Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.den meisten Staaten sind sogar nur ganz Wenige, vielleicht zu Die am häufigsten verlangten Eigenschaften sind denn aber a) Abstammung von bestimmten Geschlechtern. -- Es läßt sich keineswegs schon aus dem Wesen des Staates an sich ableiten, daß nur Solche, welche einer bestimmten Familie oder einem engeren Stamme angehören, mit der Gesammtgewalt bekleidet sein müssen; auch gibt die Abkunft von einem ausgezeichneten oder wenigstens mit der Leitung von Geschäften betrauten Vorfahren nicht die mindeste Sicherheit für eigene Befähigung. Abstammung von bestimmten Geschlechtern ist daher keine im gesammten Staatsleben als nothwendig nachzuweisende Eigenschaft. Dennoch tritt diese Bestimmung wenigstens in einer großen Anzahl von Staaten in erste Linie. Wenn nämlich auch nicht mit dem allgemeinsten Begriffe vom Staate verbunden, so ist sie doch bei bestimmten einzelnen Arten wesentlich nothwendige Folge des besonderen Gedanken. So liegt es denn namentlich schon im Begriffe der Patriarchie, der den meiſten Staaten ſind ſogar nur ganz Wenige, vielleicht zu Die am häufigſten verlangten Eigenſchaften ſind denn aber a) Abſtammung von beſtimmten Geſchlechtern. — Es läßt ſich keineswegs ſchon aus dem Weſen des Staates an ſich ableiten, daß nur Solche, welche einer beſtimmten Familie oder einem engeren Stamme angehören, mit der Geſammtgewalt bekleidet ſein müſſen; auch gibt die Abkunft von einem ausgezeichneten oder wenigſtens mit der Leitung von Geſchäften betrauten Vorfahren nicht die mindeſte Sicherheit für eigene Befähigung. Abſtammung von beſtimmten Geſchlechtern iſt daher keine im geſammten Staatsleben als nothwendig nachzuweiſende Eigenſchaft. Dennoch tritt dieſe Beſtimmung wenigſtens in einer großen Anzahl von Staaten in erſte Linie. Wenn nämlich auch nicht mit dem allgemeinſten Begriffe vom Staate verbunden, ſo iſt ſie doch bei beſtimmten einzelnen Arten weſentlich nothwendige Folge des beſonderen Gedanken. So liegt es denn namentlich ſchon im Begriffe der Patriarchie, der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0215" n="201"/> den meiſten Staaten ſind ſogar nur ganz Wenige, vielleicht zu<lb/> jeder Zeit immer nur Einer, vollſtändig befähigt. Wie immer<lb/> aber die poſitiven und die negativen Beſtimmungen geſtellt ſein<lb/> mögen, niemals kann ein Mangel an denſelben durch noch ſo<lb/> bedeutende anderweitige Eigenſchaften oder Verdienſte erſetzt<lb/> werden; und ſelbſt wenn durch Irrthum oder Täuſchung eine<lb/> Beſitzergreifung bereits vor ſich gegangen wäre, würde dieſelbe<lb/> wieder vernichtet durch Entdeckung der Wahrheit. Ebenſowenig<lb/> kann durch eine Privatübereinkunft unter blos einem Theile<lb/> der näher oder entfernter Berufenen die Ordnung des Anrechtes<lb/> geändet oder der Mangel einer nothwendigen Eigenſchaft nach-<lb/> geſehen werden. Einer ſolchen Abweichung müßte jeden Falles<lb/> erſt eine in gültiger Weiſe vorgenommene Abänderung des<lb/> beſtehenden Rechtes vorangehen.</p><lb/> <p>Die am häufigſten verlangten Eigenſchaften ſind denn aber<lb/> nachſtehende:</p><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">a)</hi><hi rendition="#g">Abſtammung von beſtimmten Geſchlechtern</hi>.<lb/> — Es läßt ſich keineswegs ſchon aus dem Weſen des<lb/> Staates an ſich ableiten, daß nur Solche, welche einer<lb/> beſtimmten Familie oder einem engeren Stamme angehören,<lb/> mit der Geſammtgewalt bekleidet ſein müſſen; auch gibt<lb/> die Abkunft von einem ausgezeichneten oder wenigſtens<lb/> mit der Leitung von Geſchäften betrauten Vorfahren nicht<lb/> die mindeſte Sicherheit für eigene Befähigung. Abſtammung<lb/> von beſtimmten Geſchlechtern iſt daher keine im geſammten<lb/> Staatsleben als nothwendig nachzuweiſende Eigenſchaft.<lb/> Dennoch tritt dieſe Beſtimmung wenigſtens in einer großen<lb/> Anzahl von Staaten in erſte Linie. Wenn nämlich auch<lb/> nicht mit dem allgemeinſten Begriffe vom Staate verbunden,<lb/> ſo iſt ſie doch bei beſtimmten einzelnen Arten weſentlich<lb/> nothwendige Folge des beſonderen Gedanken. So liegt<lb/> es denn namentlich ſchon im Begriffe der Patriarchie, der<lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [201/0215]
den meiſten Staaten ſind ſogar nur ganz Wenige, vielleicht zu
jeder Zeit immer nur Einer, vollſtändig befähigt. Wie immer
aber die poſitiven und die negativen Beſtimmungen geſtellt ſein
mögen, niemals kann ein Mangel an denſelben durch noch ſo
bedeutende anderweitige Eigenſchaften oder Verdienſte erſetzt
werden; und ſelbſt wenn durch Irrthum oder Täuſchung eine
Beſitzergreifung bereits vor ſich gegangen wäre, würde dieſelbe
wieder vernichtet durch Entdeckung der Wahrheit. Ebenſowenig
kann durch eine Privatübereinkunft unter blos einem Theile
der näher oder entfernter Berufenen die Ordnung des Anrechtes
geändet oder der Mangel einer nothwendigen Eigenſchaft nach-
geſehen werden. Einer ſolchen Abweichung müßte jeden Falles
erſt eine in gültiger Weiſe vorgenommene Abänderung des
beſtehenden Rechtes vorangehen.
Die am häufigſten verlangten Eigenſchaften ſind denn aber
nachſtehende:
a) Abſtammung von beſtimmten Geſchlechtern.
— Es läßt ſich keineswegs ſchon aus dem Weſen des
Staates an ſich ableiten, daß nur Solche, welche einer
beſtimmten Familie oder einem engeren Stamme angehören,
mit der Geſammtgewalt bekleidet ſein müſſen; auch gibt
die Abkunft von einem ausgezeichneten oder wenigſtens
mit der Leitung von Geſchäften betrauten Vorfahren nicht
die mindeſte Sicherheit für eigene Befähigung. Abſtammung
von beſtimmten Geſchlechtern iſt daher keine im geſammten
Staatsleben als nothwendig nachzuweiſende Eigenſchaft.
Dennoch tritt dieſe Beſtimmung wenigſtens in einer großen
Anzahl von Staaten in erſte Linie. Wenn nämlich auch
nicht mit dem allgemeinſten Begriffe vom Staate verbunden,
ſo iſt ſie doch bei beſtimmten einzelnen Arten weſentlich
nothwendige Folge des beſonderen Gedanken. So liegt
es denn namentlich ſchon im Begriffe der Patriarchie, der
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