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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.

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rannen der Dinge macht, -- Deine Menschheit, giebt dir hienieden nur das Recht, auf eine ganz eigene Art unglücklich zu seyn. Du bist keine für sich bestehende Gattung, nur ein zweideutiger, in ewigem räthselhaften Streit befangener Uebergang, der bald auf diese bald auf jene Seite von unbekannten Kräften, wie von einem bösen Zauberer, getrieben, steter Unruhe, steter Zweifel, flüchtiger, eilender Raub ist. Ahndung, ähnlich göttlicher Vernunft, hebt dich bald hinan zu deiner Vollendung, bald stürzest du dich wieder hinab in deine thierische Masse, die wie ein giftiger Zusatz, sprudelt und gährt, und alles, was gut und edel ist in Dir, verzehrt.

Ja meine Forderungen an Sie sind seltsam! Sie soll frei denken, verbuhlt seyn, kokett, und doch -- treu, mir treu, all das nur mir! Ach ich fürchte Sie erfüllt meine erste Forderung ganz, und -- sagt meine kalte richtige Vernunft, -- und folglich die letzte gar nicht, und daß Sie das so kalt und richtig sagen darf, macht mich rasend.

Gestern als wir, uns wechselseitig umschlungen, da saßen, und ich ihr im Yorick vorlas, und einmal im Affekt ein wenig lauter ward als gewöhnlich, erwachte Jhr jüngerer Bruder, und richtete sich in die Höhe. Ohne sich zu bedenken warf Sie ganz gelassen einen Mantel um mich, und blieb ruhig wie zuvor. Er wird mich doch nicht erkannt haben? sagt' ich, als er wieder eingeschlafen war. O nein,


rannen der Dinge macht, — Deine Menschheit, giebt dir hienieden nur das Recht, auf eine ganz eigene Art ungluͤcklich zu seyn. Du bist keine fuͤr sich bestehende Gattung, nur ein zweideutiger, in ewigem raͤthselhaften Streit befangener Uebergang, der bald auf diese bald auf jene Seite von unbekannten Kraͤften, wie von einem boͤsen Zauberer, getrieben, steter Unruhe, steter Zweifel, fluͤchtiger, eilender Raub ist. Ahndung, aͤhnlich goͤttlicher Vernunft, hebt dich bald hinan zu deiner Vollendung, bald stuͤrzest du dich wieder hinab in deine thierische Masse, die wie ein giftiger Zusatz, sprudelt und gaͤhrt, und alles, was gut und edel ist in Dir, verzehrt.

Ja meine Forderungen an Sie sind seltsam! Sie soll frei denken, verbuhlt seyn, kokett, und doch — treu, mir treu, all das nur mir! Ach ich fuͤrchte Sie erfuͤllt meine erste Forderung ganz, und — sagt meine kalte richtige Vernunft, — und folglich die letzte gar nicht, und daß Sie das so kalt und richtig sagen darf, macht mich rasend.

Gestern als wir, uns wechselseitig umschlungen, da saßen, und ich ihr im Yorick vorlas, und einmal im Affekt ein wenig lauter ward als gewoͤhnlich, erwachte Jhr juͤngerer Bruder, und richtete sich in die Hoͤhe. Ohne sich zu bedenken warf Sie ganz gelassen einen Mantel um mich, und blieb ruhig wie zuvor. Er wird mich doch nicht erkannt haben? sagt' ich, als er wieder eingeschlafen war. O nein,

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[87/0087] rannen der Dinge macht, — Deine Menschheit, giebt dir hienieden nur das Recht, auf eine ganz eigene Art ungluͤcklich zu seyn. Du bist keine fuͤr sich bestehende Gattung, nur ein zweideutiger, in ewigem raͤthselhaften Streit befangener Uebergang, der bald auf diese bald auf jene Seite von unbekannten Kraͤften, wie von einem boͤsen Zauberer, getrieben, steter Unruhe, steter Zweifel, fluͤchtiger, eilender Raub ist. Ahndung, aͤhnlich goͤttlicher Vernunft, hebt dich bald hinan zu deiner Vollendung, bald stuͤrzest du dich wieder hinab in deine thierische Masse, die wie ein giftiger Zusatz, sprudelt und gaͤhrt, und alles, was gut und edel ist in Dir, verzehrt. Ja meine Forderungen an Sie sind seltsam! Sie soll frei denken, verbuhlt seyn, kokett, und doch — treu, mir treu, all das nur mir! Ach ich fuͤrchte Sie erfuͤllt meine erste Forderung ganz, und — sagt meine kalte richtige Vernunft, — und folglich die letzte gar nicht, und daß Sie das so kalt und richtig sagen darf, macht mich rasend. Gestern als wir, uns wechselseitig umschlungen, da saßen, und ich ihr im Yorick vorlas, und einmal im Affekt ein wenig lauter ward als gewoͤhnlich, erwachte Jhr juͤngerer Bruder, und richtete sich in die Hoͤhe. Ohne sich zu bedenken warf Sie ganz gelassen einen Mantel um mich, und blieb ruhig wie zuvor. Er wird mich doch nicht erkannt haben? sagt' ich, als er wieder eingeschlafen war. O nein,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/87>, abgerufen am 25.11.2024.