Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.VIERTES BUCH. KAPITEL VIII. opfer von der römischen Meute überfallen und verbot ihm gegendieselbe sich zu wehren. Auch Mithradates erachtete sich ver- loren, eben wie die Karthager es gethan hatten; aber wenn die Phöniker sich aus Verzweiflung ergaben, so that dagegen der König von Sinope das Gegentheil und rief seine Truppen und Schiffe zusammen; -- ,wehrt nicht, so soll er gesagt haben, auch wer unterliegen muss, dennoch sich gegen den Räuber?' Sein Sohn Ariobarzanes erhielt Befehl in Kappadokien einzurücken; es ging noch einmal eine Botschaft an die römischen Gesandten um ihnen anzuzeigen, wozu die Nothwehr den König gezwungen habe und eine letzte Erklärung von ihnen zu fordern. Sie lautete wie zu erwarten war. Obwohl weder der römische Senat noch König Mithradates noch König Nikomedes den Bruch gewollt hatten, Aquillius wollte ihn und man hatte Krieg (Ende 665). Mit aller ihm eigenen Energie betrieb Mithradates die poli- VIERTES BUCH. KAPITEL VIII. opfer von der römischen Meute überfallen und verbot ihm gegendieselbe sich zu wehren. Auch Mithradates erachtete sich ver- loren, eben wie die Karthager es gethan hatten; aber wenn die Phöniker sich aus Verzweiflung ergaben, so that dagegen der König von Sinope das Gegentheil und rief seine Truppen und Schiffe zusammen; — ‚wehrt nicht, so soll er gesagt haben, auch wer unterliegen muſs, dennoch sich gegen den Räuber?‘ Sein Sohn Ariobarzanes erhielt Befehl in Kappadokien einzurücken; es ging noch einmal eine Botschaft an die römischen Gesandten um ihnen anzuzeigen, wozu die Nothwehr den König gezwungen habe und eine letzte Erklärung von ihnen zu fordern. Sie lautete wie zu erwarten war. Obwohl weder der römische Senat noch König Mithradates noch König Nikomedes den Bruch gewollt hatten, Aquillius wollte ihn und man hatte Krieg (Ende 665). Mit aller ihm eigenen Energie betrieb Mithradates die poli- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0280" n="270"/><fw place="top" type="header">VIERTES BUCH. KAPITEL VIII.</fw><lb/> opfer von der römischen Meute überfallen und verbot ihm gegen<lb/> dieselbe sich zu wehren. Auch Mithradates erachtete sich ver-<lb/> loren, eben wie die Karthager es gethan hatten; aber wenn die<lb/> Phöniker sich aus Verzweiflung ergaben, so that dagegen der<lb/> König von Sinope das Gegentheil und rief seine Truppen und<lb/> Schiffe zusammen; — ‚wehrt nicht, so soll er gesagt haben, auch<lb/> wer unterliegen muſs, dennoch sich gegen den Räuber?‘ Sein<lb/> Sohn Ariobarzanes erhielt Befehl in Kappadokien einzurücken;<lb/> es ging noch einmal eine Botschaft an die römischen Gesandten<lb/> um ihnen anzuzeigen, wozu die Nothwehr den König gezwungen<lb/> habe und eine letzte Erklärung von ihnen zu fordern. Sie lautete<lb/> wie zu erwarten war. Obwohl weder der römische Senat noch<lb/> König Mithradates noch König Nikomedes den Bruch gewollt<lb/> hatten, Aquillius wollte ihn und man hatte Krieg (Ende 665).</p><lb/> <p>Mit aller ihm eigenen Energie betrieb Mithradates die poli-<lb/> tischen und militärischen Vorbereitungen zu dem ihm aufge-<lb/> drungenen Waffengang. Vor allen Dingen knüpfte er das Bünd-<lb/> niſs mit König Tigranes von Armenien fester, und erlangte von<lb/> ihm das Versprechen eines Hülfsheeres, das in Vorderasien ein-<lb/> rücken und Grund und Boden daselbst für König Mithradates, die<lb/> bewegliche Habe für König Tigranes in Besitz nehmen sollte.<lb/> Der parthische König, verletzt durch das stolze Verhalten Sul-<lb/> las, trat wenn nicht gerade als Gegner, doch auch nicht als Bun-<lb/> desgenosse der Römer auf. Den Griechen war der König bemüht<lb/> sich in der Rolle des Philippos und des Perseus, als Vertreter<lb/> der griechischen Nation gegen die römische Fremdherrschaft<lb/> darzustellen. Pontische Gesandte gingen an den König von<lb/> Aegypten und an den letzten Ueberrest des freien Griechenlands,<lb/> den kretensischen Städtebund und beschworen sie, für die Rom<lb/> auch schon die Ketten geschmiedet, jetzt im letzten Augenblick<lb/> einzustehen für die Rettung der hellenischen Nationalität; es war<lb/> dies wenigstens auf Kreta nicht ganz vergeblich und zahlreiche<lb/> Kretenser nahmen Dienste im pontischen Heer. Man hoffte auf<lb/> die successive Insurrection der kleineren nnd kleinsten Schutz-<lb/> staaten, Numidiens, Syriens, der hellenischen Republiken, auf die<lb/> Empörung der Provinzen, vor allem des maſslos gedrückten<lb/> Vorderasiens. Man arbeitete an der Erregung eines thrakischen<lb/> Aufstandes, ja an der Insurgirung Makedoniens. Die schon vor-<lb/> her blühende Piraterie wurde jetzt als willkommenste Bundesge-<lb/> nossin überall entfesselt und mit furchtbarer Raschheit erfüllten<lb/> bald Corsarengeschwader, pontische Kaper sich nennend, weithin<lb/> das Mittelmeer. Man vernahm mit Spannung und Freude die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [270/0280]
VIERTES BUCH. KAPITEL VIII.
opfer von der römischen Meute überfallen und verbot ihm gegen
dieselbe sich zu wehren. Auch Mithradates erachtete sich ver-
loren, eben wie die Karthager es gethan hatten; aber wenn die
Phöniker sich aus Verzweiflung ergaben, so that dagegen der
König von Sinope das Gegentheil und rief seine Truppen und
Schiffe zusammen; — ‚wehrt nicht, so soll er gesagt haben, auch
wer unterliegen muſs, dennoch sich gegen den Räuber?‘ Sein
Sohn Ariobarzanes erhielt Befehl in Kappadokien einzurücken;
es ging noch einmal eine Botschaft an die römischen Gesandten
um ihnen anzuzeigen, wozu die Nothwehr den König gezwungen
habe und eine letzte Erklärung von ihnen zu fordern. Sie lautete
wie zu erwarten war. Obwohl weder der römische Senat noch
König Mithradates noch König Nikomedes den Bruch gewollt
hatten, Aquillius wollte ihn und man hatte Krieg (Ende 665).
Mit aller ihm eigenen Energie betrieb Mithradates die poli-
tischen und militärischen Vorbereitungen zu dem ihm aufge-
drungenen Waffengang. Vor allen Dingen knüpfte er das Bünd-
niſs mit König Tigranes von Armenien fester, und erlangte von
ihm das Versprechen eines Hülfsheeres, das in Vorderasien ein-
rücken und Grund und Boden daselbst für König Mithradates, die
bewegliche Habe für König Tigranes in Besitz nehmen sollte.
Der parthische König, verletzt durch das stolze Verhalten Sul-
las, trat wenn nicht gerade als Gegner, doch auch nicht als Bun-
desgenosse der Römer auf. Den Griechen war der König bemüht
sich in der Rolle des Philippos und des Perseus, als Vertreter
der griechischen Nation gegen die römische Fremdherrschaft
darzustellen. Pontische Gesandte gingen an den König von
Aegypten und an den letzten Ueberrest des freien Griechenlands,
den kretensischen Städtebund und beschworen sie, für die Rom
auch schon die Ketten geschmiedet, jetzt im letzten Augenblick
einzustehen für die Rettung der hellenischen Nationalität; es war
dies wenigstens auf Kreta nicht ganz vergeblich und zahlreiche
Kretenser nahmen Dienste im pontischen Heer. Man hoffte auf
die successive Insurrection der kleineren nnd kleinsten Schutz-
staaten, Numidiens, Syriens, der hellenischen Republiken, auf die
Empörung der Provinzen, vor allem des maſslos gedrückten
Vorderasiens. Man arbeitete an der Erregung eines thrakischen
Aufstandes, ja an der Insurgirung Makedoniens. Die schon vor-
her blühende Piraterie wurde jetzt als willkommenste Bundesge-
nossin überall entfesselt und mit furchtbarer Raschheit erfüllten
bald Corsarengeschwader, pontische Kaper sich nennend, weithin
das Mittelmeer. Man vernahm mit Spannung und Freude die
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