Despotie;) allein bei der Mehrzahl spielt sie rechtlich und that- sächlich eine große Rolle. Eine zweckmäßige Vollziehung ist daher auch ein sehr gefühltes Bedürfniß. -- Da bei einem Volke von moderner europäischer Gesittigung die hier in Frage stehenden Forderungen am weitesten getrieben werden, so dient eine nähere Bezeichnung dessen, was hier paßt und nöthig ist, auch als Fingerzeig für andere Zustände und Staaten. Etwas weniger zu leisten ist immer leicht; und für das Uebrigbleibende dienen die Regeln der vollständigeren Leistung durchaus.
1. Herstellung der den Verhältnissen des Landes ange- messenen Volkszahl. -- Weder eine zu dünne Bevölkerung, noch eine mit der Ernährungsfähigkeit im Mißverhältnisse stehende Ueberzahl ist wünschenswerth für die Einzelnen und für die Gesammtheit; sondern als der normale und die Entwicklung gün- stiger Verhältnisse begünstigende Zustand erscheint eine bedeutende und dadurch zu ernstlicher Arbeit genöthigte, jedoch nicht über die sicheren Unterhaltsmittel hinausgewachsene Volkszahl. Vgl. oben, § 89, S. 573. Da nun bei allen gesittigten Völkern von steigender Entwickelung entschiedene Gefahr einer Ueber- völkerung besteht: so wird -- seltene Ausnahmsfälle abgerechnet -- die Polizei in der Regel die schwierige und undankbare Aufgabe haben, dieser natürlichen Neigung der Menschen zur Vermehrung entgegenzuarbeiten. Die hierzu führenden Mittel bestehen zunächst in einer Auseinanderrückung der zu gleicher Zeit lebenden Generationen, d. h. in Erschwerung der Ehen und häuslichen Niederlassung vor vollständig begründetem Un- terhalte einer Familie; dann aber auch in Begünstigung von Auswanderung, wo denn freilich die vom Staate zu ergreifen- den Maßregeln wesentlich verschiedene sind, je nachdem der Menschenüberfluß in einer dem Staate selbst gehörigen Kolonie geleitet werden kann, oder aber derselbe an fremde Staaten abzulassen ist.
Deſpotie;) allein bei der Mehrzahl ſpielt ſie rechtlich und that- ſächlich eine große Rolle. Eine zweckmäßige Vollziehung iſt daher auch ein ſehr gefühltes Bedürfniß. — Da bei einem Volke von moderner europäiſcher Geſittigung die hier in Frage ſtehenden Forderungen am weiteſten getrieben werden, ſo dient eine nähere Bezeichnung deſſen, was hier paßt und nöthig iſt, auch als Fingerzeig für andere Zuſtände und Staaten. Etwas weniger zu leiſten iſt immer leicht; und für das Uebrigbleibende dienen die Regeln der vollſtändigeren Leiſtung durchaus.
1. Herſtellung der den Verhältniſſen des Landes ange- meſſenen Volkszahl. — Weder eine zu dünne Bevölkerung, noch eine mit der Ernährungsfähigkeit im Mißverhältniſſe ſtehende Ueberzahl iſt wünſchenswerth für die Einzelnen und für die Geſammtheit; ſondern als der normale und die Entwicklung gün- ſtiger Verhältniſſe begünſtigende Zuſtand erſcheint eine bedeutende und dadurch zu ernſtlicher Arbeit genöthigte, jedoch nicht über die ſicheren Unterhaltsmittel hinausgewachſene Volkszahl. Vgl. oben, § 89, S. 573. Da nun bei allen geſittigten Völkern von ſteigender Entwickelung entſchiedene Gefahr einer Ueber- völkerung beſteht: ſo wird — ſeltene Ausnahmsfälle abgerechnet — die Polizei in der Regel die ſchwierige und undankbare Aufgabe haben, dieſer natürlichen Neigung der Menſchen zur Vermehrung entgegenzuarbeiten. Die hierzu führenden Mittel beſtehen zunächſt in einer Auseinanderrückung der zu gleicher Zeit lebenden Generationen, d. h. in Erſchwerung der Ehen und häuslichen Niederlaſſung vor vollſtändig begründetem Un- terhalte einer Familie; dann aber auch in Begünſtigung von Auswanderung, wo denn freilich die vom Staate zu ergreifen- den Maßregeln weſentlich verſchiedene ſind, je nachdem der Menſchenüberfluß in einer dem Staate ſelbſt gehörigen Kolonie geleitet werden kann, oder aber derſelbe an fremde Staaten abzulaſſen iſt.
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Deſpotie;) allein bei der Mehrzahl ſpielt ſie rechtlich und that-
ſächlich eine große Rolle. Eine zweckmäßige Vollziehung iſt
daher auch ein ſehr gefühltes Bedürfniß. — Da bei einem
Volke von moderner europäiſcher Geſittigung die hier in Frage
ſtehenden Forderungen am weiteſten getrieben werden, ſo dient
eine nähere Bezeichnung deſſen, was hier paßt und nöthig iſt,
auch als Fingerzeig für andere Zuſtände und Staaten. Etwas
weniger zu leiſten iſt immer leicht; und für das Uebrigbleibende
dienen die Regeln der vollſtändigeren Leiſtung durchaus.
1. Herſtellung der den Verhältniſſen des Landes ange-
meſſenen Volkszahl. — Weder eine zu dünne Bevölkerung,
noch eine mit der Ernährungsfähigkeit im Mißverhältniſſe
ſtehende Ueberzahl iſt wünſchenswerth für die Einzelnen und für
die Geſammtheit; ſondern als der normale und die Entwicklung gün-
ſtiger Verhältniſſe begünſtigende Zuſtand erſcheint eine bedeutende
und dadurch zu ernſtlicher Arbeit genöthigte, jedoch nicht über
die ſicheren Unterhaltsmittel hinausgewachſene Volkszahl. Vgl.
oben, § 89, S. 573. Da nun bei allen geſittigten Völkern
von ſteigender Entwickelung entſchiedene Gefahr einer Ueber-
völkerung beſteht: ſo wird — ſeltene Ausnahmsfälle abgerechnet
— die Polizei in der Regel die ſchwierige und undankbare
Aufgabe haben, dieſer natürlichen Neigung der Menſchen zur
Vermehrung entgegenzuarbeiten. Die hierzu führenden Mittel
beſtehen zunächſt in einer Auseinanderrückung der zu gleicher
Zeit lebenden Generationen, d. h. in Erſchwerung der Ehen
und häuslichen Niederlaſſung vor vollſtändig begründetem Un-
terhalte einer Familie; dann aber auch in Begünſtigung von
Auswanderung, wo denn freilich die vom Staate zu ergreifen-
den Maßregeln weſentlich verſchiedene ſind, je nachdem der
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geleitet werden kann, oder aber derſelbe an fremde Staaten
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 663. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/677>, abgerufen am 24.11.2024.
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