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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.

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um mich gewahr ward. Jch stieg dann hinauf in die Fenster, und übersah die Gegend noch einmal, die in sanftem Mondsschimmer abwechselnd mit schwarzen Waldschatten, vor mir lag. Wie schön, wie rührend ist die Natur, und doch ohne die Fantasie der Liebe, ohne ein zweites Herz, das es mit empfände, wie fremd ist dies alles dem Menschen! O warlich, Liebe, du bist ihm nothwendig, nur du legst in ein jedes Ding Sinn und Bedeutung, ohne sie ist ihm die Natur nur ein allverschlingendes Grab.

Jch nahm stummen Abschied von den Ruinen, die ich jede einzeln noch einmal eingieng, und kehrte dann zurück in das Haus.

Die Leute, die jetzt in der Erde bis in die späte Nacht arbeiten, saßen eben um eine große dampfende Schüssel herum, und ließen sichs wacker schmecken. Mich schienen sie für ein seltsames Stück von Menschen zu halten, daß ich da bis in die Nacht allein im Walde gewesen wäre. Um dies zu zerstreuen, zwang' ich mich zu einem geselligen Tone, und da ich ohne dies hungerte, weil ich den Mittagstisch versäumt hatte, so bat ich mich zu Gaste. Kaum hatten sie den letzten Bissen im Munde, so sank eins da, das andere dort im Schlaf.



um mich gewahr ward. Jch stieg dann hinauf in die Fenster, und uͤbersah die Gegend noch einmal, die in sanftem Mondsschimmer abwechselnd mit schwarzen Waldschatten, vor mir lag. Wie schoͤn, wie ruͤhrend ist die Natur, und doch ohne die Fantasie der Liebe, ohne ein zweites Herz, das es mit empfaͤnde, wie fremd ist dies alles dem Menschen! O warlich, Liebe, du bist ihm nothwendig, nur du legst in ein jedes Ding Sinn und Bedeutung, ohne sie ist ihm die Natur nur ein allverschlingendes Grab.

Jch nahm stummen Abschied von den Ruinen, die ich jede einzeln noch einmal eingieng, und kehrte dann zuruͤck in das Haus.

Die Leute, die jetzt in der Erde bis in die spaͤte Nacht arbeiten, saßen eben um eine große dampfende Schuͤssel herum, und ließen sichs wacker schmecken. Mich schienen sie fuͤr ein seltsames Stuͤck von Menschen zu halten, daß ich da bis in die Nacht allein im Walde gewesen waͤre. Um dies zu zerstreuen, zwang' ich mich zu einem geselligen Tone, und da ich ohne dies hungerte, weil ich den Mittagstisch versaͤumt hatte, so bat ich mich zu Gaste. Kaum hatten sie den letzten Bissen im Munde, so sank eins da, das andere dort im Schlaf.


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[126/0126] um mich gewahr ward. Jch stieg dann hinauf in die Fenster, und uͤbersah die Gegend noch einmal, die in sanftem Mondsschimmer abwechselnd mit schwarzen Waldschatten, vor mir lag. Wie schoͤn, wie ruͤhrend ist die Natur, und doch ohne die Fantasie der Liebe, ohne ein zweites Herz, das es mit empfaͤnde, wie fremd ist dies alles dem Menschen! O warlich, Liebe, du bist ihm nothwendig, nur du legst in ein jedes Ding Sinn und Bedeutung, ohne sie ist ihm die Natur nur ein allverschlingendes Grab. Jch nahm stummen Abschied von den Ruinen, die ich jede einzeln noch einmal eingieng, und kehrte dann zuruͤck in das Haus. Die Leute, die jetzt in der Erde bis in die spaͤte Nacht arbeiten, saßen eben um eine große dampfende Schuͤssel herum, und ließen sichs wacker schmecken. Mich schienen sie fuͤr ein seltsames Stuͤck von Menschen zu halten, daß ich da bis in die Nacht allein im Walde gewesen waͤre. Um dies zu zerstreuen, zwang' ich mich zu einem geselligen Tone, und da ich ohne dies hungerte, weil ich den Mittagstisch versaͤumt hatte, so bat ich mich zu Gaste. Kaum hatten sie den letzten Bissen im Munde, so sank eins da, das andere dort im Schlaf.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/126>, abgerufen am 24.11.2024.