Mommsen, Theodor: Auch ein Wort über unser Judenthum. Berlin, 1880.Form zu finden wissen, die der verständige Jude hinnehmen kann. "Von einer Zurücknahme oder auch nur einer Schmälerung der Form zu finden wiſſen, die der verſtändige Jude hinnehmen kann. „Von einer Zurücknahme oder auch nur einer Schmälerung der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0013" n="13"/> <p> Form zu finden wiſſen, die der verſtändige Jude hinnehmen kann.<lb/> Auch das Niederhalten des ſchlimmen Treibens gewiſſer jüdiſcher<lb/> Elemente verträgt ſich vollſtändig mit der Schonung und der<lb/> Rückſicht, auf welche der unbeſcholtene jüdiſche Mitbürger genau<lb/> ſo viel Anrecht hat wie der chriſtliche. Der jüdiſche Wucher iſt keine<lb/> Fabel; und hoffentlich wird das neue Wuchergeſetz ihm ſoweit ſteuern,<lb/> als überhaupt den verbrecheriſchen oder auch nur gemeingefährlichen<lb/> Handlungen von Staatswegen geſteuert werden kann. Wenn der<lb/> Jude wie der Judenfreund dies lebhaft wünſchen, ſo wird hoffent-<lb/> lich auch der eifrige Antiſemit nichts dagegen haben, wenn bei dieſer<lb/> Gelegenheit es auch einem chriſtlichen Blutſauger ſchlecht geht. Ferner<lb/> wird es gut ſein, ſich zu erinnern, daß im Land Aegypten der<lb/> Wucher keineswegs aufhörte, als König Pharao die Judenfrage in<lb/> radicaler Weiſe gelöſt hatte.<lb/></p> <p> „Von einer Zurücknahme oder auch nur einer Schmälerung der<lb/> vollzogenen Emancipation kann unter Verſtändigen gar nicht die<lb/> Rede ſein“, ſagt Herr v. Treitſchke; „ſie wäre ein offenbares<lb/> Unrecht“. Schlimm genug, daß man dergleichen ſchon ſagen muß!<lb/> Aber was die ſog. Antiſemitenpetition der Herren Zöllner und Ge-<lb/> noſſen erbittet, iſt ſchlimmer als ein offenbares Unrecht; es iſt<lb/> ein heimliches und tückiſch verdecktes. Die Juden ſollen, wenn<lb/> Fürſt Biſmarck nach Herrn Zöllners unmaßgeblicher Anſicht<lb/> die Nation reformirt, von allen obrigkeitlichen (autoritativen)<lb/> Stellungen ausgeſchloſſen werden und ihre Verwendung im Juſtiz-<lb/> dienſt, namentlich als Einzelrichter, eine „angemeſſene Beſchränkung“<lb/> erfahren; und das Begleitſchreiben macht den Fürſten darauf auf-<lb/> merkſam, daß die Staatsregierung im Stande ſei, dieſe Bitte<lb/> lediglich auf dem Wege der Verwaltung ohne jede Zuziehung der<lb/> geſetzgebenden Factoren zu gewähren. Alſo hiernach ſteht es den Juden<lb/> auch ferner frei, die Rechte zu ſtudiren und die Prüfungen zu ab-<lb/> ſolviren, nur angeſtellt können ſie nicht werden. Eine Rechts-<lb/> ſchmälerung iſt es freilich nicht, wenn das Recht bleibt wie es iſt<lb/> — nur daß davon kein Gebrauch gemacht werden kann; ein guter<lb/> Beitrag zu der römiſchen Lehre vom <hi rendition="#aq">nudum jus</hi> und zu der cultur-<lb/> hiſtoriſch intereſſanten Unterſuchung über die Gewiſſensweite der<lb/> neu-germaniſchen Orthodoxen. Sind die preußiſchen Univerſitäten,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [13/0013]
Form zu finden wiſſen, die der verſtändige Jude hinnehmen kann.
Auch das Niederhalten des ſchlimmen Treibens gewiſſer jüdiſcher
Elemente verträgt ſich vollſtändig mit der Schonung und der
Rückſicht, auf welche der unbeſcholtene jüdiſche Mitbürger genau
ſo viel Anrecht hat wie der chriſtliche. Der jüdiſche Wucher iſt keine
Fabel; und hoffentlich wird das neue Wuchergeſetz ihm ſoweit ſteuern,
als überhaupt den verbrecheriſchen oder auch nur gemeingefährlichen
Handlungen von Staatswegen geſteuert werden kann. Wenn der
Jude wie der Judenfreund dies lebhaft wünſchen, ſo wird hoffent-
lich auch der eifrige Antiſemit nichts dagegen haben, wenn bei dieſer
Gelegenheit es auch einem chriſtlichen Blutſauger ſchlecht geht. Ferner
wird es gut ſein, ſich zu erinnern, daß im Land Aegypten der
Wucher keineswegs aufhörte, als König Pharao die Judenfrage in
radicaler Weiſe gelöſt hatte.
„Von einer Zurücknahme oder auch nur einer Schmälerung der
vollzogenen Emancipation kann unter Verſtändigen gar nicht die
Rede ſein“, ſagt Herr v. Treitſchke; „ſie wäre ein offenbares
Unrecht“. Schlimm genug, daß man dergleichen ſchon ſagen muß!
Aber was die ſog. Antiſemitenpetition der Herren Zöllner und Ge-
noſſen erbittet, iſt ſchlimmer als ein offenbares Unrecht; es iſt
ein heimliches und tückiſch verdecktes. Die Juden ſollen, wenn
Fürſt Biſmarck nach Herrn Zöllners unmaßgeblicher Anſicht
die Nation reformirt, von allen obrigkeitlichen (autoritativen)
Stellungen ausgeſchloſſen werden und ihre Verwendung im Juſtiz-
dienſt, namentlich als Einzelrichter, eine „angemeſſene Beſchränkung“
erfahren; und das Begleitſchreiben macht den Fürſten darauf auf-
merkſam, daß die Staatsregierung im Stande ſei, dieſe Bitte
lediglich auf dem Wege der Verwaltung ohne jede Zuziehung der
geſetzgebenden Factoren zu gewähren. Alſo hiernach ſteht es den Juden
auch ferner frei, die Rechte zu ſtudiren und die Prüfungen zu ab-
ſolviren, nur angeſtellt können ſie nicht werden. Eine Rechts-
ſchmälerung iſt es freilich nicht, wenn das Recht bleibt wie es iſt
— nur daß davon kein Gebrauch gemacht werden kann; ein guter
Beitrag zu der römiſchen Lehre vom nudum jus und zu der cultur-
hiſtoriſch intereſſanten Unterſuchung über die Gewiſſensweite der
neu-germaniſchen Orthodoxen. Sind die preußiſchen Univerſitäten,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |