Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Monti, Anton de: Zwey Brieffe welche der Frantzösische Minister Marqvis de Monti vor seiner Arretirung an den Rußl. Kayserl. Hn. Gen. Feld-Marschall Graffen von Münnich abgelassen. [s. l.], [1734].

Bild:
<< vorherige Seite

das Völcker-Recht. Die Römische Historie giebt uns darvon
ein grosses Exempel. Als die Gallier in Toscana eingefallen, und
die Einwohner van Chiusi in Rom um Hülffe angesuchet, schick-
ten die Römer drey Gesandten, welche den Galliern gütliche Vor-
schläge thun solten. Diese waren aber so hitzig, daß sie mit de-
nen von Chiusi gegen die Gallier selbst zu Felde zogen. Der Rö-
mische Historicus erkennet, daß sie darinnen gegen das Völcker-
Recht gehandelt, (b) und der Rath in Rom erkandte es selbst,
als die Gallier verlangten, daß man ihnen diese drey Personen
ausliefern möchte. (c) Der Caracter kan in solchem Fall einen
Gesandten nicht bedecken. Jnmassen man selbst seinem Princi-
pal
widersteben, und die Mittel fürkehren würde, welche das na-
türliche Recht einem jeden gegen seinen Feind erlaubet. Wie
viel grosse Könige und Fürsten hat es nicht getroffen, daß das
Glück sie ihren Feinden als Gefangene in die Hände geliefert?
Wie wolten denn ihre Gesandten bey dem Caractere representa-
tio
sicher seyn, wenn sie von ihrer friedsamen Function auf Meu-
terey, und feinseelige Unternehmungen, abweichen?

Wie nun das Völcker-Recht nichts anders ist, als ein Theil
des natürlichen Rechts, in soweit selbiges die Handlungen souve-
rainer
Herren und Völcker betrifft; So finden wir auch
bey allen Nationen Exempel, daß sie, wenn fremde Ministri
sich in offenbare feindseelige Practiquen eingelassen, ihnen nicht
etwan nur der Hof verbothen, oder zugleich das Land zu
räumen anbefohlen, sondern auch nach Befinden der Umstän-
de, kein Bedencken gehabt, sich ihrer Person zu versichern,
und desto kräfftiger zu verhindern, daß sie ihr feindseliges Vor-

haben
(b) Liv. v. 36. Ibi jam urgentibus Romanam urbem fatis, legati contra Jus Gentium
arma capiunt.
(c) Liv. ib. Vicere Seniores, ut Legati prius mitterentur, questum
injurias, postulatumque ut pro Fure Gentium violato Fabii dederentur, Legati Gal-
lorum quum ea, sicut erant mandata exposuissent. Sennatui nec factum placebat Fa-
biorum, & jus postulere barbari videbantur. Sed ne id, quod placebat, decerneret
in tantae nobilitatis Viris, ambitio obstabat.

das Voͤlcker-Recht. Die Roͤmiſche Hiſtorie giebt uns darvon
ein groſſes Exempel. Als die Gallier in Toſcana eingefallen, und
die Einwohner van Chiuſi in Rom um Huͤlffe angeſuchet, ſchick-
ten die Roͤmer drey Geſandten, welche den Galliern guͤtliche Vor-
ſchlaͤge thun ſolten. Dieſe waren aber ſo hitzig, daß ſie mit de-
nen von Chiuſi gegen die Gallier ſelbſt zu Felde zogen. Der Roͤ-
miſche Hiſtoricus erkennet, daß ſie darinnen gegen das Voͤlcker-
Recht gehandelt, (b) und der Rath in Rom erkandte es ſelbſt,
als die Gallier verlangten, daß man ihnen dieſe drey Perſonen
ausliefern moͤchte. (c) Der Caracter kan in ſolchem Fall einen
Geſandten nicht bedecken. Jnmaſſen man ſelbſt ſeinem Princi-
pal
widerſteben, und die Mittel fuͤrkehren wuͤrde, welche das na-
tuͤrliche Recht einem jeden gegen ſeinen Feind erlaubet. Wie
viel groſſe Koͤnige und Fuͤrſten hat es nicht getroffen, daß das
Gluͤck ſie ihren Feinden als Gefangene in die Haͤnde geliefert?
Wie wolten denn ihre Geſandten bey dem Caractere repreſenta-
tio
ſicher ſeyn, wenn ſie von ihrer friedſamen Function auf Meu-
terey, und feinſeelige Unternehmungen, abweichen?

Wie nun das Voͤlcker-Recht nichts anders iſt, als ein Theil
des natuͤrlichen Rechts, in ſoweit ſelbiges die Handlungen ſouve-
rainer
Herren und Voͤlcker betrifft; So finden wir auch
bey allen Nationen Exempel, daß ſie, wenn fremde Miniſtri
ſich in offenbare feindſeelige Practiquen eingelaſſen, ihnen nicht
etwan nur der Hof verbothen, oder zugleich das Land zu
raͤumen anbefohlen, ſondern auch nach Befinden der Umſtaͤn-
de, kein Bedencken gehabt, ſich ihrer Perſon zu verſichern,
und deſto kraͤfftiger zu verhindern, daß ſie ihr feindſeliges Vor-

haben
(b) Liv. v. 36. Ibi jam urgentibus Romanam urbem fatis, legati contra Jus Gentium
arma capiunt.
(c) Liv. ib. Vicere Seniores, ut Legati prius mitterentur, queſtum
injurias, poſtulatumque ut pro Fure Gentium violato Fabii dederentur, Legati Gal-
lorum quum ea, ſicut erant mandata expoſuiſſent. Sennatui nec factum placebat Fa-
biorum, & jus poſtulere barbari videbantur. Sed ne id, quod placebat, decerneret
in tantae nobilitatis Viris, ambitio obſtabat.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0010" n="10"/>
das Vo&#x0364;lcker-Recht. Die Ro&#x0364;mi&#x017F;che Hi&#x017F;torie giebt uns darvon<lb/>
ein gro&#x017F;&#x017F;es Exempel. Als die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Gallier</hi></hi> in <hi rendition="#aq">T<hi rendition="#i">o&#x017F;cana</hi></hi> eingefallen, und<lb/>
die Einwohner van <hi rendition="#aq">C<hi rendition="#i">hiu&#x017F;i</hi></hi> in Rom um Hu&#x0364;lffe ange&#x017F;uchet, &#x017F;chick-<lb/>
ten die Ro&#x0364;mer drey Ge&#x017F;andten, welche den <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Galliern</hi></hi> gu&#x0364;tliche Vor-<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;ge thun &#x017F;olten. Die&#x017F;e waren aber &#x017F;o hitzig, daß &#x017F;ie mit de-<lb/>
nen von <hi rendition="#aq">C<hi rendition="#i">hiu&#x017F;i</hi></hi> gegen die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Gallier</hi></hi> &#x017F;elb&#x017F;t zu Felde zogen. Der Ro&#x0364;-<lb/>
mi&#x017F;che <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Hi&#x017F;toricus</hi></hi> erkennet, daß &#x017F;ie darinnen gegen das Vo&#x0364;lcker-<lb/>
Recht gehandelt, <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Liv.</hi><hi rendition="#i">v.</hi> 36. Ibi jam urgentibus Romanam urbem fatis, legati <hi rendition="#i">contra Jus Gentium</hi><lb/>
arma capiunt.</hi></note> und der Rath in Rom erkandte es &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
als die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Gallier</hi></hi> verlangten, daß man ihnen die&#x017F;e drey Per&#x017F;onen<lb/>
ausliefern mo&#x0364;chte. <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq">Liv. <hi rendition="#i">ib.</hi> Vicere Seniores, ut Legati prius mitterentur, que&#x017F;tum<lb/>
injurias, po&#x017F;tulatumque ut pro <hi rendition="#i">Fure Gentium violato</hi> Fabii dederentur, Legati Gal-<lb/>
lorum quum ea, &#x017F;icut erant mandata expo&#x017F;ui&#x017F;&#x017F;ent. Sennatui nec factum placebat Fa-<lb/>
biorum, &amp; jus po&#x017F;tulere barbari videbantur. Sed ne id, quod placebat, decerneret<lb/>
in tantae nobilitatis Viris, ambitio ob&#x017F;tabat.</hi></note> Der <hi rendition="#aq">C<hi rendition="#i">aracter</hi></hi> kan in &#x017F;olchem Fall einen<lb/>
Ge&#x017F;andten nicht bedecken. Jnma&#x017F;&#x017F;en man &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;einem <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Princi-<lb/>
pal</hi></hi> wider&#x017F;teben, und die Mittel fu&#x0364;rkehren wu&#x0364;rde, welche das na-<lb/>
tu&#x0364;rliche Recht einem jeden gegen &#x017F;einen Feind erlaubet. Wie<lb/>
viel gro&#x017F;&#x017F;e Ko&#x0364;nige und Fu&#x0364;r&#x017F;ten hat es nicht getroffen, daß das<lb/>
Glu&#x0364;ck &#x017F;ie ihren Feinden als Gefangene in die Ha&#x0364;nde geliefert?<lb/>
Wie wolten denn ihre Ge&#x017F;andten bey dem <hi rendition="#aq">C<hi rendition="#i">aractere repre&#x017F;enta-<lb/>
tio</hi></hi> &#x017F;icher &#x017F;eyn, wenn &#x017F;ie von ihrer fried&#x017F;amen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Function</hi></hi> auf Meu-<lb/>
terey, und fein&#x017F;eelige Unternehmungen, abweichen?</p><lb/>
        <p>Wie nun das Vo&#x0364;lcker-Recht nichts anders i&#x017F;t, als ein Theil<lb/>
des natu&#x0364;rlichen Rechts, in &#x017F;oweit &#x017F;elbiges die Handlungen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">&#x017F;ouve-<lb/>
rainer</hi></hi> Herren und Vo&#x0364;lcker betrifft; So finden wir auch<lb/>
bey allen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Nationen</hi></hi> Exempel, daß &#x017F;ie, wenn fremde <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Mini&#x017F;tri</hi></hi><lb/>
&#x017F;ich in offenbare feind&#x017F;eelige <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Practiqu</hi></hi>en eingela&#x017F;&#x017F;en, ihnen nicht<lb/>
etwan nur der Hof verbothen, oder zugleich das Land zu<lb/>
ra&#x0364;umen anbefohlen, &#x017F;ondern auch nach Befinden der Um&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
de, kein Bedencken gehabt, &#x017F;ich ihrer Per&#x017F;on zu ver&#x017F;ichern,<lb/>
und de&#x017F;to kra&#x0364;fftiger zu verhindern, daß &#x017F;ie ihr feind&#x017F;eliges Vor-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">haben</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0010] das Voͤlcker-Recht. Die Roͤmiſche Hiſtorie giebt uns darvon ein groſſes Exempel. Als die Gallier in Toſcana eingefallen, und die Einwohner van Chiuſi in Rom um Huͤlffe angeſuchet, ſchick- ten die Roͤmer drey Geſandten, welche den Galliern guͤtliche Vor- ſchlaͤge thun ſolten. Dieſe waren aber ſo hitzig, daß ſie mit de- nen von Chiuſi gegen die Gallier ſelbſt zu Felde zogen. Der Roͤ- miſche Hiſtoricus erkennet, daß ſie darinnen gegen das Voͤlcker- Recht gehandelt, (b) und der Rath in Rom erkandte es ſelbſt, als die Gallier verlangten, daß man ihnen dieſe drey Perſonen ausliefern moͤchte. (c) Der Caracter kan in ſolchem Fall einen Geſandten nicht bedecken. Jnmaſſen man ſelbſt ſeinem Princi- pal widerſteben, und die Mittel fuͤrkehren wuͤrde, welche das na- tuͤrliche Recht einem jeden gegen ſeinen Feind erlaubet. Wie viel groſſe Koͤnige und Fuͤrſten hat es nicht getroffen, daß das Gluͤck ſie ihren Feinden als Gefangene in die Haͤnde geliefert? Wie wolten denn ihre Geſandten bey dem Caractere repreſenta- tio ſicher ſeyn, wenn ſie von ihrer friedſamen Function auf Meu- terey, und feinſeelige Unternehmungen, abweichen? Wie nun das Voͤlcker-Recht nichts anders iſt, als ein Theil des natuͤrlichen Rechts, in ſoweit ſelbiges die Handlungen ſouve- rainer Herren und Voͤlcker betrifft; So finden wir auch bey allen Nationen Exempel, daß ſie, wenn fremde Miniſtri ſich in offenbare feindſeelige Practiquen eingelaſſen, ihnen nicht etwan nur der Hof verbothen, oder zugleich das Land zu raͤumen anbefohlen, ſondern auch nach Befinden der Umſtaͤn- de, kein Bedencken gehabt, ſich ihrer Perſon zu verſichern, und deſto kraͤfftiger zu verhindern, daß ſie ihr feindſeliges Vor- haben (b) Liv. v. 36. Ibi jam urgentibus Romanam urbem fatis, legati contra Jus Gentium arma capiunt. (c) Liv. ib. Vicere Seniores, ut Legati prius mitterentur, queſtum injurias, poſtulatumque ut pro Fure Gentium violato Fabii dederentur, Legati Gal- lorum quum ea, ſicut erant mandata expoſuiſſent. Sennatui nec factum placebat Fa- biorum, & jus poſtulere barbari videbantur. Sed ne id, quod placebat, decerneret in tantae nobilitatis Viris, ambitio obſtabat.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/monti_brieffe_1734
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/monti_brieffe_1734/10
Zitationshilfe: Monti, Anton de: Zwey Brieffe welche der Frantzösische Minister Marqvis de Monti vor seiner Arretirung an den Rußl. Kayserl. Hn. Gen. Feld-Marschall Graffen von Münnich abgelassen. [s. l.], [1734], S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/monti_brieffe_1734/10>, abgerufen am 03.12.2024.