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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.

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dann den Fisch, und dann den Mann, und schien etwas beginnen zu wollen, indem ihm auf einmal die Thränen in die Augen schossen, die er sich mit der flachen Hand wegwischte, und immer dazu lächelte.

Mich hat nie etwas so gerührt als diese Thränen. Armer Junge! -- Freilich sind Fische zunächst im Wasser, ein fröliches Gewimmel! Aber ihnen am nächsten, mitten unter ihnen, wo Deine heiße Gier Dich hintreibt, wirst Du eher ertrinken als einen fangen. Tröste Dich darüber, guter Christel, mit tausenden, denen es auch nicht besser geht. Es ist der Lauf der Dinge so. Die Leidenschaft, die brennende Begierde, die schlechterdings nichts lindern kann, die nichts hören und wissen mag als Befriedigung -- wird nie befriedigt. Warum? -- Zur Strafe, weil die Leidenschaft leidenschaftlich ist, weil sie von keinen Künsten weiß, weil sie nur ihr Verlangen fühlt, und nicht Muse hat die Eigenschaften der Dinge die sie begehrt, auszumessen, und die Art, wie ihnen beizukommen ist, zu finden. Werde erst kälter! das heißt, habe erst keine Begierde mehr, und mache Dir wohlbedächtig eine Angel, und lerne Stunden lang ruhig am Ufer sitzen und abwarten. Erst dann wirst Du Fische bekommen, wenn Du sie entbehren kannst! Lerne die reizenden Dinge, die Dich umgeben, verschmähen, verlange erst nach Gütern, die fern liegen, die Du nicht siehst, oft nicht kennst,


dann den Fisch, und dann den Mann, und schien etwas beginnen zu wollen, indem ihm auf einmal die Thraͤnen in die Augen schossen, die er sich mit der flachen Hand wegwischte, und immer dazu laͤchelte.

Mich hat nie etwas so geruͤhrt als diese Thraͤnen. Armer Junge! — Freilich sind Fische zunaͤchst im Wasser, ein froͤliches Gewimmel! Aber ihnen am naͤchsten, mitten unter ihnen, wo Deine heiße Gier Dich hintreibt, wirst Du eher ertrinken als einen fangen. Troͤste Dich daruͤber, guter Christel, mit tausenden, denen es auch nicht besser geht. Es ist der Lauf der Dinge so. Die Leidenschaft, die brennende Begierde, die schlechterdings nichts lindern kann, die nichts hoͤren und wissen mag als Befriedigung — wird nie befriedigt. Warum? — Zur Strafe, weil die Leidenschaft leidenschaftlich ist, weil sie von keinen Kuͤnsten weiß, weil sie nur ihr Verlangen fuͤhlt, und nicht Muse hat die Eigenschaften der Dinge die sie begehrt, auszumessen, und die Art, wie ihnen beizukommen ist, zu finden. Werde erst kaͤlter! das heißt, habe erst keine Begierde mehr, und mache Dir wohlbedaͤchtig eine Angel, und lerne Stunden lang ruhig am Ufer sitzen und abwarten. Erst dann wirst Du Fische bekommen, wenn Du sie entbehren kannst! Lerne die reizenden Dinge, die Dich umgeben, verschmaͤhen, verlange erst nach Guͤtern, die fern liegen, die Du nicht siehst, oft nicht kennst,

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[114/0114] dann den Fisch, und dann den Mann, und schien etwas beginnen zu wollen, indem ihm auf einmal die Thraͤnen in die Augen schossen, die er sich mit der flachen Hand wegwischte, und immer dazu laͤchelte. Mich hat nie etwas so geruͤhrt als diese Thraͤnen. Armer Junge! — Freilich sind Fische zunaͤchst im Wasser, ein froͤliches Gewimmel! Aber ihnen am naͤchsten, mitten unter ihnen, wo Deine heiße Gier Dich hintreibt, wirst Du eher ertrinken als einen fangen. Troͤste Dich daruͤber, guter Christel, mit tausenden, denen es auch nicht besser geht. Es ist der Lauf der Dinge so. Die Leidenschaft, die brennende Begierde, die schlechterdings nichts lindern kann, die nichts hoͤren und wissen mag als Befriedigung — wird nie befriedigt. Warum? — Zur Strafe, weil die Leidenschaft leidenschaftlich ist, weil sie von keinen Kuͤnsten weiß, weil sie nur ihr Verlangen fuͤhlt, und nicht Muse hat die Eigenschaften der Dinge die sie begehrt, auszumessen, und die Art, wie ihnen beizukommen ist, zu finden. Werde erst kaͤlter! das heißt, habe erst keine Begierde mehr, und mache Dir wohlbedaͤchtig eine Angel, und lerne Stunden lang ruhig am Ufer sitzen und abwarten. Erst dann wirst Du Fische bekommen, wenn Du sie entbehren kannst! Lerne die reizenden Dinge, die Dich umgeben, verschmaͤhen, verlange erst nach Guͤtern, die fern liegen, die Du nicht siehst, oft nicht kennst,

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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/114>, abgerufen am 21.11.2024.