den Weg, so gut es gehen wollte, fort. Jn Maaden ver- ließ ich meinen Cameraden (dessen gesammte Umgebung, Dragoman, Sekretair und Bedienten, am Fieber erkrankt war), und habe leider seit der Zeit noch keine Nachricht von ihm.
Die Gebirge streichen vom Külek-Boghas an eben so mauerartig nördlich, wie sie bis dort östlich hingezogen; bei Djevisly-Hann bildet der Apuyschkir-Dagh gegen Westen eine senkrechte Felswand von mehr als 1000 Fuß Höhe. Dieser Bergdamm endet plötzlich bei der weiten Sumpfebene von Mussa-Hadschi ("Pilger Moses"). Mir kam es nur dar- auf an, einen Weg durchs Gebirge direkt auf Malatia zu finden, da aber stellten sich neue Schwierigkeiten von allen Seiten entgegen. Es gebe gar keinen solchen Weg, hieß es, und die Gegend sei durch die Awscharen so unsicher, daß man ohne starke Escorte sie nicht passiren könne. Jch hatte ein Schreiben Hadschi-Aly-Pascha's an den Müs- selim von Devely mit, welcher persönlich für mein Weiter- kommen verantwortlich gemacht wurde; dieser erklärte, daß er die Verantwortung meiner Reise in der gewünschten Richtung nicht auf sich nehmen könne, wenn ich mich aber an den Bischof von Tomarse wenden wollte, so wäre das der Mann, der mir den besten Geleitsbrief gegen die Aw- scharen geben könne, und bis dahin werde er mir so viel Escorte mitgeben, als ich nehmen wolle.
Jch war nicht wenig verwundert, den Müsselim, der ein Moslem war, so von einem armenischen Bischofe reden zu hören, der ein Gjaur ist, und beschloß, den Vorschlag anzunehmen. Mein Dragoman, der selbst ein Armenier, setzte sofort eine armenische Schrift, ein Meisterstück von einem Empfehlungsbrief auf; nächst dem Padischah und dem Müsselim von Devely gab es keinen so großen Mann mehr im osmanischen Reiche wie mich, und der Müsselim petschirte seinen Namen darunter.
Meine Bedeckung zählte, ich glaube, funfzehn oder sech- zehn Köpfe, doch habe ich nicht das Vergnügen gehabt, die
den Weg, ſo gut es gehen wollte, fort. Jn Maaden ver- ließ ich meinen Cameraden (deſſen geſammte Umgebung, Dragoman, Sekretair und Bedienten, am Fieber erkrankt war), und habe leider ſeit der Zeit noch keine Nachricht von ihm.
Die Gebirge ſtreichen vom Kuͤlek-Boghas an eben ſo mauerartig noͤrdlich, wie ſie bis dort oͤſtlich hingezogen; bei Djevisly-Hann bildet der Apuyſchkir-Dagh gegen Weſten eine ſenkrechte Felswand von mehr als 1000 Fuß Hoͤhe. Dieſer Bergdamm endet ploͤtzlich bei der weiten Sumpfebene von Muſſa-Hadſchi („Pilger Moſes“). Mir kam es nur dar- auf an, einen Weg durchs Gebirge direkt auf Malatia zu finden, da aber ſtellten ſich neue Schwierigkeiten von allen Seiten entgegen. Es gebe gar keinen ſolchen Weg, hieß es, und die Gegend ſei durch die Awſcharen ſo unſicher, daß man ohne ſtarke Escorte ſie nicht paſſiren koͤnne. Jch hatte ein Schreiben Hadſchi-Aly-Paſcha's an den Muͤſ- ſelim von Devely mit, welcher perſoͤnlich fuͤr mein Weiter- kommen verantwortlich gemacht wurde; dieſer erklaͤrte, daß er die Verantwortung meiner Reiſe in der gewuͤnſchten Richtung nicht auf ſich nehmen koͤnne, wenn ich mich aber an den Biſchof von Tomarſe wenden wollte, ſo waͤre das der Mann, der mir den beſten Geleitsbrief gegen die Aw- ſcharen geben koͤnne, und bis dahin werde er mir ſo viel Escorte mitgeben, als ich nehmen wolle.
Jch war nicht wenig verwundert, den Muͤſſelim, der ein Moslem war, ſo von einem armeniſchen Biſchofe reden zu hoͤren, der ein Gjaur iſt, und beſchloß, den Vorſchlag anzunehmen. Mein Dragoman, der ſelbſt ein Armenier, ſetzte ſofort eine armeniſche Schrift, ein Meiſterſtuͤck von einem Empfehlungsbrief auf; naͤchſt dem Padiſchah und dem Muͤſſelim von Devely gab es keinen ſo großen Mann mehr im osmaniſchen Reiche wie mich, und der Muͤſſelim petſchirte ſeinen Namen darunter.
Meine Bedeckung zaͤhlte, ich glaube, funfzehn oder ſech- zehn Koͤpfe, doch habe ich nicht das Vergnuͤgen gehabt, die
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0334"n="324"/>
den Weg, ſo gut es gehen wollte, fort. Jn Maaden ver-<lb/>
ließ ich meinen Cameraden (deſſen geſammte Umgebung,<lb/>
Dragoman, Sekretair und Bedienten, am Fieber erkrankt<lb/>
war), und habe leider ſeit der Zeit noch keine Nachricht<lb/>
von ihm.</p><lb/><p>Die Gebirge ſtreichen vom Kuͤlek-Boghas an eben ſo<lb/>
mauerartig noͤrdlich, wie ſie bis dort oͤſtlich hingezogen;<lb/>
bei Djevisly-Hann bildet der Apuyſchkir-Dagh gegen Weſten<lb/>
eine ſenkrechte Felswand von mehr als 1000 Fuß Hoͤhe.<lb/>
Dieſer Bergdamm endet ploͤtzlich bei der weiten Sumpfebene<lb/>
von Muſſa-Hadſchi („Pilger Moſes“). Mir kam es nur dar-<lb/>
auf an, einen Weg durchs Gebirge direkt auf Malatia zu<lb/>
finden, da aber ſtellten ſich neue Schwierigkeiten von allen<lb/>
Seiten entgegen. Es gebe gar keinen ſolchen Weg, hieß<lb/>
es, und die Gegend ſei durch die Awſcharen ſo unſicher,<lb/>
daß man ohne ſtarke Escorte ſie nicht paſſiren koͤnne. Jch<lb/>
hatte ein Schreiben <hirendition="#g">Hadſchi-Aly-Paſcha's</hi> an den Muͤſ-<lb/>ſelim von Devely mit, welcher perſoͤnlich fuͤr mein Weiter-<lb/>
kommen verantwortlich gemacht wurde; dieſer erklaͤrte, daß<lb/>
er die Verantwortung meiner Reiſe in der gewuͤnſchten<lb/>
Richtung nicht auf ſich nehmen koͤnne, wenn ich mich aber<lb/>
an den Biſchof von Tomarſe wenden wollte, ſo waͤre das<lb/>
der Mann, der mir den beſten Geleitsbrief gegen die Aw-<lb/>ſcharen geben koͤnne, und bis dahin werde er mir ſo viel<lb/>
Escorte mitgeben, als ich nehmen wolle.</p><lb/><p>Jch war nicht wenig verwundert, den Muͤſſelim, der<lb/>
ein Moslem war, ſo von einem armeniſchen Biſchofe reden<lb/>
zu hoͤren, der ein Gjaur iſt, und beſchloß, den Vorſchlag<lb/>
anzunehmen. Mein Dragoman, der ſelbſt ein Armenier,<lb/>ſetzte ſofort eine armeniſche Schrift, ein Meiſterſtuͤck von<lb/>
einem Empfehlungsbrief auf; naͤchſt dem Padiſchah und<lb/>
dem Muͤſſelim von Devely gab es keinen ſo großen Mann<lb/>
mehr im osmaniſchen Reiche wie mich, und der Muͤſſelim<lb/>
petſchirte ſeinen Namen darunter.</p><lb/><p>Meine Bedeckung zaͤhlte, ich glaube, funfzehn oder ſech-<lb/>
zehn Koͤpfe, doch habe ich nicht das Vergnuͤgen gehabt, die<lb/></p></div></body></text></TEI>
[324/0334]
den Weg, ſo gut es gehen wollte, fort. Jn Maaden ver-
ließ ich meinen Cameraden (deſſen geſammte Umgebung,
Dragoman, Sekretair und Bedienten, am Fieber erkrankt
war), und habe leider ſeit der Zeit noch keine Nachricht
von ihm.
Die Gebirge ſtreichen vom Kuͤlek-Boghas an eben ſo
mauerartig noͤrdlich, wie ſie bis dort oͤſtlich hingezogen;
bei Djevisly-Hann bildet der Apuyſchkir-Dagh gegen Weſten
eine ſenkrechte Felswand von mehr als 1000 Fuß Hoͤhe.
Dieſer Bergdamm endet ploͤtzlich bei der weiten Sumpfebene
von Muſſa-Hadſchi („Pilger Moſes“). Mir kam es nur dar-
auf an, einen Weg durchs Gebirge direkt auf Malatia zu
finden, da aber ſtellten ſich neue Schwierigkeiten von allen
Seiten entgegen. Es gebe gar keinen ſolchen Weg, hieß
es, und die Gegend ſei durch die Awſcharen ſo unſicher,
daß man ohne ſtarke Escorte ſie nicht paſſiren koͤnne. Jch
hatte ein Schreiben Hadſchi-Aly-Paſcha's an den Muͤſ-
ſelim von Devely mit, welcher perſoͤnlich fuͤr mein Weiter-
kommen verantwortlich gemacht wurde; dieſer erklaͤrte, daß
er die Verantwortung meiner Reiſe in der gewuͤnſchten
Richtung nicht auf ſich nehmen koͤnne, wenn ich mich aber
an den Biſchof von Tomarſe wenden wollte, ſo waͤre das
der Mann, der mir den beſten Geleitsbrief gegen die Aw-
ſcharen geben koͤnne, und bis dahin werde er mir ſo viel
Escorte mitgeben, als ich nehmen wolle.
Jch war nicht wenig verwundert, den Muͤſſelim, der
ein Moslem war, ſo von einem armeniſchen Biſchofe reden
zu hoͤren, der ein Gjaur iſt, und beſchloß, den Vorſchlag
anzunehmen. Mein Dragoman, der ſelbſt ein Armenier,
ſetzte ſofort eine armeniſche Schrift, ein Meiſterſtuͤck von
einem Empfehlungsbrief auf; naͤchſt dem Padiſchah und
dem Muͤſſelim von Devely gab es keinen ſo großen Mann
mehr im osmaniſchen Reiche wie mich, und der Muͤſſelim
petſchirte ſeinen Namen darunter.
Meine Bedeckung zaͤhlte, ich glaube, funfzehn oder ſech-
zehn Koͤpfe, doch habe ich nicht das Vergnuͤgen gehabt, die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/334>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.