondern vielmehr Kräftigung und Aufrechterhaltung der Regierung ihre Aufgabe. Bei einem staatlich durchgebildeten Volke werden also irgend verständige Parteien niemals suchen, die Regierung an sich unmöglich zu machen, oder Forderungen aufstellen, welche keine Verwaltung zu erfüllen im Stande wäre; sondern sie werden nur eine concrete ihren eigenen Auffassungen entgegen- stehende, eben jetzt am Ruder befindliche Regierungsweise zu beseitigen suchen, hierbei aber nichts verlangen, was sie nicht selbst, falls sie zur Gewalt kämen, ausführen könnten oder wollten. Leicht erklärlich ist daher, warum conservative Parteien, wenn sie im Widerspruche befindlich sind, eine richtigere und
ſchenswerthen Ziele vorliegen. — In gewöhnlichen und geſunden Zeiten beſtehen dagegen Parteien in allen Staaten mit freierer Bewegung der Bürger und bei Streben nach irgend einer Ent- wickelung. Nie iſt ein zu erreichender neuer Zuſtand ohne alle Schattenſeiten, nie der zu verlaſſende ohne alle Vortheile; beides wenigſtens für Minderheiten. In der Regel können verſchiedene Wege zu demſelben Ziele eingeſchlagen werden. Oft iſt neben einer neu auftauchenden Richtung eine frühere noch nicht er- ſtorben, oder machen ſich verſchiedene mächtige Intereſſen neben einander in verſchiedenen Theilen der Geſellſchaft geltend. Am gewiſſeſten ſind Parteien da, wo das Volk ſelbſt geſetzlichen Antheil an der Regierung hat, und alſo eine Entſcheidung da- rüber, was mit dem Staate geſchehen ſoll, unmittelbar oder mittelbar den Maſſen zuſteht. So alſo in beiden Formen der Volksherrſchaft und in dem Fürſtenſtaate mit Volksvertretung.
2. Es liegt keineswegs im Weſen der Partei, daß ſie immer der Regierung feindlich gegenüberſtehe; vielmehr muß jede Partei verſtändigerweiſe dahin ſtreben, die Regierung in ihrem Sinne zu leiten und alſo dieſelbe mit ihren Anhängern zu beſetzen. Hat ſie dieſes erreicht, ſo iſt nicht Bekämpfung, ſondern vielmehr Kräftigung und Aufrechterhaltung der Regierung ihre Aufgabe. Bei einem ſtaatlich durchgebildeten Volke werden alſo irgend verſtändige Parteien niemals ſuchen, die Regierung an ſich unmöglich zu machen, oder Forderungen aufſtellen, welche keine Verwaltung zu erfüllen im Stande wäre; ſondern ſie werden nur eine concrete ihren eigenen Auffaſſungen entgegen- ſtehende, eben jetzt am Ruder befindliche Regierungsweiſe zu beſeitigen ſuchen, hierbei aber nichts verlangen, was ſie nicht ſelbſt, falls ſie zur Gewalt kämen, ausführen könnten oder wollten. Leicht erklärlich iſt daher, warum conſervative Parteien, wenn ſie im Widerſpruche befindlich ſind, eine richtigere und
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ſchenswerthen Ziele vorliegen. — In gewöhnlichen und geſunden
Zeiten beſtehen dagegen Parteien in allen Staaten mit freierer
Bewegung der Bürger und bei Streben nach irgend einer Ent-
wickelung. Nie iſt ein zu erreichender neuer Zuſtand ohne alle
Schattenſeiten, nie der zu verlaſſende ohne alle Vortheile; beides
wenigſtens für Minderheiten. In der Regel können verſchiedene
Wege zu demſelben Ziele eingeſchlagen werden. Oft iſt neben
einer neu auftauchenden Richtung eine frühere noch nicht er-
ſtorben, oder machen ſich verſchiedene mächtige Intereſſen neben
einander in verſchiedenen Theilen der Geſellſchaft geltend. Am
gewiſſeſten ſind Parteien da, wo das Volk ſelbſt geſetzlichen
Antheil an der Regierung hat, und alſo eine Entſcheidung da-
rüber, was mit dem Staate geſchehen ſoll, unmittelbar oder
mittelbar den Maſſen zuſteht. So alſo in beiden Formen der
Volksherrſchaft und in dem Fürſtenſtaate mit Volksvertretung.
2. Es liegt keineswegs im Weſen der Partei, daß ſie
immer der Regierung feindlich gegenüberſtehe; vielmehr muß
jede Partei verſtändigerweiſe dahin ſtreben, die Regierung in
ihrem Sinne zu leiten und alſo dieſelbe mit ihren Anhängern
zu beſetzen. Hat ſie dieſes erreicht, ſo iſt nicht Bekämpfung,
ſondern vielmehr Kräftigung und Aufrechterhaltung der Regierung
ihre Aufgabe. Bei einem ſtaatlich durchgebildeten Volke werden
alſo irgend verſtändige Parteien niemals ſuchen, die Regierung
an ſich unmöglich zu machen, oder Forderungen aufſtellen,
welche keine Verwaltung zu erfüllen im Stande wäre; ſondern
ſie werden nur eine concrete ihren eigenen Auffaſſungen entgegen-
ſtehende, eben jetzt am Ruder befindliche Regierungsweiſe zu
beſeitigen ſuchen, hierbei aber nichts verlangen, was ſie nicht
ſelbſt, falls ſie zur Gewalt kämen, ausführen könnten oder
wollten. Leicht erklärlich iſt daher, warum conſervative Parteien,
wenn ſie im Widerſpruche befindlich ſind, eine richtigere und
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/167>, abgerufen am 23.11.2024.
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