Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite


Ortes bedurfte, um einer vollendetern Ausbildung entgegen zu gehen u.s.w."

Anmerkung.

Der V. scheint hier, ganz unvermerkt, einen Mißgriff gethan zu haben. Die Evolutionstheorie ist seiner Hypothese von den Muttermälern bei weitem nicht so günstig, als die Theorie der Epigenesis. Denn ist der Keim von Ewigkeit her völlig gebildet, so können die Einbildungen der Mutter auf seine Bildung nicht mehr Einfluß haben. Gehet hingegen die Bildung erst nach der Zeugung vor, so ist es allerdings möglich (ob gleich unwahrscheinlich) daß die Einbildung der Mutter darauf Einfluß haben soll. Ueberhaupt halte ich die Gründe des V. für unzulänglich, die Meinung des H. Büffon zu widerlegen. Die vielen Deklamationen über die geheimnißvolle Wirkungsart der Natur können unsere Naturerkenntniß nicht erweitern, und führen bloß zur Schwärmerei. Man kann sich leicht begreiflich machen, wie die Einbildungskraft in den gedachten Mälern einige Aehnlichkeit mit Früchten u.s.w. finden könne. Es ist aber ganz unbegreiflich und wider alle Analogie der Natur, wie die Einbildungskraft nicht bloß Vorstellungen, sondern selbst die ihnen entsprechenden Gegenstände hervorbringen sollte? Die bloße Möglichkeit dieser Erklärungsart berechtigt uns nicht, jene


Ortes bedurfte, um einer vollendetern Ausbildung entgegen zu gehen u.s.w.«

Anmerkung.

Der V. scheint hier, ganz unvermerkt, einen Mißgriff gethan zu haben. Die Evolutionstheorie ist seiner Hypothese von den Muttermaͤlern bei weitem nicht so guͤnstig, als die Theorie der Epigenesis. Denn ist der Keim von Ewigkeit her voͤllig gebildet, so koͤnnen die Einbildungen der Mutter auf seine Bildung nicht mehr Einfluß haben. Gehet hingegen die Bildung erst nach der Zeugung vor, so ist es allerdings moͤglich (ob gleich unwahrscheinlich) daß die Einbildung der Mutter darauf Einfluß haben soll. Ueberhaupt halte ich die Gruͤnde des V. fuͤr unzulaͤnglich, die Meinung des H. Buͤffon zu widerlegen. Die vielen Deklamationen uͤber die geheimnißvolle Wirkungsart der Natur koͤnnen unsere Naturerkenntniß nicht erweitern, und fuͤhren bloß zur Schwaͤrmerei. Man kann sich leicht begreiflich machen, wie die Einbildungskraft in den gedachten Maͤlern einige Aehnlichkeit mit Fruͤchten u.s.w. finden koͤnne. Es ist aber ganz unbegreiflich und wider alle Analogie der Natur, wie die Einbildungskraft nicht bloß Vorstellungen, sondern selbst die ihnen entsprechenden Gegenstaͤnde hervorbringen sollte? Die bloße Moͤglichkeit dieser Erklaͤrungsart berechtigt uns nicht, jene

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0109" n="109"/><lb/>
Ortes bedurfte, um einer vollendetern                         Ausbildung entgegen zu gehen u.s.w.«</p>
            <div n="4">
              <head>Anmerkung.</head><lb/>
              <p>Der                         V. scheint hier, ganz unvermerkt, einen <hi rendition="#b">Mißgriff</hi> gethan zu haben. Die <hi rendition="#b">Evolutionstheorie</hi> ist seiner                         Hypothese von den <hi rendition="#b">Mutterma&#x0364;lern</hi> bei weitem nicht so                         gu&#x0364;nstig, als die Theorie der <hi rendition="#b">Epigenesis.</hi> Denn ist                         der Keim von Ewigkeit her vo&#x0364;llig gebildet, so ko&#x0364;nnen die Einbildungen der                         Mutter auf seine Bildung nicht mehr Einfluß haben. Gehet hingegen die                         Bildung erst nach der Zeugung vor, so ist es allerdings mo&#x0364;glich (ob gleich                         unwahrscheinlich) daß die Einbildung der Mutter darauf Einfluß haben soll.                         Ueberhaupt halte ich die Gru&#x0364;nde des V. fu&#x0364;r unzula&#x0364;nglich, die Meinung des                             H.<hi rendition="#b"> Bu&#x0364;ffon</hi> zu widerlegen. Die vielen                         Deklamationen u&#x0364;ber die geheimnißvolle Wirkungsart der Natur ko&#x0364;nnen unsere                         Naturerkenntniß nicht erweitern, und fu&#x0364;hren bloß zur Schwa&#x0364;rmerei. Man kann                         sich leicht begreiflich machen, wie die Einbildungskraft in den gedachten                         Ma&#x0364;lern einige Aehnlichkeit mit Fru&#x0364;chten u.s.w. finden ko&#x0364;nne. Es ist aber                         ganz unbegreiflich und wider alle Analogie der Natur, wie die                         Einbildungskraft nicht bloß Vorstellungen, sondern selbst die ihnen                         entsprechenden Gegensta&#x0364;nde hervorbringen sollte? Die bloße Mo&#x0364;glichkeit                         dieser Erkla&#x0364;rungsart berechtigt uns nicht, jene<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0109] Ortes bedurfte, um einer vollendetern Ausbildung entgegen zu gehen u.s.w.« Anmerkung. Der V. scheint hier, ganz unvermerkt, einen Mißgriff gethan zu haben. Die Evolutionstheorie ist seiner Hypothese von den Muttermaͤlern bei weitem nicht so guͤnstig, als die Theorie der Epigenesis. Denn ist der Keim von Ewigkeit her voͤllig gebildet, so koͤnnen die Einbildungen der Mutter auf seine Bildung nicht mehr Einfluß haben. Gehet hingegen die Bildung erst nach der Zeugung vor, so ist es allerdings moͤglich (ob gleich unwahrscheinlich) daß die Einbildung der Mutter darauf Einfluß haben soll. Ueberhaupt halte ich die Gruͤnde des V. fuͤr unzulaͤnglich, die Meinung des H. Buͤffon zu widerlegen. Die vielen Deklamationen uͤber die geheimnißvolle Wirkungsart der Natur koͤnnen unsere Naturerkenntniß nicht erweitern, und fuͤhren bloß zur Schwaͤrmerei. Man kann sich leicht begreiflich machen, wie die Einbildungskraft in den gedachten Maͤlern einige Aehnlichkeit mit Fruͤchten u.s.w. finden koͤnne. Es ist aber ganz unbegreiflich und wider alle Analogie der Natur, wie die Einbildungskraft nicht bloß Vorstellungen, sondern selbst die ihnen entsprechenden Gegenstaͤnde hervorbringen sollte? Die bloße Moͤglichkeit dieser Erklaͤrungsart berechtigt uns nicht, jene

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/109
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/109>, abgerufen am 22.12.2024.