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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL VI.
der Volks- und der Senatspartei wegen des Anschlusses an
die Punier oder an die Römer. Benachrichtigt, dass die er-
stere die Oberhand gewinne, ging Marcellus bei Caiatia über
den Fluss und an den Höhen von Suessula hin um die feind-
liche Armee herum marschirend, erreichte er Nola früh genug
um es gegen die äusseren und die inneren Feinde zu be-
haupten, ja bei einem Ausfall schlug er Hannibal selber mit
namhaftem Verlust zurück; ein Erfolg, der als die erste
Niederlage, die Hannibal erlitten, moralisch von weit grösserer
Bedeutung war als durch seine materiellen Resultate. Zwar
wurden in Campanien Nuceria, Acerrae und nach einer hart-
näckigen bis ins folgende Jahr (539) sich hinziehenden Be-
lagerung auch der Schlüssel der Volturnuslinie, Casilinum von
Hannibal erobert und über die Senate dieser Städte, die zu Rom
gehalten hatten, die schwersten Blutgerichte verhängt. Aber
das Entsetzen macht schlechte Propaganda; es gelang den Rö-
mern mit verhältnissmässig geringer Einbusse den gefährlichen
Moment der ersten Schwäche zu überwinden. Der Krieg kam
in Campanien zum Stehen, bis der Winter einbrach und
Hannibal in Capua Quartier nahm, durch dessen Ueppigkeit
seine seit drei Jahren nicht unter Dach gekommenen Truppen
keineswegs gewannen. Im nächsten Jahre (539) erhielt der
Krieg schon ein ganz anderes Aussehen. Die beiden im vor-
jährigen Feldzug erprobten Feldherrn, Marcus Marcellus, der
Retter von Nola, und Tiberius Sempronius Gracchus, der sich als
Reiterführer des Dictators ausgezeichnet hatte, ferner der alte
Quintus Fabius Maximus traten, Marcellus als Proconsul, die
beiden andern als Consuln, an die Spitze der drei römischen
Heere, welche bestimmt waren Capua und Hannibal zu um-
ringen; Marcellus auf Nola und Suessula gestützt, Maximus am
rechten Ufer des Volturnus bei Cales sich aufstellend, Gracchus
an der Küste, wo er Neapel und Cumae deckend bei Liternum
Stellung nahm. Die Campaner, welche nach Hamae drei Mig-
lien von Cumae ausrückten um die Cumaner zu überrumpeln,
wurden von Gracchus nachdrücklich geschlagen; Hannibal, der,
um die Scharte auszuwetzen, vor Cumae erschienen war, zog
selbst in einem Gefecht den Kürzern, und kehrte, da die von
ihm angebotene Hauptschlacht verweigert ward, unmuthig nach
Capua zurück. Während so die Römer in Campanien nicht
bloss behaupteten was sie besassen, sondern auch Comhulteria
und andere kleinere Plätze wieder gewannen, erschollen von
Hannibals östlichen Verbündeten laute Klagen. Ein römisches

DRITTES BUCH. KAPITEL VI.
der Volks- und der Senatspartei wegen des Anschlusses an
die Punier oder an die Römer. Benachrichtigt, daſs die er-
stere die Oberhand gewinne, ging Marcellus bei Caiatia über
den Fluſs und an den Höhen von Suessula hin um die feind-
liche Armee herum marschirend, erreichte er Nola früh genug
um es gegen die äuſseren und die inneren Feinde zu be-
haupten, ja bei einem Ausfall schlug er Hannibal selber mit
namhaftem Verlust zurück; ein Erfolg, der als die erste
Niederlage, die Hannibal erlitten, moralisch von weit gröſserer
Bedeutung war als durch seine materiellen Resultate. Zwar
wurden in Campanien Nuceria, Acerrae und nach einer hart-
näckigen bis ins folgende Jahr (539) sich hinziehenden Be-
lagerung auch der Schlüssel der Volturnuslinie, Casilinum von
Hannibal erobert und über die Senate dieser Städte, die zu Rom
gehalten hatten, die schwersten Blutgerichte verhängt. Aber
das Entsetzen macht schlechte Propaganda; es gelang den Rö-
mern mit verhältniſsmäſsig geringer Einbuſse den gefährlichen
Moment der ersten Schwäche zu überwinden. Der Krieg kam
in Campanien zum Stehen, bis der Winter einbrach und
Hannibal in Capua Quartier nahm, durch dessen Ueppigkeit
seine seit drei Jahren nicht unter Dach gekommenen Truppen
keineswegs gewannen. Im nächsten Jahre (539) erhielt der
Krieg schon ein ganz anderes Aussehen. Die beiden im vor-
jährigen Feldzug erprobten Feldherrn, Marcus Marcellus, der
Retter von Nola, und Tiberius Sempronius Gracchus, der sich als
Reiterführer des Dictators ausgezeichnet hatte, ferner der alte
Quintus Fabius Maximus traten, Marcellus als Proconsul, die
beiden andern als Consuln, an die Spitze der drei römischen
Heere, welche bestimmt waren Capua und Hannibal zu um-
ringen; Marcellus auf Nola und Suessula gestützt, Maximus am
rechten Ufer des Volturnus bei Cales sich aufstellend, Gracchus
an der Küste, wo er Neapel und Cumae deckend bei Liternum
Stellung nahm. Die Campaner, welche nach Hamae drei Mig-
lien von Cumae ausrückten um die Cumaner zu überrumpeln,
wurden von Gracchus nachdrücklich geschlagen; Hannibal, der,
um die Scharte auszuwetzen, vor Cumae erschienen war, zog
selbst in einem Gefecht den Kürzern, und kehrte, da die von
ihm angebotene Hauptschlacht verweigert ward, unmuthig nach
Capua zurück. Während so die Römer in Campanien nicht
bloſs behaupteten was sie besaſsen, sondern auch Comhulteria
und andere kleinere Plätze wieder gewannen, erschollen von
Hannibals östlichen Verbündeten laute Klagen. Ein römisches

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[434/0448] DRITTES BUCH. KAPITEL VI. der Volks- und der Senatspartei wegen des Anschlusses an die Punier oder an die Römer. Benachrichtigt, daſs die er- stere die Oberhand gewinne, ging Marcellus bei Caiatia über den Fluſs und an den Höhen von Suessula hin um die feind- liche Armee herum marschirend, erreichte er Nola früh genug um es gegen die äuſseren und die inneren Feinde zu be- haupten, ja bei einem Ausfall schlug er Hannibal selber mit namhaftem Verlust zurück; ein Erfolg, der als die erste Niederlage, die Hannibal erlitten, moralisch von weit gröſserer Bedeutung war als durch seine materiellen Resultate. Zwar wurden in Campanien Nuceria, Acerrae und nach einer hart- näckigen bis ins folgende Jahr (539) sich hinziehenden Be- lagerung auch der Schlüssel der Volturnuslinie, Casilinum von Hannibal erobert und über die Senate dieser Städte, die zu Rom gehalten hatten, die schwersten Blutgerichte verhängt. Aber das Entsetzen macht schlechte Propaganda; es gelang den Rö- mern mit verhältniſsmäſsig geringer Einbuſse den gefährlichen Moment der ersten Schwäche zu überwinden. Der Krieg kam in Campanien zum Stehen, bis der Winter einbrach und Hannibal in Capua Quartier nahm, durch dessen Ueppigkeit seine seit drei Jahren nicht unter Dach gekommenen Truppen keineswegs gewannen. Im nächsten Jahre (539) erhielt der Krieg schon ein ganz anderes Aussehen. Die beiden im vor- jährigen Feldzug erprobten Feldherrn, Marcus Marcellus, der Retter von Nola, und Tiberius Sempronius Gracchus, der sich als Reiterführer des Dictators ausgezeichnet hatte, ferner der alte Quintus Fabius Maximus traten, Marcellus als Proconsul, die beiden andern als Consuln, an die Spitze der drei römischen Heere, welche bestimmt waren Capua und Hannibal zu um- ringen; Marcellus auf Nola und Suessula gestützt, Maximus am rechten Ufer des Volturnus bei Cales sich aufstellend, Gracchus an der Küste, wo er Neapel und Cumae deckend bei Liternum Stellung nahm. Die Campaner, welche nach Hamae drei Mig- lien von Cumae ausrückten um die Cumaner zu überrumpeln, wurden von Gracchus nachdrücklich geschlagen; Hannibal, der, um die Scharte auszuwetzen, vor Cumae erschienen war, zog selbst in einem Gefecht den Kürzern, und kehrte, da die von ihm angebotene Hauptschlacht verweigert ward, unmuthig nach Capua zurück. Während so die Römer in Campanien nicht bloſs behaupteten was sie besaſsen, sondern auch Comhulteria und andere kleinere Plätze wieder gewannen, erschollen von Hannibals östlichen Verbündeten laute Klagen. Ein römisches

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/448>, abgerufen am 24.11.2024.