Mommsen, Theodor: Auch ein Wort über unser Judenthum. Berlin, 1880.eine Besserung der bezeichneten Schäden zu erwarten. Darin Ohne Zweifel hat Herr v. Treitschke diese Wogen und diesen eine Beſſerung der bezeichneten Schäden zu erwarten. Darin Ohne Zweifel hat Herr v. Treitſchke dieſe Wogen und dieſen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0011" n="11"/> <p> eine Beſſerung der bezeichneten Schäden zu erwarten. Darin<lb/> vor allem liegt das arge Unrecht und der unermeßliche Schaden,<lb/> den Herr v. Treitſchke mit ſeinen Judenartikeln angerichtet hat.<lb/> Jene Worte von den hoſenverkaufenden Jünglingen und den<lb/> Männern aus den Kreiſen der höchſten Bildung, aus deren Munde<lb/> der Ruf ertönt „die Juden ſind unſer Unglück“ — ja es iſt einge-<lb/> troffen, was Herr v. Treitſchke vorausſah, daß dieſe „verſöhnenden<lb/> Worte“ mißverſtanden worden ſind. Gewiß waren ſie ſehr wohl-<lb/> gemeint; gewiß liegt den einzelnen Klagen, die dort erhoben werden,<lb/> vielfach Wahres zu Grunde; gewiß ſind härtere Anklagen gegen<lb/> die Juden tauſendmal ungehört verhallt. Aber wenn die Empfin-<lb/> dung der Verſchiedenheit dieſes Theils der deutſchen Bürgerſchaft<lb/> von der großen Majorität bis dahin niedergehalten worden war<lb/> durch das ſtarke Pflichtgefühl des beſſern Theils der Nation, welche<lb/> es nicht bloß wußte, daß gleiche Pflicht auch gleiches Recht fordert,<lb/> ſondern auch davon die thatſächlichen Conſequenzen zog, ſo ſah<lb/> ſich dieſe Empfindung nun durch Herrn v. Treitſchke proclamirt<lb/> als die „natürliche Reaction des germaniſchen Volksgefühls gegen<lb/> ein fremdes Element“, als „der Ausbruch eines tiefen lang ver-<lb/> haltenen Zornes.“ Das ſprach Herr v. Treitſchke aus, der Mann,<lb/> dem unter allen ihren Schrifſtellern die deutſche Nation in ihren<lb/> letzten großen Kriſen den meiſten Dank ſchuldet, deſſen Feder eines<lb/> der beſten Schwerter war und iſt in dem gewendeten, aber nicht<lb/> beendeten Kampfe gegen den alten Erbfeind der Nation, den Par-<lb/> ticularismus. Was er ſagte, war damit anſtändig gemacht. Daher<lb/> die Bombenwirkung jener Artikel, die wir alle mit Augen geſehen<lb/> haben. Der Kappzaum der Scham war dieſer „tiefen und ſtarken<lb/> Bewegung“ abgenommen; und jetzt ſchlagen die Wogen und ſpritzt<lb/> der Schaum.<lb/></p> <p> Ohne Zweifel hat Herr v. Treitſchke dieſe Wogen und dieſen<lb/> Schaum nicht gewollt, und es fällt mir nicht ein, ihn für die ein-<lb/> zelnen Folgen ſeines Auftretens verantwortlich zu machen. Aber<lb/> die Frage iſt doch unerläßlich: was hat er gewollt? Jene „tiefe<lb/> und ſtarke Bewegung“ hatte doch wohl irgend einen Zweck? Herr<lb/> v. Treitſchke iſt ein redegewaltiger Mann; aber er ſelbſt hat doch<lb/> wohl kaum geglaubt, daß auf ſeine Allocution hin die Juden nun,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [11/0011]
eine Beſſerung der bezeichneten Schäden zu erwarten. Darin
vor allem liegt das arge Unrecht und der unermeßliche Schaden,
den Herr v. Treitſchke mit ſeinen Judenartikeln angerichtet hat.
Jene Worte von den hoſenverkaufenden Jünglingen und den
Männern aus den Kreiſen der höchſten Bildung, aus deren Munde
der Ruf ertönt „die Juden ſind unſer Unglück“ — ja es iſt einge-
troffen, was Herr v. Treitſchke vorausſah, daß dieſe „verſöhnenden
Worte“ mißverſtanden worden ſind. Gewiß waren ſie ſehr wohl-
gemeint; gewiß liegt den einzelnen Klagen, die dort erhoben werden,
vielfach Wahres zu Grunde; gewiß ſind härtere Anklagen gegen
die Juden tauſendmal ungehört verhallt. Aber wenn die Empfin-
dung der Verſchiedenheit dieſes Theils der deutſchen Bürgerſchaft
von der großen Majorität bis dahin niedergehalten worden war
durch das ſtarke Pflichtgefühl des beſſern Theils der Nation, welche
es nicht bloß wußte, daß gleiche Pflicht auch gleiches Recht fordert,
ſondern auch davon die thatſächlichen Conſequenzen zog, ſo ſah
ſich dieſe Empfindung nun durch Herrn v. Treitſchke proclamirt
als die „natürliche Reaction des germaniſchen Volksgefühls gegen
ein fremdes Element“, als „der Ausbruch eines tiefen lang ver-
haltenen Zornes.“ Das ſprach Herr v. Treitſchke aus, der Mann,
dem unter allen ihren Schrifſtellern die deutſche Nation in ihren
letzten großen Kriſen den meiſten Dank ſchuldet, deſſen Feder eines
der beſten Schwerter war und iſt in dem gewendeten, aber nicht
beendeten Kampfe gegen den alten Erbfeind der Nation, den Par-
ticularismus. Was er ſagte, war damit anſtändig gemacht. Daher
die Bombenwirkung jener Artikel, die wir alle mit Augen geſehen
haben. Der Kappzaum der Scham war dieſer „tiefen und ſtarken
Bewegung“ abgenommen; und jetzt ſchlagen die Wogen und ſpritzt
der Schaum.
Ohne Zweifel hat Herr v. Treitſchke dieſe Wogen und dieſen
Schaum nicht gewollt, und es fällt mir nicht ein, ihn für die ein-
zelnen Folgen ſeines Auftretens verantwortlich zu machen. Aber
die Frage iſt doch unerläßlich: was hat er gewollt? Jene „tiefe
und ſtarke Bewegung“ hatte doch wohl irgend einen Zweck? Herr
v. Treitſchke iſt ein redegewaltiger Mann; aber er ſelbſt hat doch
wohl kaum geglaubt, daß auf ſeine Allocution hin die Juden nun,
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