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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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wäre der höllische Zuname ein Compliment gewesen, mei-
nem Bey schloß es aber das Herz auf; alsbald brachte
man Frühstück und Kaffee, und, zum freudigen Erstaunen
meines Tataren treffliche Pferde, mit denen wir noch den-
selben Tag sechzehn Stunden bis Akserai weiter jagten;
dort kamen wir (freilich zum Theile die Pferde führend)
bei finsterer Nacht an.

Von Einkehren in ein Gasthaus ist hier nie die Rede,
die Hann oder Caravanseraj sind nur weite steinerne Ge-
bäude mit kleinen Zellen, in denen man auch kein denk-
bares Hausgeräth trifft; sehr oft findet man keine Seele
im ganzen Hause, nur eben ein Obdach für sich und die
Pferde, alles Uebrige bringt man mit. Leute von einiger
Bedeutung reiten ohne Weiteres vor den Konak des Müs-
selims, des Woywoden oder des Pascha's, kurz des Ersten
im Orte, der dann Gastfreiheit übt, wie eine Sache, die
sich von selbst versteht.

Die Ebene, welche sich vor Akseraj (dem weißen Schlosse)
bis Konieh ausbreitet, sieht dem Meere ähnlicher, als dem
Lande; dreißig Stunden weit erblickt der Wanderer keinen
Baum, keinen Strauch, und meilenweit kein Dorf, kein
Haus und kein Ackerfeld. Es ist die ebenste Ebene, die
ich gesehen, und nur am fernsten Horizont zieht sich ein
blasser Streif blauer Berge, die wie auf der See in der
Luft zu schweben scheinen; es findet eine Spiegelung statt,
welche entfernte Objecte emporhebt und vergrößert, je mehr
man sich nähert, je mehr nimmt ihre Größe ab, und nach-
dem man zwei oder drei Stunden geritten, sieht der Ge-
genstand kleiner und ferner aus, als zuvor, gerade, als ob
man sich um eben so viel Stunden entfernt hätte. Eine
dürftige Vegetation bedeckt die weite Fläche, meist ein ge-
strüppartiges Kraut, welche die Kühe sehr lieben, und wel-
ches unter den Hufen der Pferde einen überaus angeneh-
men Geruch verbreitet. Jn Konieh bereitet man ein Oel
aus diesem Kraut, von welchem ich eine Probe mitgenom-
men und das mir ohne Vergleich schöner zu riechen scheint,

waͤre der hoͤlliſche Zuname ein Compliment geweſen, mei-
nem Bey ſchloß es aber das Herz auf; alsbald brachte
man Fruͤhſtuͤck und Kaffee, und, zum freudigen Erſtaunen
meines Tataren treffliche Pferde, mit denen wir noch den-
ſelben Tag ſechzehn Stunden bis Akſerai weiter jagten;
dort kamen wir (freilich zum Theile die Pferde fuͤhrend)
bei finſterer Nacht an.

Von Einkehren in ein Gaſthaus iſt hier nie die Rede,
die Hann oder Caravanſeraj ſind nur weite ſteinerne Ge-
baͤude mit kleinen Zellen, in denen man auch kein denk-
bares Hausgeraͤth trifft; ſehr oft findet man keine Seele
im ganzen Hauſe, nur eben ein Obdach fuͤr ſich und die
Pferde, alles Uebrige bringt man mit. Leute von einiger
Bedeutung reiten ohne Weiteres vor den Konak des Muͤſ-
ſelims, des Woywoden oder des Paſcha's, kurz des Erſten
im Orte, der dann Gaſtfreiheit uͤbt, wie eine Sache, die
ſich von ſelbſt verſteht.

Die Ebene, welche ſich vor Akſeraj (dem weißen Schloſſe)
bis Konieh ausbreitet, ſieht dem Meere aͤhnlicher, als dem
Lande; dreißig Stunden weit erblickt der Wanderer keinen
Baum, keinen Strauch, und meilenweit kein Dorf, kein
Haus und kein Ackerfeld. Es iſt die ebenſte Ebene, die
ich geſehen, und nur am fernſten Horizont zieht ſich ein
blaſſer Streif blauer Berge, die wie auf der See in der
Luft zu ſchweben ſcheinen; es findet eine Spiegelung ſtatt,
welche entfernte Objecte emporhebt und vergroͤßert, je mehr
man ſich naͤhert, je mehr nimmt ihre Groͤße ab, und nach-
dem man zwei oder drei Stunden geritten, ſieht der Ge-
genſtand kleiner und ferner aus, als zuvor, gerade, als ob
man ſich um eben ſo viel Stunden entfernt haͤtte. Eine
duͤrftige Vegetation bedeckt die weite Flaͤche, meiſt ein ge-
ſtruͤppartiges Kraut, welche die Kuͤhe ſehr lieben, und wel-
ches unter den Hufen der Pferde einen uͤberaus angeneh-
men Geruch verbreitet. Jn Konieh bereitet man ein Oel
aus dieſem Kraut, von welchem ich eine Probe mitgenom-
men und das mir ohne Vergleich ſchoͤner zu riechen ſcheint,

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[318/0328] waͤre der hoͤlliſche Zuname ein Compliment geweſen, mei- nem Bey ſchloß es aber das Herz auf; alsbald brachte man Fruͤhſtuͤck und Kaffee, und, zum freudigen Erſtaunen meines Tataren treffliche Pferde, mit denen wir noch den- ſelben Tag ſechzehn Stunden bis Akſerai weiter jagten; dort kamen wir (freilich zum Theile die Pferde fuͤhrend) bei finſterer Nacht an. Von Einkehren in ein Gaſthaus iſt hier nie die Rede, die Hann oder Caravanſeraj ſind nur weite ſteinerne Ge- baͤude mit kleinen Zellen, in denen man auch kein denk- bares Hausgeraͤth trifft; ſehr oft findet man keine Seele im ganzen Hauſe, nur eben ein Obdach fuͤr ſich und die Pferde, alles Uebrige bringt man mit. Leute von einiger Bedeutung reiten ohne Weiteres vor den Konak des Muͤſ- ſelims, des Woywoden oder des Paſcha's, kurz des Erſten im Orte, der dann Gaſtfreiheit uͤbt, wie eine Sache, die ſich von ſelbſt verſteht. Die Ebene, welche ſich vor Akſeraj (dem weißen Schloſſe) bis Konieh ausbreitet, ſieht dem Meere aͤhnlicher, als dem Lande; dreißig Stunden weit erblickt der Wanderer keinen Baum, keinen Strauch, und meilenweit kein Dorf, kein Haus und kein Ackerfeld. Es iſt die ebenſte Ebene, die ich geſehen, und nur am fernſten Horizont zieht ſich ein blaſſer Streif blauer Berge, die wie auf der See in der Luft zu ſchweben ſcheinen; es findet eine Spiegelung ſtatt, welche entfernte Objecte emporhebt und vergroͤßert, je mehr man ſich naͤhert, je mehr nimmt ihre Groͤße ab, und nach- dem man zwei oder drei Stunden geritten, ſieht der Ge- genſtand kleiner und ferner aus, als zuvor, gerade, als ob man ſich um eben ſo viel Stunden entfernt haͤtte. Eine duͤrftige Vegetation bedeckt die weite Flaͤche, meiſt ein ge- ſtruͤppartiges Kraut, welche die Kuͤhe ſehr lieben, und wel- ches unter den Hufen der Pferde einen uͤberaus angeneh- men Geruch verbreitet. Jn Konieh bereitet man ein Oel aus dieſem Kraut, von welchem ich eine Probe mitgenom- men und das mir ohne Vergleich ſchoͤner zu riechen ſcheint,

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/328>, abgerufen am 24.11.2024.