Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite
§ 101.
d. Die Politik des Staatshaushaltes.

Die finanzielle Thätigkeit des Staates unterscheidet sich wesent-
lich von der in den andern Zweigen der Verwaltung hervortretenden,
insoferne sie sich keinen selbstständigen Zweck setzt, sondern nur
dazu bestimmt ist, die Mittel für die Zwecke des Staates her-
beizuschaffen. Hieraus folgt denn Zweierlei. Erstens, daß die
von der Finanzverwaltung herbeizuschaffenden Mittel ihrer
Größe nach von den übrigen Dienstzweigen bestimmt werden;
mit andern Worten, daß sich, wenigstens in Beziehung auf
Nothwendiges, die Ausgaben nicht nach den Einnahmen, sondern
umgekehrt die Einnahmen nach den Ausgaben zu richten haben.
Zweitens aber, daß die Finanzverwaltung zur Herbeischaffung
der von ihr zu liefernden Mittel sich keiner Maßregeln bedienen
darf, welche mit den Zwecken des Staates, also namentlich
mit der Aufrechterhaltung einer Rechtsordnung und mit der
polizeilichen Förderung der Lebenszwecke des Volkes, unver-
einbar wären. Es würde nicht nur der logische Fehler des
inneren Widerspruches, sondern der noch weit größere einer
Vernichtung des Zweckes durch die Mittel begangen. -- Die
Verschiedenheit der Staatsgattung ist nur in untergeordneten
Dingen bestimmend für die Regelung des Haushaltes, da die
Verhältnisse der Menschen zu der Güterwelt überall diesel-
ben sind.

Eine wohlgeordnete Finanzverwaltung hat demgemäß eine
vierfache Aufgabe: erstens, die von den Leitern der übrigen
Zweige der Staatsthätigkeit beanspruchten Geldforderungen, so
wie die Nachrichten über die zu der Bestreitung etwa bereit
liegenden Mittel zu sammeln und sie zu einem übersichtlichen,
übereinstimmenden und folgerichtigen Ganzen zusammenzustellen;
zweitens, die zur Deckung dieser Bedürfnisse nothwendigen

§ 101.
d. Die Politik des Staatshaushaltes.

Die finanzielle Thätigkeit des Staates unterſcheidet ſich weſent-
lich von der in den andern Zweigen der Verwaltung hervortretenden,
inſoferne ſie ſich keinen ſelbſtſtändigen Zweck ſetzt, ſondern nur
dazu beſtimmt iſt, die Mittel für die Zwecke des Staates her-
beizuſchaffen. Hieraus folgt denn Zweierlei. Erſtens, daß die
von der Finanzverwaltung herbeizuſchaffenden Mittel ihrer
Größe nach von den übrigen Dienſtzweigen beſtimmt werden;
mit andern Worten, daß ſich, wenigſtens in Beziehung auf
Nothwendiges, die Ausgaben nicht nach den Einnahmen, ſondern
umgekehrt die Einnahmen nach den Ausgaben zu richten haben.
Zweitens aber, daß die Finanzverwaltung zur Herbeiſchaffung
der von ihr zu liefernden Mittel ſich keiner Maßregeln bedienen
darf, welche mit den Zwecken des Staates, alſo namentlich
mit der Aufrechterhaltung einer Rechtsordnung und mit der
polizeilichen Förderung der Lebenszwecke des Volkes, unver-
einbar wären. Es würde nicht nur der logiſche Fehler des
inneren Widerſpruches, ſondern der noch weit größere einer
Vernichtung des Zweckes durch die Mittel begangen. — Die
Verſchiedenheit der Staatsgattung iſt nur in untergeordneten
Dingen beſtimmend für die Regelung des Haushaltes, da die
Verhältniſſe der Menſchen zu der Güterwelt überall dieſel-
ben ſind.

Eine wohlgeordnete Finanzverwaltung hat demgemäß eine
vierfache Aufgabe: erſtens, die von den Leitern der übrigen
Zweige der Staatsthätigkeit beanſpruchten Geldforderungen, ſo
wie die Nachrichten über die zu der Beſtreitung etwa bereit
liegenden Mittel zu ſammeln und ſie zu einem überſichtlichen,
übereinſtimmenden und folgerichtigen Ganzen zuſammenzuſtellen;
zweitens, die zur Deckung dieſer Bedürfniſſe nothwendigen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0690" n="676"/>
              <div n="5">
                <head>§ 101.<lb/><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">d.</hi> Die Politik des Staatshaushaltes.</hi></head><lb/>
                <p>Die finanzielle Thätigkeit des Staates unter&#x017F;cheidet &#x017F;ich we&#x017F;ent-<lb/>
lich von der in den andern Zweigen der Verwaltung hervortretenden,<lb/>
in&#x017F;oferne &#x017F;ie &#x017F;ich keinen &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;tändigen Zweck &#x017F;etzt, &#x017F;ondern nur<lb/>
dazu be&#x017F;timmt i&#x017F;t, die Mittel für die Zwecke des Staates her-<lb/>
beizu&#x017F;chaffen. Hieraus folgt denn Zweierlei. Er&#x017F;tens, daß die<lb/>
von der Finanzverwaltung herbeizu&#x017F;chaffenden Mittel ihrer<lb/>
Größe nach von den übrigen Dien&#x017F;tzweigen be&#x017F;timmt werden;<lb/>
mit andern Worten, daß &#x017F;ich, wenig&#x017F;tens in Beziehung auf<lb/>
Nothwendiges, die Ausgaben nicht nach den Einnahmen, &#x017F;ondern<lb/>
umgekehrt die Einnahmen nach den Ausgaben zu richten haben.<lb/>
Zweitens aber, daß die Finanzverwaltung zur Herbei&#x017F;chaffung<lb/>
der von ihr zu liefernden Mittel &#x017F;ich keiner Maßregeln bedienen<lb/>
darf, welche mit den Zwecken des Staates, al&#x017F;o namentlich<lb/>
mit der Aufrechterhaltung einer Rechtsordnung und mit der<lb/>
polizeilichen Förderung der Lebenszwecke des Volkes, unver-<lb/>
einbar wären. Es würde nicht nur der logi&#x017F;che Fehler des<lb/>
inneren Wider&#x017F;pruches, &#x017F;ondern der noch weit größere einer<lb/>
Vernichtung des Zweckes durch die Mittel begangen. &#x2014; Die<lb/>
Ver&#x017F;chiedenheit der Staatsgattung i&#x017F;t nur in untergeordneten<lb/>
Dingen be&#x017F;timmend für die Regelung des Haushaltes, da die<lb/>
Verhältni&#x017F;&#x017F;e der Men&#x017F;chen zu der Güterwelt überall die&#x017F;el-<lb/>
ben &#x017F;ind.</p><lb/>
                <p>Eine wohlgeordnete Finanzverwaltung hat demgemäß eine<lb/>
vierfache Aufgabe: er&#x017F;tens, die von den Leitern der übrigen<lb/>
Zweige der Staatsthätigkeit bean&#x017F;pruchten Geldforderungen, &#x017F;o<lb/>
wie die Nachrichten über die zu der Be&#x017F;treitung etwa bereit<lb/>
liegenden Mittel zu &#x017F;ammeln und &#x017F;ie zu einem über&#x017F;ichtlichen,<lb/>
überein&#x017F;timmenden und folgerichtigen Ganzen zu&#x017F;ammenzu&#x017F;tellen;<lb/>
zweitens, die zur Deckung die&#x017F;er Bedürfni&#x017F;&#x017F;e nothwendigen<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[676/0690] § 101. d. Die Politik des Staatshaushaltes. Die finanzielle Thätigkeit des Staates unterſcheidet ſich weſent- lich von der in den andern Zweigen der Verwaltung hervortretenden, inſoferne ſie ſich keinen ſelbſtſtändigen Zweck ſetzt, ſondern nur dazu beſtimmt iſt, die Mittel für die Zwecke des Staates her- beizuſchaffen. Hieraus folgt denn Zweierlei. Erſtens, daß die von der Finanzverwaltung herbeizuſchaffenden Mittel ihrer Größe nach von den übrigen Dienſtzweigen beſtimmt werden; mit andern Worten, daß ſich, wenigſtens in Beziehung auf Nothwendiges, die Ausgaben nicht nach den Einnahmen, ſondern umgekehrt die Einnahmen nach den Ausgaben zu richten haben. Zweitens aber, daß die Finanzverwaltung zur Herbeiſchaffung der von ihr zu liefernden Mittel ſich keiner Maßregeln bedienen darf, welche mit den Zwecken des Staates, alſo namentlich mit der Aufrechterhaltung einer Rechtsordnung und mit der polizeilichen Förderung der Lebenszwecke des Volkes, unver- einbar wären. Es würde nicht nur der logiſche Fehler des inneren Widerſpruches, ſondern der noch weit größere einer Vernichtung des Zweckes durch die Mittel begangen. — Die Verſchiedenheit der Staatsgattung iſt nur in untergeordneten Dingen beſtimmend für die Regelung des Haushaltes, da die Verhältniſſe der Menſchen zu der Güterwelt überall dieſel- ben ſind. Eine wohlgeordnete Finanzverwaltung hat demgemäß eine vierfache Aufgabe: erſtens, die von den Leitern der übrigen Zweige der Staatsthätigkeit beanſpruchten Geldforderungen, ſo wie die Nachrichten über die zu der Beſtreitung etwa bereit liegenden Mittel zu ſammeln und ſie zu einem überſichtlichen, übereinſtimmenden und folgerichtigen Ganzen zuſammenzuſtellen; zweitens, die zur Deckung dieſer Bedürfniſſe nothwendigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/690
Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/690>, abgerufen am 24.11.2024.