welche sich so reichlich verzinsen müßten, aber ist woh Alexander Ghika in demselben Fall?
Man hat in den Hauptrichtungen durch das Land Post- verbindungen hergestellt, und der Reisende wird in der gün- stigsten Jahreszeit äußerst schnell, aber auch äußerst unbe- quem befördert. Allein, da für Straßen und Brücken bis jetzt auch noch nicht das allermindeste geschehen ist, so grenzt es fast an Unmöglichkeit, sich nach anhaltendem Re- gen in diesem schweren Lehmboden von einem Ort zum an- dern zu bewegen. Die Flüsse, welche von den Karpathen herabstürzen, füllen dann ihre breiten Betten in der Ebene und unterbrechen jeden Verkehr. Mit der Wegbarkeit sieht es in diesem Lande noch sehr schlecht aus; Straßen giebt es nicht, die Donau zieht nur an der Grenze entlang, und die Flüsse, welche ihr zuströmen, sind nicht schiffbar und auch kaum schiffbar zu machen. Die Donau ist daher für die Wallachei wenig mehr, als eine Absperrungslinie ge- gen die türkische Pest. Die Quarantaine-Anstalten sind aber bis jetzt so, daß jeder Reisende wohl thun wird, sie zu vermeiden. Sie flößen überdies so wenig Vertrauen ein, daß Oesterreich seine Contumaz-Anstalten an der wal- lachischen Grenze fortbestehen läßt.
Man erstaunt, in dieser Wüstenei eine Stadt wie Bu- karest mit fast 100,000 Einwohnern zu treffen. Jn Buka- rest giebt es Palais, Gesellschaften und Visiten, Theater, marchandes de mode, Zeitungen und Equipagen; aber so wie man den Fuß vor das Thor setzt, versinkt man in Barbarei. Man hat eine Gesellschaft von Naturforschern und eine Musterwirtschaft gegründet, aber selbst der An- bau der Kartoffel ist in der Wallachei noch nicht eingeführt. Jn der Stadt sieht man den Hof, aber im Lande die Re- gierung nicht. Die Verbesserungen, welche bisher in dem Zustande der Wallachei bewirkt wurden, die Befreiung des Bauern, die Ermäßigung seiner Lasten, die Beschränkung und Feststellung der Abgaben, die Errichtung von Posten und Schutzlinien gegen die Pest, die Pflasterlegung in der
welche ſich ſo reichlich verzinſen muͤßten, aber iſt woh Alexander Ghika in demſelben Fall?
Man hat in den Hauptrichtungen durch das Land Poſt- verbindungen hergeſtellt, und der Reiſende wird in der guͤn- ſtigſten Jahreszeit aͤußerſt ſchnell, aber auch aͤußerſt unbe- quem befoͤrdert. Allein, da fuͤr Straßen und Bruͤcken bis jetzt auch noch nicht das allermindeſte geſchehen iſt, ſo grenzt es faſt an Unmoͤglichkeit, ſich nach anhaltendem Re- gen in dieſem ſchweren Lehmboden von einem Ort zum an- dern zu bewegen. Die Fluͤſſe, welche von den Karpathen herabſtuͤrzen, fuͤllen dann ihre breiten Betten in der Ebene und unterbrechen jeden Verkehr. Mit der Wegbarkeit ſieht es in dieſem Lande noch ſehr ſchlecht aus; Straßen giebt es nicht, die Donau zieht nur an der Grenze entlang, und die Fluͤſſe, welche ihr zuſtroͤmen, ſind nicht ſchiffbar und auch kaum ſchiffbar zu machen. Die Donau iſt daher fuͤr die Wallachei wenig mehr, als eine Abſperrungslinie ge- gen die tuͤrkiſche Peſt. Die Quarantaine-Anſtalten ſind aber bis jetzt ſo, daß jeder Reiſende wohl thun wird, ſie zu vermeiden. Sie floͤßen uͤberdies ſo wenig Vertrauen ein, daß Oeſterreich ſeine Contumaz-Anſtalten an der wal- lachiſchen Grenze fortbeſtehen laͤßt.
Man erſtaunt, in dieſer Wuͤſtenei eine Stadt wie Bu- kareſt mit faſt 100,000 Einwohnern zu treffen. Jn Buka- reſt giebt es Palais, Geſellſchaften und Viſiten, Theater, marchandes de mode, Zeitungen und Equipagen; aber ſo wie man den Fuß vor das Thor ſetzt, verſinkt man in Barbarei. Man hat eine Geſellſchaft von Naturforſchern und eine Muſterwirtſchaft gegruͤndet, aber ſelbſt der An- bau der Kartoffel iſt in der Wallachei noch nicht eingefuͤhrt. Jn der Stadt ſieht man den Hof, aber im Lande die Re- gierung nicht. Die Verbeſſerungen, welche bisher in dem Zuſtande der Wallachei bewirkt wurden, die Befreiung des Bauern, die Ermaͤßigung ſeiner Laſten, die Beſchraͤnkung und Feſtſtellung der Abgaben, die Errichtung von Poſten und Schutzlinien gegen die Peſt, die Pflaſterlegung in der
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[8/0018]
welche ſich ſo reichlich verzinſen muͤßten, aber iſt woh
Alexander Ghika in demſelben Fall?
Man hat in den Hauptrichtungen durch das Land Poſt-
verbindungen hergeſtellt, und der Reiſende wird in der guͤn-
ſtigſten Jahreszeit aͤußerſt ſchnell, aber auch aͤußerſt unbe-
quem befoͤrdert. Allein, da fuͤr Straßen und Bruͤcken bis
jetzt auch noch nicht das allermindeſte geſchehen iſt, ſo
grenzt es faſt an Unmoͤglichkeit, ſich nach anhaltendem Re-
gen in dieſem ſchweren Lehmboden von einem Ort zum an-
dern zu bewegen. Die Fluͤſſe, welche von den Karpathen
herabſtuͤrzen, fuͤllen dann ihre breiten Betten in der Ebene
und unterbrechen jeden Verkehr. Mit der Wegbarkeit ſieht
es in dieſem Lande noch ſehr ſchlecht aus; Straßen giebt
es nicht, die Donau zieht nur an der Grenze entlang, und
die Fluͤſſe, welche ihr zuſtroͤmen, ſind nicht ſchiffbar und
auch kaum ſchiffbar zu machen. Die Donau iſt daher fuͤr
die Wallachei wenig mehr, als eine Abſperrungslinie ge-
gen die tuͤrkiſche Peſt. Die Quarantaine-Anſtalten ſind
aber bis jetzt ſo, daß jeder Reiſende wohl thun wird, ſie
zu vermeiden. Sie floͤßen uͤberdies ſo wenig Vertrauen
ein, daß Oeſterreich ſeine Contumaz-Anſtalten an der wal-
lachiſchen Grenze fortbeſtehen laͤßt.
Man erſtaunt, in dieſer Wuͤſtenei eine Stadt wie Bu-
kareſt mit faſt 100,000 Einwohnern zu treffen. Jn Buka-
reſt giebt es Palais, Geſellſchaften und Viſiten, Theater,
marchandes de mode, Zeitungen und Equipagen; aber ſo
wie man den Fuß vor das Thor ſetzt, verſinkt man in
Barbarei. Man hat eine Geſellſchaft von Naturforſchern
und eine Muſterwirtſchaft gegruͤndet, aber ſelbſt der An-
bau der Kartoffel iſt in der Wallachei noch nicht eingefuͤhrt.
Jn der Stadt ſieht man den Hof, aber im Lande die Re-
gierung nicht. Die Verbeſſerungen, welche bisher in dem
Zuſtande der Wallachei bewirkt wurden, die Befreiung des
Bauern, die Ermaͤßigung ſeiner Laſten, die Beſchraͤnkung
und Feſtſtellung der Abgaben, die Errichtung von Poſten
und Schutzlinien gegen die Peſt, die Pflaſterlegung in der
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/18>, abgerufen am 21.11.2024.
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