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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL V.
dies nicht genug, so erschien gleich nach der Schlacht die Rei-
terei des ariminensischen Heeres unter Gaius Centenius, 4000
Mann stark, die Gnaeus Servilius vorläufig seinem Collegen zu
Hülfe sandte, selber langsam nachrückend. Auch dies Corps
ward umzingelt und theils niedergemacht, theils gefangen. Ganz
Etrurien war verloren und ungehindert konnte Hannibal auf
Rom marschiren. Dort machte man sich auf das Aeusserste ge-
gefasst; man brach die Tiberbrücken ab und ernannte den Quin-
tus Fabius Maximus zum Dictator um die Mauern in Stand zu
setzen und die Vertheidigung zu leiten, für welche ein Reserve-
heer gebildet ward. Zugleich wurden zwei neue Legionen anstatt
der vernichteten unter die Waffen gerufen und die Flotte, die
im Fall einer Belagerung wichtig werden konnte, in Stand gesetzt.

Allein Hannibal sah weiter als König Pyrrhos. Er mar-
schirte nicht auf Rom; auch nicht gegen Gnaeus Servilius,
der, ein tüchtiger Feldherr, seine Armee mit Hülfe der Festun-
gen an der Nordstrasse auch jetzt unversehrt erhalten und
vielleicht den Gegner sich gegenüber festgehalten haben würde.
Es geschah wieder einmal etwas ganz Unerwartetes. An der
Festung Spoletium vorbei, deren Ueberrumpelung fehlschlug,
marschirte Hannibal durch Umbrien, verheerte entsetzlich das
ganz mit römischen Bauerhöfen bedeckte picenische Gebiet
und machte Halt an den Ufern des adriatischen Meeres. Hier
hielt er eine längere Rast, um in der anmuthigen Gegend
und der schönen Jahreszeit sein Heer sich erholen zu lassen,
in dem Menschen und Pferde noch nicht die Nachwehen der
Frühlingscampagne verwunden hatten, und sein libysches Fuss-
volk in römischer Weise zu reorganisiren, wozu die Masse
der erbeuteten römischen Waffen ihm die Mittel darbot. Von
hier aus knüpfte er ferner die lange unterbrochenen Verbin-
dungen mit der Heimath wieder an, indem er zu Wasser seine
Siegesbotschaften nach Karthago sandte. Endlich als sein
Heer hinreichend sich wieder hergestellt hatte und der neue
Waffendienst genugsam geübt war, brach er auf und mar-
schirte langsam an der Küste hinab in das südliche Italien
hinein. -- Er hatte richtig gerechnet, als er zu dieser Umge-
staltung der Infanterie sich jetzt entschloss; die Ueberraschung
der beständig eines Angriffs auf die Hauptstadt gewärtigen
Gegner liess ihm mindestens vier Wochen ungestörter Musse
zur Verwirklichung des beispiellos verwegenen Experiments
im Herzen des feindlichen Landes mit einer noch immer ver-
hältnissmässig geringen Armee sein militärisches System voll-

DRITTES BUCH. KAPITEL V.
dies nicht genug, so erschien gleich nach der Schlacht die Rei-
terei des ariminensischen Heeres unter Gaius Centenius, 4000
Mann stark, die Gnaeus Servilius vorläufig seinem Collegen zu
Hülfe sandte, selber langsam nachrückend. Auch dies Corps
ward umzingelt und theils niedergemacht, theils gefangen. Ganz
Etrurien war verloren und ungehindert konnte Hannibal auf
Rom marschiren. Dort machte man sich auf das Aeuſserste ge-
gefaſst; man brach die Tiberbrücken ab und ernannte den Quin-
tus Fabius Maximus zum Dictator um die Mauern in Stand zu
setzen und die Vertheidigung zu leiten, für welche ein Reserve-
heer gebildet ward. Zugleich wurden zwei neue Legionen anstatt
der vernichteten unter die Waffen gerufen und die Flotte, die
im Fall einer Belagerung wichtig werden konnte, in Stand gesetzt.

Allein Hannibal sah weiter als König Pyrrhos. Er mar-
schirte nicht auf Rom; auch nicht gegen Gnaeus Servilius,
der, ein tüchtiger Feldherr, seine Armee mit Hülfe der Festun-
gen an der Nordstraſse auch jetzt unversehrt erhalten und
vielleicht den Gegner sich gegenüber festgehalten haben würde.
Es geschah wieder einmal etwas ganz Unerwartetes. An der
Festung Spoletium vorbei, deren Ueberrumpelung fehlschlug,
marschirte Hannibal durch Umbrien, verheerte entsetzlich das
ganz mit römischen Bauerhöfen bedeckte picenische Gebiet
und machte Halt an den Ufern des adriatischen Meeres. Hier
hielt er eine längere Rast, um in der anmuthigen Gegend
und der schönen Jahreszeit sein Heer sich erholen zu lassen,
in dem Menschen und Pferde noch nicht die Nachwehen der
Frühlingscampagne verwunden hatten, und sein libysches Fuſs-
volk in römischer Weise zu reorganisiren, wozu die Masse
der erbeuteten römischen Waffen ihm die Mittel darbot. Von
hier aus knüpfte er ferner die lange unterbrochenen Verbin-
dungen mit der Heimath wieder an, indem er zu Wasser seine
Siegesbotschaften nach Karthago sandte. Endlich als sein
Heer hinreichend sich wieder hergestellt hatte und der neue
Waffendienst genugsam geübt war, brach er auf und mar-
schirte langsam an der Küste hinab in das südliche Italien
hinein. — Er hatte richtig gerechnet, als er zu dieser Umge-
staltung der Infanterie sich jetzt entschloſs; die Ueberraschung
der beständig eines Angriffs auf die Hauptstadt gewärtigen
Gegner lieſs ihm mindestens vier Wochen ungestörter Muſse
zur Verwirklichung des beispiellos verwegenen Experiments
im Herzen des feindlichen Landes mit einer noch immer ver-
hältniſsmäſsig geringen Armee sein militärisches System voll-

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[416/0430] DRITTES BUCH. KAPITEL V. dies nicht genug, so erschien gleich nach der Schlacht die Rei- terei des ariminensischen Heeres unter Gaius Centenius, 4000 Mann stark, die Gnaeus Servilius vorläufig seinem Collegen zu Hülfe sandte, selber langsam nachrückend. Auch dies Corps ward umzingelt und theils niedergemacht, theils gefangen. Ganz Etrurien war verloren und ungehindert konnte Hannibal auf Rom marschiren. Dort machte man sich auf das Aeuſserste ge- gefaſst; man brach die Tiberbrücken ab und ernannte den Quin- tus Fabius Maximus zum Dictator um die Mauern in Stand zu setzen und die Vertheidigung zu leiten, für welche ein Reserve- heer gebildet ward. Zugleich wurden zwei neue Legionen anstatt der vernichteten unter die Waffen gerufen und die Flotte, die im Fall einer Belagerung wichtig werden konnte, in Stand gesetzt. Allein Hannibal sah weiter als König Pyrrhos. Er mar- schirte nicht auf Rom; auch nicht gegen Gnaeus Servilius, der, ein tüchtiger Feldherr, seine Armee mit Hülfe der Festun- gen an der Nordstraſse auch jetzt unversehrt erhalten und vielleicht den Gegner sich gegenüber festgehalten haben würde. Es geschah wieder einmal etwas ganz Unerwartetes. An der Festung Spoletium vorbei, deren Ueberrumpelung fehlschlug, marschirte Hannibal durch Umbrien, verheerte entsetzlich das ganz mit römischen Bauerhöfen bedeckte picenische Gebiet und machte Halt an den Ufern des adriatischen Meeres. Hier hielt er eine längere Rast, um in der anmuthigen Gegend und der schönen Jahreszeit sein Heer sich erholen zu lassen, in dem Menschen und Pferde noch nicht die Nachwehen der Frühlingscampagne verwunden hatten, und sein libysches Fuſs- volk in römischer Weise zu reorganisiren, wozu die Masse der erbeuteten römischen Waffen ihm die Mittel darbot. Von hier aus knüpfte er ferner die lange unterbrochenen Verbin- dungen mit der Heimath wieder an, indem er zu Wasser seine Siegesbotschaften nach Karthago sandte. Endlich als sein Heer hinreichend sich wieder hergestellt hatte und der neue Waffendienst genugsam geübt war, brach er auf und mar- schirte langsam an der Küste hinab in das südliche Italien hinein. — Er hatte richtig gerechnet, als er zu dieser Umge- staltung der Infanterie sich jetzt entschloſs; die Ueberraschung der beständig eines Angriffs auf die Hauptstadt gewärtigen Gegner lieſs ihm mindestens vier Wochen ungestörter Muſse zur Verwirklichung des beispiellos verwegenen Experiments im Herzen des feindlichen Landes mit einer noch immer ver- hältniſsmäſsig geringen Armee sein militärisches System voll-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/430>, abgerufen am 24.11.2024.