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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.

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flammt in die Höhe, und was irrdisch ist, fühlt einen Zug, sich mit allem seinem Aehnlichen in dem Mittelpunkte seiner Allmutter der Erde zu sammeln. Ströme zerreißen Welttheile, um sich mit dem Meere zu vereinigen -- Allein seyn ist eine Dissonanz in der Natur, die sie nicht lange erträgt, sie läßt sie bald mit einem starken volltönenden Griffe. Und der Mensch -- diese Welt im Kleinen, auf den alles Bezug hat, der allem Bezug giebt, der Fähigkeit und Bedürfniß zu jeglichem Genuß, Berührungspunkte für jedes Wesen hat, dem seine Ahndungen Ansprüche zur Seligkeit geben, ist nur ein unmuthiges trübes Geschöpf, giebt, überdrüßig, alles hin was er ist, wenn dieser quälende Trieb zu seinem Aehnlichen nicht befriediget wird. -- Ach seine Quaal muß ja wohl größer seyn als irgend eines andern Geschöpfs, da er so vieler Wonne fähig ist. Herz und Sinne und Vernunft -- Leib und Seele, alles hat seinen süßen Genuß, wo einer den andern zum höchsten Entzücken erhöht.

Dieser Trieb, diese Wonne des Menschen ist die Liebe. Sie ist Vereinigung mit seinen Aehnlichen, Mittheilen und Empfangen, Entzücken im Genuß doppelter Treflichkeit.

Ha! welch ein Himmel ist die Liebe! Der ist ein Seliger, der darinnen wohnt, der ein Verdammter, der keinen Platz darin bekommt! Guter Hölty! Wohl! wohl!



flammt in die Hoͤhe, und was irrdisch ist, fuͤhlt einen Zug, sich mit allem seinem Aehnlichen in dem Mittelpunkte seiner Allmutter der Erde zu sammeln. Stroͤme zerreißen Welttheile, um sich mit dem Meere zu vereinigen — Allein seyn ist eine Dissonanz in der Natur, die sie nicht lange ertraͤgt, sie laͤßt sie bald mit einem starken volltoͤnenden Griffe. Und der Mensch — diese Welt im Kleinen, auf den alles Bezug hat, der allem Bezug giebt, der Faͤhigkeit und Beduͤrfniß zu jeglichem Genuß, Beruͤhrungspunkte fuͤr jedes Wesen hat, dem seine Ahndungen Anspruͤche zur Seligkeit geben, ist nur ein unmuthiges truͤbes Geschoͤpf, giebt, uͤberdruͤßig, alles hin was er ist, wenn dieser quaͤlende Trieb zu seinem Aehnlichen nicht befriediget wird. — Ach seine Quaal muß ja wohl groͤßer seyn als irgend eines andern Geschoͤpfs, da er so vieler Wonne faͤhig ist. Herz und Sinne und Vernunft — Leib und Seele, alles hat seinen suͤßen Genuß, wo einer den andern zum hoͤchsten Entzuͤcken erhoͤht.

Dieser Trieb, diese Wonne des Menschen ist die Liebe. Sie ist Vereinigung mit seinen Aehnlichen, Mittheilen und Empfangen, Entzuͤcken im Genuß doppelter Treflichkeit.

Ha! welch ein Himmel ist die Liebe! Der ist ein Seliger, der darinnen wohnt, der ein Verdammter, der keinen Platz darin bekommt! Guter Hoͤlty! Wohl! wohl!


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[119/0119] flammt in die Hoͤhe, und was irrdisch ist, fuͤhlt einen Zug, sich mit allem seinem Aehnlichen in dem Mittelpunkte seiner Allmutter der Erde zu sammeln. Stroͤme zerreißen Welttheile, um sich mit dem Meere zu vereinigen — Allein seyn ist eine Dissonanz in der Natur, die sie nicht lange ertraͤgt, sie laͤßt sie bald mit einem starken volltoͤnenden Griffe. Und der Mensch — diese Welt im Kleinen, auf den alles Bezug hat, der allem Bezug giebt, der Faͤhigkeit und Beduͤrfniß zu jeglichem Genuß, Beruͤhrungspunkte fuͤr jedes Wesen hat, dem seine Ahndungen Anspruͤche zur Seligkeit geben, ist nur ein unmuthiges truͤbes Geschoͤpf, giebt, uͤberdruͤßig, alles hin was er ist, wenn dieser quaͤlende Trieb zu seinem Aehnlichen nicht befriediget wird. — Ach seine Quaal muß ja wohl groͤßer seyn als irgend eines andern Geschoͤpfs, da er so vieler Wonne faͤhig ist. Herz und Sinne und Vernunft — Leib und Seele, alles hat seinen suͤßen Genuß, wo einer den andern zum hoͤchsten Entzuͤcken erhoͤht. Dieser Trieb, diese Wonne des Menschen ist die Liebe. Sie ist Vereinigung mit seinen Aehnlichen, Mittheilen und Empfangen, Entzuͤcken im Genuß doppelter Treflichkeit. Ha! welch ein Himmel ist die Liebe! Der ist ein Seliger, der darinnen wohnt, der ein Verdammter, der keinen Platz darin bekommt! Guter Hoͤlty! Wohl! wohl!

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/119>, abgerufen am 11.05.2024.