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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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Jacub zu entschädigen, welcher wirklich kein Geld ange-
nommen hatte. Als ich vollends beim Wegreiten vergü-
tete, was ich und meine Leute verzehrt, da sank ich bedeu-
tend in der Achtung des Müsselims, denn man muß in
der Türkei schon sehr miserabel sein, um zu bezahlen; wer
kann, der nimmt ohne Geld.

Jch glaube, in ganz Asien giebt es keinen Ort, der so
voll Ungeziefer steckt, wie Samsat. Länger als bis Mitter-
nacht konnte ich nicht aushalten; ich ließ aufsitzen, und als
die Sonne aufging, hatten wir das sechs Stunden ent-
fernte Adiaman (oder, wie die Kurden es nennen, Hassn-
manna) erreicht. Jn der Ebene am Südflusse des Tau-
rus und an den Quellen eines Flüßchens gelegen, bietet
dieser Ort mitten in weiten Weinfeldern und Obstgärten
einen schönen Anblick; die Trümmer einer Akropolis und
eine große Zahl von Minarehs lassen eine große volkreiche
Stadt erwarten, aber im Jnnern sieht man nur Schutt-
und Trümmerhaufen.

Als wir im vollen Rennen auf den Hof des Müsse-
lims zujagten, und dabei durch einen breiten seichten Bach
setzten, konnte ich mich des Lachens über den Anblick mei-
nes Gefolges nicht enthalten; ich hatte nämlich die Rude-
rer mit mir genommen, und meine vier Flußgötter saßen
mit allen Attributen Neptuns, die Ruder auf der Schul-
ter und die Schläuche zu beiden Seiten der kleinen Pferde
herabhängend. Sobald die Rosse gewechselt, setzten wir
die Reise fort; wir erstiegen eine Stunde nördlich der Stadt
den steilsten Fuß des Taurus; die Sonne brannte schreck-
lich und die kahlen Felswände glüheten wie geheizte Oefen.
Dieser Marsch wurde mir der mühsamste, den ich je ge-
macht; vier tiefe Thäler mußten wir durchschreiten, zu de-
nen man sich wohl 2000 Fuß hinabwindet, um jenseits
eben so hoch wieder hinauf zu klettern. Während des gan-
zen Tages bekamen wir keine menschliche Wohnung zu se-
hen; auf den Gipfeln der Höhen und im Grunde der
Thäler erquickte zuweilen ein schöner Anblick das ermüdete

Jacub zu entſchaͤdigen, welcher wirklich kein Geld ange-
nommen hatte. Als ich vollends beim Wegreiten verguͤ-
tete, was ich und meine Leute verzehrt, da ſank ich bedeu-
tend in der Achtung des Muͤſſelims, denn man muß in
der Tuͤrkei ſchon ſehr miſerabel ſein, um zu bezahlen; wer
kann, der nimmt ohne Geld.

Jch glaube, in ganz Aſien giebt es keinen Ort, der ſo
voll Ungeziefer ſteckt, wie Samſat. Laͤnger als bis Mitter-
nacht konnte ich nicht aushalten; ich ließ aufſitzen, und als
die Sonne aufging, hatten wir das ſechs Stunden ent-
fernte Adiaman (oder, wie die Kurden es nennen, Haſſn-
manna) erreicht. Jn der Ebene am Suͤdfluſſe des Tau-
rus und an den Quellen eines Fluͤßchens gelegen, bietet
dieſer Ort mitten in weiten Weinfeldern und Obſtgaͤrten
einen ſchoͤnen Anblick; die Truͤmmer einer Akropolis und
eine große Zahl von Minarehs laſſen eine große volkreiche
Stadt erwarten, aber im Jnnern ſieht man nur Schutt-
und Truͤmmerhaufen.

Als wir im vollen Rennen auf den Hof des Muͤſſe-
lims zujagten, und dabei durch einen breiten ſeichten Bach
ſetzten, konnte ich mich des Lachens uͤber den Anblick mei-
nes Gefolges nicht enthalten; ich hatte naͤmlich die Rude-
rer mit mir genommen, und meine vier Flußgoͤtter ſaßen
mit allen Attributen Neptuns, die Ruder auf der Schul-
ter und die Schlaͤuche zu beiden Seiten der kleinen Pferde
herabhaͤngend. Sobald die Roſſe gewechſelt, ſetzten wir
die Reiſe fort; wir erſtiegen eine Stunde noͤrdlich der Stadt
den ſteilſten Fuß des Taurus; die Sonne brannte ſchreck-
lich und die kahlen Felswaͤnde gluͤheten wie geheizte Oefen.
Dieſer Marſch wurde mir der muͤhſamſte, den ich je ge-
macht; vier tiefe Thaͤler mußten wir durchſchreiten, zu de-
nen man ſich wohl 2000 Fuß hinabwindet, um jenſeits
eben ſo hoch wieder hinauf zu klettern. Waͤhrend des gan-
zen Tages bekamen wir keine menſchliche Wohnung zu ſe-
hen; auf den Gipfeln der Hoͤhen und im Grunde der
Thaͤler erquickte zuweilen ein ſchoͤner Anblick das ermuͤdete

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[296/0306] Jacub zu entſchaͤdigen, welcher wirklich kein Geld ange- nommen hatte. Als ich vollends beim Wegreiten verguͤ- tete, was ich und meine Leute verzehrt, da ſank ich bedeu- tend in der Achtung des Muͤſſelims, denn man muß in der Tuͤrkei ſchon ſehr miſerabel ſein, um zu bezahlen; wer kann, der nimmt ohne Geld. Jch glaube, in ganz Aſien giebt es keinen Ort, der ſo voll Ungeziefer ſteckt, wie Samſat. Laͤnger als bis Mitter- nacht konnte ich nicht aushalten; ich ließ aufſitzen, und als die Sonne aufging, hatten wir das ſechs Stunden ent- fernte Adiaman (oder, wie die Kurden es nennen, Haſſn- manna) erreicht. Jn der Ebene am Suͤdfluſſe des Tau- rus und an den Quellen eines Fluͤßchens gelegen, bietet dieſer Ort mitten in weiten Weinfeldern und Obſtgaͤrten einen ſchoͤnen Anblick; die Truͤmmer einer Akropolis und eine große Zahl von Minarehs laſſen eine große volkreiche Stadt erwarten, aber im Jnnern ſieht man nur Schutt- und Truͤmmerhaufen. Als wir im vollen Rennen auf den Hof des Muͤſſe- lims zujagten, und dabei durch einen breiten ſeichten Bach ſetzten, konnte ich mich des Lachens uͤber den Anblick mei- nes Gefolges nicht enthalten; ich hatte naͤmlich die Rude- rer mit mir genommen, und meine vier Flußgoͤtter ſaßen mit allen Attributen Neptuns, die Ruder auf der Schul- ter und die Schlaͤuche zu beiden Seiten der kleinen Pferde herabhaͤngend. Sobald die Roſſe gewechſelt, ſetzten wir die Reiſe fort; wir erſtiegen eine Stunde noͤrdlich der Stadt den ſteilſten Fuß des Taurus; die Sonne brannte ſchreck- lich und die kahlen Felswaͤnde gluͤheten wie geheizte Oefen. Dieſer Marſch wurde mir der muͤhſamſte, den ich je ge- macht; vier tiefe Thaͤler mußten wir durchſchreiten, zu de- nen man ſich wohl 2000 Fuß hinabwindet, um jenſeits eben ſo hoch wieder hinauf zu klettern. Waͤhrend des gan- zen Tages bekamen wir keine menſchliche Wohnung zu ſe- hen; auf den Gipfeln der Hoͤhen und im Grunde der Thaͤler erquickte zuweilen ein ſchoͤner Anblick das ermuͤdete

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/306>, abgerufen am 21.11.2024.