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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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staatsmännischere Stellung zur bestehenden Regierung und über-
haupt zu den öffentlichen Dingen einzunehmen pflegen 3).

3. Ganz unklar ist die oft gehörte Forderung, eine Regie-
rung müsse sich frei halten von den Parteien, ein wahrer
Staatsmann über den Parteien stehen. Vielmehr hat eine Re-
gierung sich auf die Partei zu stützen, welche mit ihrer Richtung
und Handlungsweise übereinstimmt; ja in einem freieren Staate
wird es die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten sehr er-
leichtern, wenn die Regierung geradezu aus der mächtigsten
Partei ihre hauptsächlichsten Organe nimmt und in deren Sinne
überhaupt den Staat führt. Eine Regierung außerhalb aller
Parteien ist ein utopisches Ideal, welches in der Wirklichkeit
leicht in eine bloße Faction umschlägt und Gefahr läuft, von
allen Seiten als dynastische Selbstsucht oder als stumpfsinnige
Beamtenherrschaft gehaßt und angegriffen zu werden. Ebenso
soll der Staatsmann zwar insoferne über den Parteien stehen,
als es ihm gebührt, ihrer aller Wesen genau zu kennen und
ihre Vorzüge und Schwächen zu beurtheilen; aber in der Hand-
habung der öffentlichen Gewalt muß er sich auf die beste der-
selben stützen und sie in seinem Sinne leiten. Nur etwa für
die Person des Fürsten ist die Forderung, ganz außerhalb den
Parteien zu stehen, in so weit begründet, als er sich mit keiner
derselben persönlich und unauflöslich verbinden soll, sondern sich
so zu allen, an sich nicht geradezu feindseligen, zu verhalten hat,
daß er nach Umständen und ohne Verläugnung der eigenen
Vergangenheit seine Räthe wechseln kann.

4. Unzweifelhaft ist ein heftiger Parteikampf, namentlich
bei langer Dauer und abwechselndem Glücke, also bei unge-
fähr gleicher Stärke der Gegner, mannchfach unbehaglich und
schädlich. Es wird der ruhige Fortgang der Geschäfte gestört,
möglicherweise eine tiefe Zerrissenheit der gesellschaftlichen Zu-
stände bis ins Familienleben herunter erzeugt; die öffentlichen

ſtaatsmänniſchere Stellung zur beſtehenden Regierung und über-
haupt zu den öffentlichen Dingen einzunehmen pflegen 3).

3. Ganz unklar iſt die oft gehörte Forderung, eine Regie-
rung müſſe ſich frei halten von den Parteien, ein wahrer
Staatsmann über den Parteien ſtehen. Vielmehr hat eine Re-
gierung ſich auf die Partei zu ſtützen, welche mit ihrer Richtung
und Handlungsweiſe übereinſtimmt; ja in einem freieren Staate
wird es die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten ſehr er-
leichtern, wenn die Regierung geradezu aus der mächtigſten
Partei ihre hauptſächlichſten Organe nimmt und in deren Sinne
überhaupt den Staat führt. Eine Regierung außerhalb aller
Parteien iſt ein utopiſches Ideal, welches in der Wirklichkeit
leicht in eine bloße Faction umſchlägt und Gefahr läuft, von
allen Seiten als dynaſtiſche Selbſtſucht oder als ſtumpfſinnige
Beamtenherrſchaft gehaßt und angegriffen zu werden. Ebenſo
ſoll der Staatsmann zwar inſoferne über den Parteien ſtehen,
als es ihm gebührt, ihrer aller Weſen genau zu kennen und
ihre Vorzüge und Schwächen zu beurtheilen; aber in der Hand-
habung der öffentlichen Gewalt muß er ſich auf die beſte der-
ſelben ſtützen und ſie in ſeinem Sinne leiten. Nur etwa für
die Perſon des Fürſten iſt die Forderung, ganz außerhalb den
Parteien zu ſtehen, in ſo weit begründet, als er ſich mit keiner
derſelben perſönlich und unauflöslich verbinden ſoll, ſondern ſich
ſo zu allen, an ſich nicht geradezu feindſeligen, zu verhalten hat,
daß er nach Umſtänden und ohne Verläugnung der eigenen
Vergangenheit ſeine Räthe wechſeln kann.

4. Unzweifelhaft iſt ein heftiger Parteikampf, namentlich
bei langer Dauer und abwechſelndem Glücke, alſo bei unge-
fähr gleicher Stärke der Gegner, mannchfach unbehaglich und
ſchädlich. Es wird der ruhige Fortgang der Geſchäfte geſtört,
möglicherweiſe eine tiefe Zerriſſenheit der geſellſchaftlichen Zu-
ſtände bis ins Familienleben herunter erzeugt; die öffentlichen

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[154/0168] ſtaatsmänniſchere Stellung zur beſtehenden Regierung und über- haupt zu den öffentlichen Dingen einzunehmen pflegen 3). 3. Ganz unklar iſt die oft gehörte Forderung, eine Regie- rung müſſe ſich frei halten von den Parteien, ein wahrer Staatsmann über den Parteien ſtehen. Vielmehr hat eine Re- gierung ſich auf die Partei zu ſtützen, welche mit ihrer Richtung und Handlungsweiſe übereinſtimmt; ja in einem freieren Staate wird es die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten ſehr er- leichtern, wenn die Regierung geradezu aus der mächtigſten Partei ihre hauptſächlichſten Organe nimmt und in deren Sinne überhaupt den Staat führt. Eine Regierung außerhalb aller Parteien iſt ein utopiſches Ideal, welches in der Wirklichkeit leicht in eine bloße Faction umſchlägt und Gefahr läuft, von allen Seiten als dynaſtiſche Selbſtſucht oder als ſtumpfſinnige Beamtenherrſchaft gehaßt und angegriffen zu werden. Ebenſo ſoll der Staatsmann zwar inſoferne über den Parteien ſtehen, als es ihm gebührt, ihrer aller Weſen genau zu kennen und ihre Vorzüge und Schwächen zu beurtheilen; aber in der Hand- habung der öffentlichen Gewalt muß er ſich auf die beſte der- ſelben ſtützen und ſie in ſeinem Sinne leiten. Nur etwa für die Perſon des Fürſten iſt die Forderung, ganz außerhalb den Parteien zu ſtehen, in ſo weit begründet, als er ſich mit keiner derſelben perſönlich und unauflöslich verbinden ſoll, ſondern ſich ſo zu allen, an ſich nicht geradezu feindſeligen, zu verhalten hat, daß er nach Umſtänden und ohne Verläugnung der eigenen Vergangenheit ſeine Räthe wechſeln kann. 4. Unzweifelhaft iſt ein heftiger Parteikampf, namentlich bei langer Dauer und abwechſelndem Glücke, alſo bei unge- fähr gleicher Stärke der Gegner, mannchfach unbehaglich und ſchädlich. Es wird der ruhige Fortgang der Geſchäfte geſtört, möglicherweiſe eine tiefe Zerriſſenheit der geſellſchaftlichen Zu- ſtände bis ins Familienleben herunter erzeugt; die öffentlichen

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/168>, abgerufen am 23.11.2024.