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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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Hälfte der folgenden Nacht durch die weite öde Ebene, be-
vor wir das jenseitige Bergufer bei Karapunar (schwarzer
Brunnen) erreichten. Abends langten wir zu Eregli an,
einem unter Bäumen begrabenen Städtchen am Fuße der
Gebirge, von denen ein prächtiger Bach in einem romanti-
schen Thale herab rauscht, der aber schon nach zweistündi-
gem Laufe in der Ebene bitter und salzig wird und sich in
einen Sumpf verläuft.

Die Stadt ist ziemlich groß, aber fast ganz entvölkert.
Die warmen Quellen, welche in der Vorzeit gewöhnlich dem
Herkules geweihet waren, haben dem Ort seinen Namen ge-
geben, aber außer ein paar Capitälern fand ich keine Spur
mehr von dem alten Heraklea.

Die weite Ebene hatte sich jetzt in ein Thal verengt,
welches immer schmäler zusammenlief; zur Rechten zieht
der hohe Bulgur wie eine Mauer ohne Unterbrechung und
fast in gleicher Höhe zwanzig Stunden weit hin. Jene
Bergwand ist es, welche Adana von Klein-Asien abtrennt,
und durch welche nur ein einziges Thal oder vielmehr eine
tiefe Schlucht hindurch führt, und eine Verbindung öffnet
zwischen Syrien und Anatoli; diese Pylen haben daher
auch von Cyrus, Xenophon und Alexander bis auf Jbra-
him-Pascha herab eine wichtige Rolle gespielt in den Zügen
der Heere, und eine noch wichtigere, obschon weniger be-
merkte, in den Zügen des Handels und des Verkehrs der
Völker. Meinem Collegen, dem Hauptmanne F., war die
Aufgabe zu Theil geworden, diese cilicischen Pässe, heute
Külek-Boghas, durch welche europäische Heere sonst gegen
Persien, Jndien und Aegypten vorgedrungen, den ägypti-
schen Kriegsvölkern zu schließen, welche diesmal, wie vor
fünf Jahren, drohten, gegen Europa vorzubrechen.

Bei Ulukischla traten die Bergwände von beiden Sei-
ten zusammen; es ist dort der größte und schönste Hann
im osmanischen Reiche, man könnte ein Regiment Cavalle-
rie mit Bequemlichkeit darin unterbringen, und obwohl seit
Jahrhunderten kein Ziegel daran reparirt, so ist das Ganze

Haͤlfte der folgenden Nacht durch die weite oͤde Ebene, be-
vor wir das jenſeitige Bergufer bei Karapunar (ſchwarzer
Brunnen) erreichten. Abends langten wir zu Eregli an,
einem unter Baͤumen begrabenen Staͤdtchen am Fuße der
Gebirge, von denen ein praͤchtiger Bach in einem romanti-
ſchen Thale herab rauſcht, der aber ſchon nach zweiſtuͤndi-
gem Laufe in der Ebene bitter und ſalzig wird und ſich in
einen Sumpf verlaͤuft.

Die Stadt iſt ziemlich groß, aber faſt ganz entvoͤlkert.
Die warmen Quellen, welche in der Vorzeit gewoͤhnlich dem
Herkules geweihet waren, haben dem Ort ſeinen Namen ge-
geben, aber außer ein paar Capitaͤlern fand ich keine Spur
mehr von dem alten Heraklea.

Die weite Ebene hatte ſich jetzt in ein Thal verengt,
welches immer ſchmaͤler zuſammenlief; zur Rechten zieht
der hohe Bulgur wie eine Mauer ohne Unterbrechung und
faſt in gleicher Hoͤhe zwanzig Stunden weit hin. Jene
Bergwand iſt es, welche Adana von Klein-Aſien abtrennt,
und durch welche nur ein einziges Thal oder vielmehr eine
tiefe Schlucht hindurch fuͤhrt, und eine Verbindung oͤffnet
zwiſchen Syrien und Anatoli; dieſe Pylen haben daher
auch von Cyrus, Xenophon und Alexander bis auf Jbra-
him-Paſcha herab eine wichtige Rolle geſpielt in den Zuͤgen
der Heere, und eine noch wichtigere, obſchon weniger be-
merkte, in den Zuͤgen des Handels und des Verkehrs der
Voͤlker. Meinem Collegen, dem Hauptmanne F., war die
Aufgabe zu Theil geworden, dieſe ciliciſchen Paͤſſe, heute
Kuͤlek-Boghas, durch welche europaͤiſche Heere ſonſt gegen
Perſien, Jndien und Aegypten vorgedrungen, den aͤgypti-
ſchen Kriegsvoͤlkern zu ſchließen, welche diesmal, wie vor
fuͤnf Jahren, drohten, gegen Europa vorzubrechen.

Bei Ulukiſchla traten die Bergwaͤnde von beiden Sei-
ten zuſammen; es iſt dort der groͤßte und ſchoͤnſte Hann
im osmaniſchen Reiche, man koͤnnte ein Regiment Cavalle-
rie mit Bequemlichkeit darin unterbringen, und obwohl ſeit
Jahrhunderten kein Ziegel daran reparirt, ſo iſt das Ganze

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[322/0332] Haͤlfte der folgenden Nacht durch die weite oͤde Ebene, be- vor wir das jenſeitige Bergufer bei Karapunar (ſchwarzer Brunnen) erreichten. Abends langten wir zu Eregli an, einem unter Baͤumen begrabenen Staͤdtchen am Fuße der Gebirge, von denen ein praͤchtiger Bach in einem romanti- ſchen Thale herab rauſcht, der aber ſchon nach zweiſtuͤndi- gem Laufe in der Ebene bitter und ſalzig wird und ſich in einen Sumpf verlaͤuft. Die Stadt iſt ziemlich groß, aber faſt ganz entvoͤlkert. Die warmen Quellen, welche in der Vorzeit gewoͤhnlich dem Herkules geweihet waren, haben dem Ort ſeinen Namen ge- geben, aber außer ein paar Capitaͤlern fand ich keine Spur mehr von dem alten Heraklea. Die weite Ebene hatte ſich jetzt in ein Thal verengt, welches immer ſchmaͤler zuſammenlief; zur Rechten zieht der hohe Bulgur wie eine Mauer ohne Unterbrechung und faſt in gleicher Hoͤhe zwanzig Stunden weit hin. Jene Bergwand iſt es, welche Adana von Klein-Aſien abtrennt, und durch welche nur ein einziges Thal oder vielmehr eine tiefe Schlucht hindurch fuͤhrt, und eine Verbindung oͤffnet zwiſchen Syrien und Anatoli; dieſe Pylen haben daher auch von Cyrus, Xenophon und Alexander bis auf Jbra- him-Paſcha herab eine wichtige Rolle geſpielt in den Zuͤgen der Heere, und eine noch wichtigere, obſchon weniger be- merkte, in den Zuͤgen des Handels und des Verkehrs der Voͤlker. Meinem Collegen, dem Hauptmanne F., war die Aufgabe zu Theil geworden, dieſe ciliciſchen Paͤſſe, heute Kuͤlek-Boghas, durch welche europaͤiſche Heere ſonſt gegen Perſien, Jndien und Aegypten vorgedrungen, den aͤgypti- ſchen Kriegsvoͤlkern zu ſchließen, welche diesmal, wie vor fuͤnf Jahren, drohten, gegen Europa vorzubrechen. Bei Ulukiſchla traten die Bergwaͤnde von beiden Sei- ten zuſammen; es iſt dort der groͤßte und ſchoͤnſte Hann im osmaniſchen Reiche, man koͤnnte ein Regiment Cavalle- rie mit Bequemlichkeit darin unterbringen, und obwohl ſeit Jahrhunderten kein Ziegel daran reparirt, ſo iſt das Ganze

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/332>, abgerufen am 21.11.2024.