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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL V.
Flotte bei Lilybaeon, die schon mit dem zweiten bei den
aegatischen Inseln postirten karthagischen Geschwader zu thun
gehabt, ward auf einmal sehr bedenklich, während zugleich die
in Rom zur Einschiffung nach Sicilien bereitstehende Mannschaft
in Folge der cannensischen Niederlage für andere und drin-
gendere Erfordernisse verwendet werden musste. -- Was aber
vor allem entscheidend war, jetzt endlich begann das Gebäude
der römischen Eidgenossenschaft aus den Fugen zu weichen,
nachdem es die Stösse zweier schwerer Kriegsjahre uner-
schüttert überstanden hatte. Es traten auf Hannibals Seite
Arpi in Apulien und Uzentum in Messapien, zwei alte durch
die römischen Colonien Luceria und Brundisium schwer be-
einträchtigte Städte; die Brettier -- diese zuerst von allen --
mit Ausnahme der Peteliner und der Consentiner, die erst
belagert werden mussten; die Lucaner grösstentheils; die in
die Gegend von Salernum verpflanzten Picenter; die Hirpiner;
die Samniten mit Ausnahme der Pentrer; endlich und vor-
nämlich Capua, die zweite Stadt Italiens, die 30000 Mann zu
Fuss und 4000 Berittene ins Feld zu stellen vermochte und
deren Uebertritt den der Nachbarstädte Atella und Calatia
entschied. Freilich erfolgte der Parteiwechsel überall und
namentlich in Capua erst nach hartnäckigen inneren Kämpfen,
indem die vielfach an das römische Interesse gefesselte Adels-
partei demselben sehr ernstlich widerstrebte. Hannibal sah
sich zum Beispiel genöthigt einen der Führer der campani-
schen Adelspartei, den Decius Magius, der noch nach dem
Einrücken der Punier hartnäckig das römische Bündniss ver-
focht, festnehmen und nach Karthago abführen zu lassen; um
so den ihm selbst sehr ungelegenen Beweis zu liefern, was
es auf sich habe mit der von dem karthagischen Feldherrn
so eben den Campanern feierlich zugesicherten Freiheit und
Souveränetät. Dagegen hielten die süditalischen Griechen fest
am römischen Bündniss, wobei die römischen Besatzungen
freilich auch das Ihrige thaten, aber mehr noch der sehr ent-
schiedene Widerwille gegen das phoenikische Wesen und des-
sen neue lucanische und brettische Bundesgenossen und die
Anhänglichkeit an Rom, das jede Gelegenheit seinen Helle-
nismus zu bethätigen eifrig benutzt und gegen die Griechen
in Italien eine ungewohnte Milde gezeigt hatte. So wider-
standen die campanischen Griechen, namentlich Neapel, muthig
Hannibals eigenem Angriff; dasselbe thaten in Grossgriechen-
land trotz ihrer sehr gefährdeten Stellung Rhegion, Thurii,

DRITTES BUCH. KAPITEL V.
Flotte bei Lilybaeon, die schon mit dem zweiten bei den
aegatischen Inseln postirten karthagischen Geschwader zu thun
gehabt, ward auf einmal sehr bedenklich, während zugleich die
in Rom zur Einschiffung nach Sicilien bereitstehende Mannschaft
in Folge der cannensischen Niederlage für andere und drin-
gendere Erfordernisse verwendet werden muſste. — Was aber
vor allem entscheidend war, jetzt endlich begann das Gebäude
der römischen Eidgenossenschaft aus den Fugen zu weichen,
nachdem es die Stöſse zweier schwerer Kriegsjahre uner-
schüttert überstanden hatte. Es traten auf Hannibals Seite
Arpi in Apulien und Uzentum in Messapien, zwei alte durch
die römischen Colonien Luceria und Brundisium schwer be-
einträchtigte Städte; die Brettier — diese zuerst von allen —
mit Ausnahme der Peteliner und der Consentiner, die erst
belagert werden muſsten; die Lucaner gröſstentheils; die in
die Gegend von Salernum verpflanzten Picenter; die Hirpiner;
die Samniten mit Ausnahme der Pentrer; endlich und vor-
nämlich Capua, die zweite Stadt Italiens, die 30000 Mann zu
Fuſs und 4000 Berittene ins Feld zu stellen vermochte und
deren Uebertritt den der Nachbarstädte Atella und Calatia
entschied. Freilich erfolgte der Parteiwechsel überall und
namentlich in Capua erst nach hartnäckigen inneren Kämpfen,
indem die vielfach an das römische Interesse gefesselte Adels-
partei demselben sehr ernstlich widerstrebte. Hannibal sah
sich zum Beispiel genöthigt einen der Führer der campani-
schen Adelspartei, den Decius Magius, der noch nach dem
Einrücken der Punier hartnäckig das römische Bündniſs ver-
focht, festnehmen und nach Karthago abführen zu lassen; um
so den ihm selbst sehr ungelegenen Beweis zu liefern, was
es auf sich habe mit der von dem karthagischen Feldherrn
so eben den Campanern feierlich zugesicherten Freiheit und
Souveränetät. Dagegen hielten die süditalischen Griechen fest
am römischen Bündniſs, wobei die römischen Besatzungen
freilich auch das Ihrige thaten, aber mehr noch der sehr ent-
schiedene Widerwille gegen das phoenikische Wesen und des-
sen neue lucanische und brettische Bundesgenossen und die
Anhänglichkeit an Rom, das jede Gelegenheit seinen Helle-
nismus zu bethätigen eifrig benutzt und gegen die Griechen
in Italien eine ungewohnte Milde gezeigt hatte. So wider-
standen die campanischen Griechen, namentlich Neapel, muthig
Hannibals eigenem Angriff; dasselbe thaten in Groſsgriechen-
land trotz ihrer sehr gefährdeten Stellung Rhegion, Thurii,

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[426/0440] DRITTES BUCH. KAPITEL V. Flotte bei Lilybaeon, die schon mit dem zweiten bei den aegatischen Inseln postirten karthagischen Geschwader zu thun gehabt, ward auf einmal sehr bedenklich, während zugleich die in Rom zur Einschiffung nach Sicilien bereitstehende Mannschaft in Folge der cannensischen Niederlage für andere und drin- gendere Erfordernisse verwendet werden muſste. — Was aber vor allem entscheidend war, jetzt endlich begann das Gebäude der römischen Eidgenossenschaft aus den Fugen zu weichen, nachdem es die Stöſse zweier schwerer Kriegsjahre uner- schüttert überstanden hatte. Es traten auf Hannibals Seite Arpi in Apulien und Uzentum in Messapien, zwei alte durch die römischen Colonien Luceria und Brundisium schwer be- einträchtigte Städte; die Brettier — diese zuerst von allen — mit Ausnahme der Peteliner und der Consentiner, die erst belagert werden muſsten; die Lucaner gröſstentheils; die in die Gegend von Salernum verpflanzten Picenter; die Hirpiner; die Samniten mit Ausnahme der Pentrer; endlich und vor- nämlich Capua, die zweite Stadt Italiens, die 30000 Mann zu Fuſs und 4000 Berittene ins Feld zu stellen vermochte und deren Uebertritt den der Nachbarstädte Atella und Calatia entschied. Freilich erfolgte der Parteiwechsel überall und namentlich in Capua erst nach hartnäckigen inneren Kämpfen, indem die vielfach an das römische Interesse gefesselte Adels- partei demselben sehr ernstlich widerstrebte. Hannibal sah sich zum Beispiel genöthigt einen der Führer der campani- schen Adelspartei, den Decius Magius, der noch nach dem Einrücken der Punier hartnäckig das römische Bündniſs ver- focht, festnehmen und nach Karthago abführen zu lassen; um so den ihm selbst sehr ungelegenen Beweis zu liefern, was es auf sich habe mit der von dem karthagischen Feldherrn so eben den Campanern feierlich zugesicherten Freiheit und Souveränetät. Dagegen hielten die süditalischen Griechen fest am römischen Bündniſs, wobei die römischen Besatzungen freilich auch das Ihrige thaten, aber mehr noch der sehr ent- schiedene Widerwille gegen das phoenikische Wesen und des- sen neue lucanische und brettische Bundesgenossen und die Anhänglichkeit an Rom, das jede Gelegenheit seinen Helle- nismus zu bethätigen eifrig benutzt und gegen die Griechen in Italien eine ungewohnte Milde gezeigt hatte. So wider- standen die campanischen Griechen, namentlich Neapel, muthig Hannibals eigenem Angriff; dasselbe thaten in Groſsgriechen- land trotz ihrer sehr gefährdeten Stellung Rhegion, Thurii,

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/440>, abgerufen am 24.11.2024.