Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.Ach liebe süße Ludwine! Komm doch bald zurück! Jch bin nichts als heißes Sehnen nach Dir, alle Eifersucht ist dahin. Komm, o komm und zaubere mich in deinem Schooße zum seligen Gotte! Eil' in meine Arme, Lida, daß ich fest an deine Lippe mich sauge, Brust an Brust zum Freudentaumel erwärme. Eile, meine Lida, heute liebe, denn morgen scheidet von heute dunkle Nacht, harre nicht des schönen Tages, nicht der blumigern Gefilde; denn ach der armen Sterblichen Wünsche liegen zu weit für des müden Wallers zitternden Fuß! Heute, heute laß an deinem Busen all des Lebens Kummer, all des Todes Schrecken mich verträumen. am 7. Septbr. Der arme wahnsinnige Christel, der so gern Fische ißt, -- ach Fische! Fische ess' ich erstaunlich gern, pflegt er zu sagen, und wenn er es sagt so ists als säh ihm die Eßlust zum Munde heraus. -- Wenn man den stillen Wahnsinn mahlen wollte, so müßte man ihn mahlen. Mit seinen großen schönen schwarzen Augen, zwischen denen schräg bis auf die Nase, die ein wenig gebogen, forn ganz spitz zu läuft, sich eine sonderbare tiefe Falte gebildet hat, -- seinen gelbbraunen dürren Backen, seinem hellbraunen Haar, das ihm ähnlichte wie Flachs gerade den Nacken herunter hängt, und das Ach liebe suͤße Ludwine! Komm doch bald zuruͤck! Jch bin nichts als heißes Sehnen nach Dir, alle Eifersucht ist dahin. Komm, o komm und zaubere mich in deinem Schooße zum seligen Gotte! Eil' in meine Arme, Lida, daß ich fest an deine Lippe mich sauge, Brust an Brust zum Freudentaumel erwaͤrme. Eile, meine Lida, heute liebe, denn morgen scheidet von heute dunkle Nacht, harre nicht des schoͤnen Tages, nicht der blumigern Gefilde; denn ach der armen Sterblichen Wuͤnsche liegen zu weit fuͤr des muͤden Wallers zitternden Fuß! Heute, heute laß an deinem Busen all des Lebens Kummer, all des Todes Schrecken mich vertraͤumen. am 7. Septbr. Der arme wahnsinnige Christel, der so gern Fische ißt, — ach Fische! Fische ess' ich erstaunlich gern, pflegt er zu sagen, und wenn er es sagt so ists als saͤh ihm die Eßlust zum Munde heraus. — Wenn man den stillen Wahnsinn mahlen wollte, so muͤßte man ihn mahlen. Mit seinen großen schoͤnen schwarzen Augen, zwischen denen schraͤg bis auf die Nase, die ein wenig gebogen, forn ganz spitz zu laͤuft, sich eine sonderbare tiefe Falte gebildet hat, — seinen gelbbraunen duͤrren Backen, seinem hellbraunen Haar, das ihm aͤhnlichte wie Flachs gerade den Nacken herunter haͤngt, und das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0111" n="111"/><lb/> <p>Ach liebe suͤße Ludwine! Komm doch bald zuruͤck! Jch bin nichts als heißes Sehnen nach Dir, alle Eifersucht ist dahin. Komm, o komm und zaubere mich in deinem Schooße zum seligen Gotte! Eil' in meine Arme, Lida, daß ich fest an deine Lippe mich sauge, Brust an Brust zum Freudentaumel erwaͤrme. Eile, meine Lida, heute liebe, denn morgen scheidet von heute dunkle Nacht, harre nicht des schoͤnen Tages, nicht der blumigern Gefilde; denn ach der armen Sterblichen Wuͤnsche liegen zu weit fuͤr des muͤden Wallers zitternden Fuß! Heute, heute laß an <choice><corr>deinem</corr><sic>deinen</sic></choice> Busen all des Lebens Kummer, all des Todes Schrecken mich vertraͤumen.</p> </div> <div n="4"> <opener> <dateline> <hi rendition="#right">am 7. Septbr.</hi> </dateline> </opener> <p>Der arme wahnsinnige Christel, der so gern Fische ißt, — ach Fische! Fische ess' ich erstaunlich gern, pflegt er zu sagen, und wenn er es sagt so ists als saͤh ihm die Eßlust zum Munde heraus. — Wenn man den stillen Wahnsinn mahlen wollte, so muͤßte man ihn mahlen. Mit seinen großen schoͤnen schwarzen Augen, zwischen denen schraͤg bis auf die Nase, die ein wenig gebogen, forn ganz spitz zu laͤuft, sich eine sonderbare tiefe Falte gebildet hat, — seinen gelbbraunen duͤrren Backen, seinem hellbraunen Haar, das ihm aͤhnlichte wie Flachs gerade den Nacken herunter haͤngt, und das<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [111/0111]
Ach liebe suͤße Ludwine! Komm doch bald zuruͤck! Jch bin nichts als heißes Sehnen nach Dir, alle Eifersucht ist dahin. Komm, o komm und zaubere mich in deinem Schooße zum seligen Gotte! Eil' in meine Arme, Lida, daß ich fest an deine Lippe mich sauge, Brust an Brust zum Freudentaumel erwaͤrme. Eile, meine Lida, heute liebe, denn morgen scheidet von heute dunkle Nacht, harre nicht des schoͤnen Tages, nicht der blumigern Gefilde; denn ach der armen Sterblichen Wuͤnsche liegen zu weit fuͤr des muͤden Wallers zitternden Fuß! Heute, heute laß an deinem Busen all des Lebens Kummer, all des Todes Schrecken mich vertraͤumen.
am 7. Septbr. Der arme wahnsinnige Christel, der so gern Fische ißt, — ach Fische! Fische ess' ich erstaunlich gern, pflegt er zu sagen, und wenn er es sagt so ists als saͤh ihm die Eßlust zum Munde heraus. — Wenn man den stillen Wahnsinn mahlen wollte, so muͤßte man ihn mahlen. Mit seinen großen schoͤnen schwarzen Augen, zwischen denen schraͤg bis auf die Nase, die ein wenig gebogen, forn ganz spitz zu laͤuft, sich eine sonderbare tiefe Falte gebildet hat, — seinen gelbbraunen duͤrren Backen, seinem hellbraunen Haar, das ihm aͤhnlichte wie Flachs gerade den Nacken herunter haͤngt, und das
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/111>, abgerufen am 16.02.2025. |