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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
mischen Occupationsarmee blieb in der Hauptstadt eine förm-
liche römische Besatzung, zwei der daselbst belagerten und eine
dritte später aus Syrien nachgekommene Legion, deren Befehls-
haber Caesar ernannte. Absichtlich ward zu diesem Vertrauens-
posten kein Mann ausersehen, dessen Rang es ihm möglich ge-
macht hätte ihn zu missbrauchen, sondern ein tüchtiger Soldat
niedrigster Geburt, eines Freigelassenen Sohn Rufio. Das Regi-
ment Aegyptens erhielten unter Roms Oberhoheit Kleopatra und
deren jüngerer Bruder Ptolemaeos; die Prinzessin Arsinoe ward,
um nicht den nach orientalischer Art der Dynastie ebenso erge-
benen wie gegen den einzelnen Dynasten gleichgültigen Aegyptern
abermals als Vorwand für Insurrectionen zu dienen, nach Italien
abgeführt.

Dieser alexandrinische Aufstand, so geringfügig er an sich
war und so wenig er innerlich zusammenhing mit den weltge-
schichtlichen Ereignissen, die zugleich im römischen Staate sich
vollzogen, griff dennoch insofern in dieselben folgenreich ein,
als er den Mann, der alles in allem war und ohne den nichts ge-
fördert und nichts gelöst werden konnte, vom October 705 bis
zum März 706 nöthigte, seine eigentlichen Aufgaben liegen zu
lassen um mit Juden und Beduinen einen Stadtpöbel zu be-
kämpfen. Die Folgen des persönlichen Regiments fingen an sich
fühlbar zu machen. Man hatte die Monarchie; aber überall
herrschte die entsetzlichste Verwirrung und der Monarch war
nicht da. Eben wie die Pompeianer waren augenblicklich auch
die Caesarianer ohne obere Leitung; es entschied überall die Fä-
higkeit der einzelnen Offiziere und vor allen Dingen der Zufall.

In Kleinasien stand bei Caesars Abreise nach Aegypten kein
Feind. Indess hatte Caesars Statthalter daselbst, der tüchtige
Gnaeus Domitius Calvinus den Auftrag erhalten dem König Phar-
nakes wieder abzunehmen, was er den Verbündeten des Pom-
peius ohne Auftrag entrissen hatte; und da dieser, ein starrkö-
pfiger und übermüthiger Despot wie sein Vater, die Räumung
Kleinarmeniens beharrlich verweigerte, so blieb nichts übrig als
gegen ihn marschiren zu lassen. Calvinus hatte von den drei
ihm zurückgelassenen aus pharsalischen Kriegsgefangenen ge-
bildeten Legionen zwei nach Aegypten absenden müssen; er er-
gänzte die Lücke durch eine eiligst aus den im Pontus domicilirten
Römern zusammengeraffte und zwei nach römischer Art exer-
cirte Legionen des Deiotarus und rückte in Kleinarmenien ein.
Allein das bosporanische in zahlreichen Kämpfen mit den An-
wohnern des schwarzen Meeres erprobte Heer erwies sich tüch-

FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
mischen Occupationsarmee blieb in der Hauptstadt eine förm-
liche römische Besatzung, zwei der daselbst belagerten und eine
dritte später aus Syrien nachgekommene Legion, deren Befehls-
haber Caesar ernannte. Absichtlich ward zu diesem Vertrauens-
posten kein Mann ausersehen, dessen Rang es ihm möglich ge-
macht hätte ihn zu miſsbrauchen, sondern ein tüchtiger Soldat
niedrigster Geburt, eines Freigelassenen Sohn Rufio. Das Regi-
ment Aegyptens erhielten unter Roms Oberhoheit Kleopatra und
deren jüngerer Bruder Ptolemaeos; die Prinzessin Arsinoe ward,
um nicht den nach orientalischer Art der Dynastie ebenso erge-
benen wie gegen den einzelnen Dynasten gleichgültigen Aegyptern
abermals als Vorwand für Insurrectionen zu dienen, nach Italien
abgeführt.

Dieser alexandrinische Aufstand, so geringfügig er an sich
war und so wenig er innerlich zusammenhing mit den weltge-
schichtlichen Ereignissen, die zugleich im römischen Staate sich
vollzogen, griff dennoch insofern in dieselben folgenreich ein,
als er den Mann, der alles in allem war und ohne den nichts ge-
fördert und nichts gelöst werden konnte, vom October 705 bis
zum März 706 nöthigte, seine eigentlichen Aufgaben liegen zu
lassen um mit Juden und Beduinen einen Stadtpöbel zu be-
kämpfen. Die Folgen des persönlichen Regiments fingen an sich
fühlbar zu machen. Man hatte die Monarchie; aber überall
herrschte die entsetzlichste Verwirrung und der Monarch war
nicht da. Eben wie die Pompeianer waren augenblicklich auch
die Caesarianer ohne obere Leitung; es entschied überall die Fä-
higkeit der einzelnen Offiziere und vor allen Dingen der Zufall.

In Kleinasien stand bei Caesars Abreise nach Aegypten kein
Feind. Indeſs hatte Caesars Statthalter daselbst, der tüchtige
Gnaeus Domitius Calvinus den Auftrag erhalten dem König Phar-
nakes wieder abzunehmen, was er den Verbündeten des Pom-
peius ohne Auftrag entrissen hatte; und da dieser, ein starrkö-
pfiger und übermüthiger Despot wie sein Vater, die Räumung
Kleinarmeniens beharrlich verweigerte, so blieb nichts übrig als
gegen ihn marschiren zu lassen. Calvinus hatte von den drei
ihm zurückgelassenen aus pharsalischen Kriegsgefangenen ge-
bildeten Legionen zwei nach Aegypten absenden müssen; er er-
gänzte die Lücke durch eine eiligst aus den im Pontus domicilirten
Römern zusammengeraffte und zwei nach römischer Art exer-
cirte Legionen des Deiotarus und rückte in Kleinarmenien ein.
Allein das bosporanische in zahlreichen Kämpfen mit den An-
wohnern des schwarzen Meeres erprobte Heer erwies sich tüch-

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[410/0420] FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. mischen Occupationsarmee blieb in der Hauptstadt eine förm- liche römische Besatzung, zwei der daselbst belagerten und eine dritte später aus Syrien nachgekommene Legion, deren Befehls- haber Caesar ernannte. Absichtlich ward zu diesem Vertrauens- posten kein Mann ausersehen, dessen Rang es ihm möglich ge- macht hätte ihn zu miſsbrauchen, sondern ein tüchtiger Soldat niedrigster Geburt, eines Freigelassenen Sohn Rufio. Das Regi- ment Aegyptens erhielten unter Roms Oberhoheit Kleopatra und deren jüngerer Bruder Ptolemaeos; die Prinzessin Arsinoe ward, um nicht den nach orientalischer Art der Dynastie ebenso erge- benen wie gegen den einzelnen Dynasten gleichgültigen Aegyptern abermals als Vorwand für Insurrectionen zu dienen, nach Italien abgeführt. Dieser alexandrinische Aufstand, so geringfügig er an sich war und so wenig er innerlich zusammenhing mit den weltge- schichtlichen Ereignissen, die zugleich im römischen Staate sich vollzogen, griff dennoch insofern in dieselben folgenreich ein, als er den Mann, der alles in allem war und ohne den nichts ge- fördert und nichts gelöst werden konnte, vom October 705 bis zum März 706 nöthigte, seine eigentlichen Aufgaben liegen zu lassen um mit Juden und Beduinen einen Stadtpöbel zu be- kämpfen. Die Folgen des persönlichen Regiments fingen an sich fühlbar zu machen. Man hatte die Monarchie; aber überall herrschte die entsetzlichste Verwirrung und der Monarch war nicht da. Eben wie die Pompeianer waren augenblicklich auch die Caesarianer ohne obere Leitung; es entschied überall die Fä- higkeit der einzelnen Offiziere und vor allen Dingen der Zufall. In Kleinasien stand bei Caesars Abreise nach Aegypten kein Feind. Indeſs hatte Caesars Statthalter daselbst, der tüchtige Gnaeus Domitius Calvinus den Auftrag erhalten dem König Phar- nakes wieder abzunehmen, was er den Verbündeten des Pom- peius ohne Auftrag entrissen hatte; und da dieser, ein starrkö- pfiger und übermüthiger Despot wie sein Vater, die Räumung Kleinarmeniens beharrlich verweigerte, so blieb nichts übrig als gegen ihn marschiren zu lassen. Calvinus hatte von den drei ihm zurückgelassenen aus pharsalischen Kriegsgefangenen ge- bildeten Legionen zwei nach Aegypten absenden müssen; er er- gänzte die Lücke durch eine eiligst aus den im Pontus domicilirten Römern zusammengeraffte und zwei nach römischer Art exer- cirte Legionen des Deiotarus und rückte in Kleinarmenien ein. Allein das bosporanische in zahlreichen Kämpfen mit den An- wohnern des schwarzen Meeres erprobte Heer erwies sich tüch-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/420>, abgerufen am 29.05.2024.