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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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PHARSALOS.
Weise zu manövriren und zu lagern, gewann bei Memphis un-
ter glücklichen Gefechten das andere Ufer. Caesar andererseits,
so wie er von dem Eintreffen der Entsatzarmee Kunde erhielt,
führte einen Theil seiner Truppen auf Schiffen an die Spitze des
Sees von Marea westlich von Alexandreia und marschirte um
diesen herum und den Nil hinab dem flussaufwärts herankom-
menden Mithradates entgegen. Die Vereinigung erfolgte, ohne
dass der Feind sie zu hindern versucht hätte. Caesar rückte
dann in das Delta, wohin der König sich zurückgezogen hatte,
warf, trotz des tiefeingeschnittenen Kanals vor ihrer Fronte, die
ägyptische Vorhut im ersten Anlauf und stürmte sofort das
ägyptische Lager selbst. Es befand sich zwischen dem Nil, von
dem es nur ein schmaler Weg trennte, und schwer zugänglichen
Sümpfen am Fuss einer Anhöhe. Caesar liess zugleich in der
Fronte und von dem Weg am Nil aus das Lager berennen und
ein drittes Detachement während dieses Sturmes die Anhöhen
hinter dem Lager ungesehen ersteigen. Der Sieg war vollständig;
das Lager ward genommen und was von den Aegyptiern nicht
unter den feindlichen Schwertern fiel, ertrank bei dem Versuch
zu der Nilflotte zu entkommen. Mit einem der Böte, die mit
Menschen überladen sanken, verschwand auch der junge König
in den Wellen seines heimischen Stromes. Unmittelbar vom
Schlachtfeld rückte Caesar von der Landseite her gerades Wegs
an der Spitze seiner Reiterei in den von den Aegyptiern besetz-
ten Theil der Hauptstadt. Im Trauergewande, ihre Götterbilder
in den Händen, empfingen ihn Friede bittend die Feinde, die
Seinigen aber, da sie ihn von der andern Seite als von der er
ausgegangen als Sieger wiederkehren sahen, mit grenzenlosem
Jubel. Das Schicksal der Stadt, die den Herrn der Welt in sei-
nen Plänen zu kreuzen gewagt und um ein Haar seinen Unter-
gang herbeigeführt hatte, lag in Caesars Hand; allein er war zu
sehr Regent, um empfindlich zu sein und verfuhr mit den Alex-
andrinern wie mit den Massalioten. Caesar, hinweisend auf die
arg verwüstete und bei Gelegenheit des Flottenbrandes ihrer
Kornmagazine, ihrer weltberühmten Bibliothek und anderer be-
deutender öffentlicher Gebäude beraubte Stadt, ermahnte die Ein-
wohnerschaft ernstlich sich künftig allein der Künste des Frie-
dens zu befleissigen und die Wunden zu heilen, die sie sich sel-
ber geschlagen; übrigens begnügte er sich den in Alexandreia
zahlreich angesessenen Juden dieselben Rechte zu gewähren,
deren die griechische Stadtbevölkerung genoss. Anstatt der bis-
herigen den Königen von Aegypten zur Verfügung gestellten rö-

PHARSALOS.
Weise zu manövriren und zu lagern, gewann bei Memphis un-
ter glücklichen Gefechten das andere Ufer. Caesar andererseits,
so wie er von dem Eintreffen der Entsatzarmee Kunde erhielt,
führte einen Theil seiner Truppen auf Schiffen an die Spitze des
Sees von Marea westlich von Alexandreia und marschirte um
diesen herum und den Nil hinab dem fluſsaufwärts herankom-
menden Mithradates entgegen. Die Vereinigung erfolgte, ohne
daſs der Feind sie zu hindern versucht hätte. Caesar rückte
dann in das Delta, wohin der König sich zurückgezogen hatte,
warf, trotz des tiefeingeschnittenen Kanals vor ihrer Fronte, die
ägyptische Vorhut im ersten Anlauf und stürmte sofort das
ägyptische Lager selbst. Es befand sich zwischen dem Nil, von
dem es nur ein schmaler Weg trennte, und schwer zugänglichen
Sümpfen am Fuſs einer Anhöhe. Caesar lieſs zugleich in der
Fronte und von dem Weg am Nil aus das Lager berennen und
ein drittes Detachement während dieses Sturmes die Anhöhen
hinter dem Lager ungesehen ersteigen. Der Sieg war vollständig;
das Lager ward genommen und was von den Aegyptiern nicht
unter den feindlichen Schwertern fiel, ertrank bei dem Versuch
zu der Nilflotte zu entkommen. Mit einem der Böte, die mit
Menschen überladen sanken, verschwand auch der junge König
in den Wellen seines heimischen Stromes. Unmittelbar vom
Schlachtfeld rückte Caesar von der Landseite her gerades Wegs
an der Spitze seiner Reiterei in den von den Aegyptiern besetz-
ten Theil der Hauptstadt. Im Trauergewande, ihre Götterbilder
in den Händen, empfingen ihn Friede bittend die Feinde, die
Seinigen aber, da sie ihn von der andern Seite als von der er
ausgegangen als Sieger wiederkehren sahen, mit grenzenlosem
Jubel. Das Schicksal der Stadt, die den Herrn der Welt in sei-
nen Plänen zu kreuzen gewagt und um ein Haar seinen Unter-
gang herbeigeführt hatte, lag in Caesars Hand; allein er war zu
sehr Regent, um empfindlich zu sein und verfuhr mit den Alex-
andrinern wie mit den Massalioten. Caesar, hinweisend auf die
arg verwüstete und bei Gelegenheit des Flottenbrandes ihrer
Kornmagazine, ihrer weltberühmten Bibliothek und anderer be-
deutender öffentlicher Gebäude beraubte Stadt, ermahnte die Ein-
wohnerschaft ernstlich sich künftig allein der Künste des Frie-
dens zu befleiſsigen und die Wunden zu heilen, die sie sich sel-
ber geschlagen; übrigens begnügte er sich den in Alexandreia
zahlreich angesessenen Juden dieselben Rechte zu gewähren,
deren die griechische Stadtbevölkerung genoſs. Anstatt der bis-
herigen den Königen von Aegypten zur Verfügung gestellten rö-

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[409/0419] PHARSALOS. Weise zu manövriren und zu lagern, gewann bei Memphis un- ter glücklichen Gefechten das andere Ufer. Caesar andererseits, so wie er von dem Eintreffen der Entsatzarmee Kunde erhielt, führte einen Theil seiner Truppen auf Schiffen an die Spitze des Sees von Marea westlich von Alexandreia und marschirte um diesen herum und den Nil hinab dem fluſsaufwärts herankom- menden Mithradates entgegen. Die Vereinigung erfolgte, ohne daſs der Feind sie zu hindern versucht hätte. Caesar rückte dann in das Delta, wohin der König sich zurückgezogen hatte, warf, trotz des tiefeingeschnittenen Kanals vor ihrer Fronte, die ägyptische Vorhut im ersten Anlauf und stürmte sofort das ägyptische Lager selbst. Es befand sich zwischen dem Nil, von dem es nur ein schmaler Weg trennte, und schwer zugänglichen Sümpfen am Fuſs einer Anhöhe. Caesar lieſs zugleich in der Fronte und von dem Weg am Nil aus das Lager berennen und ein drittes Detachement während dieses Sturmes die Anhöhen hinter dem Lager ungesehen ersteigen. Der Sieg war vollständig; das Lager ward genommen und was von den Aegyptiern nicht unter den feindlichen Schwertern fiel, ertrank bei dem Versuch zu der Nilflotte zu entkommen. Mit einem der Böte, die mit Menschen überladen sanken, verschwand auch der junge König in den Wellen seines heimischen Stromes. Unmittelbar vom Schlachtfeld rückte Caesar von der Landseite her gerades Wegs an der Spitze seiner Reiterei in den von den Aegyptiern besetz- ten Theil der Hauptstadt. Im Trauergewande, ihre Götterbilder in den Händen, empfingen ihn Friede bittend die Feinde, die Seinigen aber, da sie ihn von der andern Seite als von der er ausgegangen als Sieger wiederkehren sahen, mit grenzenlosem Jubel. Das Schicksal der Stadt, die den Herrn der Welt in sei- nen Plänen zu kreuzen gewagt und um ein Haar seinen Unter- gang herbeigeführt hatte, lag in Caesars Hand; allein er war zu sehr Regent, um empfindlich zu sein und verfuhr mit den Alex- andrinern wie mit den Massalioten. Caesar, hinweisend auf die arg verwüstete und bei Gelegenheit des Flottenbrandes ihrer Kornmagazine, ihrer weltberühmten Bibliothek und anderer be- deutender öffentlicher Gebäude beraubte Stadt, ermahnte die Ein- wohnerschaft ernstlich sich künftig allein der Künste des Frie- dens zu befleiſsigen und die Wunden zu heilen, die sie sich sel- ber geschlagen; übrigens begnügte er sich den in Alexandreia zahlreich angesessenen Juden dieselben Rechte zu gewähren, deren die griechische Stadtbevölkerung genoſs. Anstatt der bis- herigen den Königen von Aegypten zur Verfügung gestellten rö-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/419>, abgerufen am 16.07.2024.