Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES.
pen und die Zuzüge der asiatischen Bundesgenossen zusammen,
überstieg den Taurus und schlug den Statthalter Gordios sammt
seinen armenischen Hülfstruppen aus Kappadokien hinaus. Dies
wirkte. Mithradates gab in allen Stücken nach; Gordios musste
die Schuld der kappadokischen Wirren auf sich nehmen und der
falsche Ariarathes verschwand; die Königswahl, die der pontische
Anhang vergebens auf Gordios zu lenken versucht hatte, fiel auf
den angesehenen Kappadokier Ariobarzanes. Bei dieser Gele-
genheit fand auch, als Sulla im Verfolg seiner Expedition in die
Gegend des Euphrat gelangte und römische Feldzeichen zum
ersten Mal in dessen Wellen sich spiegelten, die erste Berüh-
rung statt zwischen den Römern und den Parthern, die in Folge
der Spannung zwischen ihnen und Tigranes Ursache hatten den
Römern sich zu nähern. Beiderseits schien man zu fühlen, dass
etwas darauf ankam bei dieser ersten Berührung der beiden
Grossmächte des Westens und des Ostens dem Anspruch auf die
Herrschaft der Welt nichts zu vergeben; aber Sulla, kecker als
der parthische Bote, nahm und behauptete in der Zusammen-
kunft den Ehrenplatz zwischen dem König von Kappadokien und
dem parthischen Abgesandten. Mehr als durch seine Siege im
Osten mehrte Sullas Ruhm sich durch diese vielgefeierte Con-
ferenz am Euphrat; der parthische Gesandte büsste später seinem
Herrn mit dem Kopfe. Indess für den Augenblick hatte diese Be-
rührung keine weitere Folge und die Vollziehung der gegen Mithra-
dates gefassten Senatsbeschlüsse ging ungehindert ihren Gang.
Auch Paphlagonien ward geräumt, die Wiederherstellung der sky-
thischen Häuptlinge von Mithradates wenigstens zugesagt; der
Statusquo im Osten schien wieder hergestellt (662).

So hiess es; in der That war von Herstellung des Statusquo
wenig zu verspüren. Kaum hatte Sulla Asien verlassen, als König
Tigranes von Grossarmenien über den neuen König von Kappa-
dokien Ariobarzanes herfiel, ihn vertrieb und an seiner Stelle den
pontischen Prätendenten Ariarathes wieder einsetzte. In Bithy-
nien, wo nach dem Tode des alten Königs Nikomedes II. (um 663)
dessen Sohn Nikomedes III. Philopator vom Volk und vom rö-
mischen Senat als rechtmässiger König anerkannt worden war,
trat dessen jüngerer Bruder Sokrates als Kronprätendent auf und
bemächtigte sich der Herrschaft. Es war klar, dass kein anderer
als Mithradates der eigentliche Urheber der kappadokischen wie
der bithynischen Wirren war, obwohl er officiell sich jeder Be-
theiligung enthielt. Jedermann wusste, dass Tigranes nur han-
delte auf seinen Wink; in Bithynien aber war Sokrates mit pon-

DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES.
pen und die Zuzüge der asiatischen Bundesgenossen zusammen,
überstieg den Taurus und schlug den Statthalter Gordios sammt
seinen armenischen Hülfstruppen aus Kappadokien hinaus. Dies
wirkte. Mithradates gab in allen Stücken nach; Gordios muſste
die Schuld der kappadokischen Wirren auf sich nehmen und der
falsche Ariarathes verschwand; die Königswahl, die der pontische
Anhang vergebens auf Gordios zu lenken versucht hatte, fiel auf
den angesehenen Kappadokier Ariobarzanes. Bei dieser Gele-
genheit fand auch, als Sulla im Verfolg seiner Expedition in die
Gegend des Euphrat gelangte und römische Feldzeichen zum
ersten Mal in dessen Wellen sich spiegelten, die erste Berüh-
rung statt zwischen den Römern und den Parthern, die in Folge
der Spannung zwischen ihnen und Tigranes Ursache hatten den
Römern sich zu nähern. Beiderseits schien man zu fühlen, daſs
etwas darauf ankam bei dieser ersten Berührung der beiden
Groſsmächte des Westens und des Ostens dem Anspruch auf die
Herrschaft der Welt nichts zu vergeben; aber Sulla, kecker als
der parthische Bote, nahm und behauptete in der Zusammen-
kunft den Ehrenplatz zwischen dem König von Kappadokien und
dem parthischen Abgesandten. Mehr als durch seine Siege im
Osten mehrte Sullas Ruhm sich durch diese vielgefeierte Con-
ferenz am Euphrat; der parthische Gesandte büſste später seinem
Herrn mit dem Kopfe. Indeſs für den Augenblick hatte diese Be-
rührung keine weitere Folge und die Vollziehung der gegen Mithra-
dates gefaſsten Senatsbeschlüsse ging ungehindert ihren Gang.
Auch Paphlagonien ward geräumt, die Wiederherstellung der sky-
thischen Häuptlinge von Mithradates wenigstens zugesagt; der
Statusquo im Osten schien wieder hergestellt (662).

So hieſs es; in der That war von Herstellung des Statusquo
wenig zu verspüren. Kaum hatte Sulla Asien verlassen, als König
Tigranes von Groſsarmenien über den neuen König von Kappa-
dokien Ariobarzanes herfiel, ihn vertrieb und an seiner Stelle den
pontischen Prätendenten Ariarathes wieder einsetzte. In Bithy-
nien, wo nach dem Tode des alten Königs Nikomedes II. (um 663)
dessen Sohn Nikomedes III. Philopator vom Volk und vom rö-
mischen Senat als rechtmäſsiger König anerkannt worden war,
trat dessen jüngerer Bruder Sokrates als Kronprätendent auf und
bemächtigte sich der Herrschaft. Es war klar, daſs kein anderer
als Mithradates der eigentliche Urheber der kappadokischen wie
der bithynischen Wirren war, obwohl er officiell sich jeder Be-
theiligung enthielt. Jedermann wuſste, daſs Tigranes nur han-
delte auf seinen Wink; in Bithynien aber war Sokrates mit pon-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0277" n="267"/><fw place="top" type="header">DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES.</fw><lb/>
pen und die Zuzüge der asiatischen Bundesgenossen zusammen,<lb/>
überstieg den Taurus und schlug den Statthalter Gordios sammt<lb/>
seinen armenischen Hülfstruppen aus Kappadokien hinaus. Dies<lb/>
wirkte. Mithradates gab in allen Stücken nach; Gordios mu&#x017F;ste<lb/>
die Schuld der kappadokischen Wirren auf sich nehmen und der<lb/>
falsche Ariarathes verschwand; die Königswahl, die der pontische<lb/>
Anhang vergebens auf Gordios zu lenken versucht hatte, fiel auf<lb/>
den angesehenen Kappadokier Ariobarzanes. Bei dieser Gele-<lb/>
genheit fand auch, als Sulla im Verfolg seiner Expedition in die<lb/>
Gegend des Euphrat gelangte und römische Feldzeichen zum<lb/>
ersten Mal in dessen Wellen sich spiegelten, die erste Berüh-<lb/>
rung statt zwischen den Römern und den Parthern, die in Folge<lb/>
der Spannung zwischen ihnen und Tigranes Ursache hatten den<lb/>
Römern sich zu nähern. Beiderseits schien man zu fühlen, da&#x017F;s<lb/>
etwas darauf ankam bei dieser ersten Berührung der beiden<lb/>
Gro&#x017F;smächte des Westens und des Ostens dem Anspruch auf die<lb/>
Herrschaft der Welt nichts zu vergeben; aber Sulla, kecker als<lb/>
der parthische Bote, nahm und behauptete in der Zusammen-<lb/>
kunft den Ehrenplatz zwischen dem König von Kappadokien und<lb/>
dem parthischen Abgesandten. Mehr als durch seine Siege im<lb/>
Osten mehrte Sullas Ruhm sich durch diese vielgefeierte Con-<lb/>
ferenz am Euphrat; der parthische Gesandte bü&#x017F;ste später seinem<lb/>
Herrn mit dem Kopfe. Inde&#x017F;s für den Augenblick hatte diese Be-<lb/>
rührung keine weitere Folge und die Vollziehung der gegen Mithra-<lb/>
dates gefa&#x017F;sten Senatsbeschlüsse ging ungehindert ihren Gang.<lb/>
Auch Paphlagonien ward geräumt, die Wiederherstellung der sky-<lb/>
thischen Häuptlinge von Mithradates wenigstens zugesagt; der<lb/>
Statusquo im Osten schien wieder hergestellt (662).</p><lb/>
          <p>So hie&#x017F;s es; in der That war von Herstellung des Statusquo<lb/>
wenig zu verspüren. Kaum hatte Sulla Asien verlassen, als König<lb/>
Tigranes von Gro&#x017F;sarmenien über den neuen König von Kappa-<lb/>
dokien Ariobarzanes herfiel, ihn vertrieb und an seiner Stelle den<lb/>
pontischen Prätendenten Ariarathes wieder einsetzte. In Bithy-<lb/>
nien, wo nach dem Tode des alten Königs Nikomedes II. (um 663)<lb/>
dessen Sohn Nikomedes III. Philopator vom Volk und vom rö-<lb/>
mischen Senat als rechtmä&#x017F;siger König anerkannt worden war,<lb/>
trat dessen jüngerer Bruder Sokrates als Kronprätendent auf und<lb/>
bemächtigte sich der Herrschaft. Es war klar, da&#x017F;s kein anderer<lb/>
als Mithradates der eigentliche Urheber der kappadokischen wie<lb/>
der bithynischen Wirren war, obwohl er officiell sich jeder Be-<lb/>
theiligung enthielt. Jedermann wu&#x017F;ste, da&#x017F;s Tigranes nur han-<lb/>
delte auf seinen Wink; in Bithynien aber war Sokrates mit pon-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0277] DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES. pen und die Zuzüge der asiatischen Bundesgenossen zusammen, überstieg den Taurus und schlug den Statthalter Gordios sammt seinen armenischen Hülfstruppen aus Kappadokien hinaus. Dies wirkte. Mithradates gab in allen Stücken nach; Gordios muſste die Schuld der kappadokischen Wirren auf sich nehmen und der falsche Ariarathes verschwand; die Königswahl, die der pontische Anhang vergebens auf Gordios zu lenken versucht hatte, fiel auf den angesehenen Kappadokier Ariobarzanes. Bei dieser Gele- genheit fand auch, als Sulla im Verfolg seiner Expedition in die Gegend des Euphrat gelangte und römische Feldzeichen zum ersten Mal in dessen Wellen sich spiegelten, die erste Berüh- rung statt zwischen den Römern und den Parthern, die in Folge der Spannung zwischen ihnen und Tigranes Ursache hatten den Römern sich zu nähern. Beiderseits schien man zu fühlen, daſs etwas darauf ankam bei dieser ersten Berührung der beiden Groſsmächte des Westens und des Ostens dem Anspruch auf die Herrschaft der Welt nichts zu vergeben; aber Sulla, kecker als der parthische Bote, nahm und behauptete in der Zusammen- kunft den Ehrenplatz zwischen dem König von Kappadokien und dem parthischen Abgesandten. Mehr als durch seine Siege im Osten mehrte Sullas Ruhm sich durch diese vielgefeierte Con- ferenz am Euphrat; der parthische Gesandte büſste später seinem Herrn mit dem Kopfe. Indeſs für den Augenblick hatte diese Be- rührung keine weitere Folge und die Vollziehung der gegen Mithra- dates gefaſsten Senatsbeschlüsse ging ungehindert ihren Gang. Auch Paphlagonien ward geräumt, die Wiederherstellung der sky- thischen Häuptlinge von Mithradates wenigstens zugesagt; der Statusquo im Osten schien wieder hergestellt (662). So hieſs es; in der That war von Herstellung des Statusquo wenig zu verspüren. Kaum hatte Sulla Asien verlassen, als König Tigranes von Groſsarmenien über den neuen König von Kappa- dokien Ariobarzanes herfiel, ihn vertrieb und an seiner Stelle den pontischen Prätendenten Ariarathes wieder einsetzte. In Bithy- nien, wo nach dem Tode des alten Königs Nikomedes II. (um 663) dessen Sohn Nikomedes III. Philopator vom Volk und vom rö- mischen Senat als rechtmäſsiger König anerkannt worden war, trat dessen jüngerer Bruder Sokrates als Kronprätendent auf und bemächtigte sich der Herrschaft. Es war klar, daſs kein anderer als Mithradates der eigentliche Urheber der kappadokischen wie der bithynischen Wirren war, obwohl er officiell sich jeder Be- theiligung enthielt. Jedermann wuſste, daſs Tigranes nur han- delte auf seinen Wink; in Bithynien aber war Sokrates mit pon-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/277
Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/277>, abgerufen am 21.11.2024.