Limonien und viele andere gute Sachen, von denen ich die Namen nicht einmal weiß. Da giebt es Honigbrei, Reis- speisen, Ziegenrahm und Traubengelee, alles aufs reinlichste und beste bereitet; dann kömmt der Gemüsemarkt mit Blu- men, Kohl, Artischocken, ungeheuren Melonen, Kürbis, Karden und Pasteten. Gleich daneben liegen die Erzeug- nisse des Meeres: ungeheure Fische, wie der riesenhafte Thon, die silbernen Palamiden, der Goldfisch, die Stein- butte und alle die Meerungeheuer, die doch so gut schmek- ken, die Austern, Hummern, Krebse, Krabben und Familie.
Zwischen mehr als hundert Läden, in denen Tschibuks oder Pfeifenröhre, Köpfe von rothem Thon, und lange Spitzen von Bernstein gefertigt werden, kommt man end- lich nach Tophane, dem Viertel der Artilleristen. Die von dem jetzigen Großherrn erbaute Moschee Nusrethieh (die Siegreiche) zeichnet sich aus durch ihre beiden Minarehs, die hundert Fuß hoch sind, und deren unterer Durchmesser doch nicht über neun Fuß mißt. Wie gut müssen solche schlanke Thürme gebaut sein, um Stürmen, oft auch Erd- beben, widerstehen zu können. Jm Vorhof, der mit schö- nen Säulen umgeben ist, waschen, trotz der kalten Wit- terung, in langen Reihen von Wasserbecken die andächtigen Moslems Gesicht, Hände und Füße, denn sonst wird das Gebet nicht acceptirt. Nach dieser etwas frischen Proce- dur kniet der Gläubige, das Gesicht gegen Mekka gewen- det, nieder, sagt seinen Spruch, zieht seine Stiefeln an, und geht davon. Nahebei ist die große Moschee Kilidsch- Aly. Jn dem schönen Vorhof befinden sich Kaufläden mit artigen Sachen. Unter einem Bogen sitzt ein türkischer Briefschreiber, ein Stück Pergament auf dem Knie und eine Rohrfeder in der Hand. Frauen in weiten Mänteln und gelben Pantoffeln, das Gesicht bis auf die Augen ver- hüllt, erzählen ihm mit lebhaften Gebehrden ihr Anliegen, und mit regungslosen Zügen schreibt der Türke das Geheim- niß des Harems, eine Prozeßangelegenheit, eine Bittschrift an den Sultan, oder eine Trauerpost, faltet das Blatt künst-
Limonien und viele andere gute Sachen, von denen ich die Namen nicht einmal weiß. Da giebt es Honigbrei, Reis- ſpeiſen, Ziegenrahm und Traubengelee, alles aufs reinlichſte und beſte bereitet; dann koͤmmt der Gemuͤſemarkt mit Blu- men, Kohl, Artiſchocken, ungeheuren Melonen, Kuͤrbis, Karden und Paſteten. Gleich daneben liegen die Erzeug- niſſe des Meeres: ungeheure Fiſche, wie der rieſenhafte Thon, die ſilbernen Palamiden, der Goldfiſch, die Stein- butte und alle die Meerungeheuer, die doch ſo gut ſchmek- ken, die Auſtern, Hummern, Krebſe, Krabben und Familie.
Zwiſchen mehr als hundert Laͤden, in denen Tſchibuks oder Pfeifenroͤhre, Koͤpfe von rothem Thon, und lange Spitzen von Bernſtein gefertigt werden, kommt man end- lich nach Tophane, dem Viertel der Artilleriſten. Die von dem jetzigen Großherrn erbaute Moſchee Nusrethieh (die Siegreiche) zeichnet ſich aus durch ihre beiden Minarehs, die hundert Fuß hoch ſind, und deren unterer Durchmeſſer doch nicht uͤber neun Fuß mißt. Wie gut muͤſſen ſolche ſchlanke Thuͤrme gebaut ſein, um Stuͤrmen, oft auch Erd- beben, widerſtehen zu koͤnnen. Jm Vorhof, der mit ſchoͤ- nen Saͤulen umgeben iſt, waſchen, trotz der kalten Wit- terung, in langen Reihen von Waſſerbecken die andaͤchtigen Moslems Geſicht, Haͤnde und Fuͤße, denn ſonſt wird das Gebet nicht acceptirt. Nach dieſer etwas friſchen Proce- dur kniet der Glaͤubige, das Geſicht gegen Mekka gewen- det, nieder, ſagt ſeinen Spruch, zieht ſeine Stiefeln an, und geht davon. Nahebei iſt die große Moſchee Kilidſch- Aly. Jn dem ſchoͤnen Vorhof befinden ſich Kauflaͤden mit artigen Sachen. Unter einem Bogen ſitzt ein tuͤrkiſcher Briefſchreiber, ein Stuͤck Pergament auf dem Knie und eine Rohrfeder in der Hand. Frauen in weiten Maͤnteln und gelben Pantoffeln, das Geſicht bis auf die Augen ver- huͤllt, erzaͤhlen ihm mit lebhaften Gebehrden ihr Anliegen, und mit regungsloſen Zuͤgen ſchreibt der Tuͤrke das Geheim- niß des Harems, eine Prozeßangelegenheit, eine Bittſchrift an den Sultan, oder eine Trauerpoſt, faltet das Blatt kuͤnſt-
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Limonien und viele andere gute Sachen, von denen ich die
Namen nicht einmal weiß. Da giebt es Honigbrei, Reis-
ſpeiſen, Ziegenrahm und Traubengelee, alles aufs reinlichſte
und beſte bereitet; dann koͤmmt der Gemuͤſemarkt mit Blu-
men, Kohl, Artiſchocken, ungeheuren Melonen, Kuͤrbis,
Karden und Paſteten. Gleich daneben liegen die Erzeug-
niſſe des Meeres: ungeheure Fiſche, wie der rieſenhafte
Thon, die ſilbernen Palamiden, der Goldfiſch, die Stein-
butte und alle die Meerungeheuer, die doch ſo gut ſchmek-
ken, die Auſtern, Hummern, Krebſe, Krabben und Familie.
Zwiſchen mehr als hundert Laͤden, in denen Tſchibuks
oder Pfeifenroͤhre, Koͤpfe von rothem Thon, und lange
Spitzen von Bernſtein gefertigt werden, kommt man end-
lich nach Tophane, dem Viertel der Artilleriſten. Die von
dem jetzigen Großherrn erbaute Moſchee Nusrethieh (die
Siegreiche) zeichnet ſich aus durch ihre beiden Minarehs,
die hundert Fuß hoch ſind, und deren unterer Durchmeſſer
doch nicht uͤber neun Fuß mißt. Wie gut muͤſſen ſolche
ſchlanke Thuͤrme gebaut ſein, um Stuͤrmen, oft auch Erd-
beben, widerſtehen zu koͤnnen. Jm Vorhof, der mit ſchoͤ-
nen Saͤulen umgeben iſt, waſchen, trotz der kalten Wit-
terung, in langen Reihen von Waſſerbecken die andaͤchtigen
Moslems Geſicht, Haͤnde und Fuͤße, denn ſonſt wird das
Gebet nicht acceptirt. Nach dieſer etwas friſchen Proce-
dur kniet der Glaͤubige, das Geſicht gegen Mekka gewen-
det, nieder, ſagt ſeinen Spruch, zieht ſeine Stiefeln an,
und geht davon. Nahebei iſt die große Moſchee Kilidſch-
Aly. Jn dem ſchoͤnen Vorhof befinden ſich Kauflaͤden mit
artigen Sachen. Unter einem Bogen ſitzt ein tuͤrkiſcher
Briefſchreiber, ein Stuͤck Pergament auf dem Knie und
eine Rohrfeder in der Hand. Frauen in weiten Maͤnteln
und gelben Pantoffeln, das Geſicht bis auf die Augen ver-
huͤllt, erzaͤhlen ihm mit lebhaften Gebehrden ihr Anliegen,
und mit regungsloſen Zuͤgen ſchreibt der Tuͤrke das Geheim-
niß des Harems, eine Prozeßangelegenheit, eine Bittſchrift
an den Sultan, oder eine Trauerpoſt, faltet das Blatt kuͤnſt-
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/36>, abgerufen am 03.12.2024.
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